Tschechien

Prag bleibt Weltkulturerbe - vorerst

Fünf Tage dauerte die Visite führender Unesco-Vertreter Anfang März, die darüber entscheiden sollten, ob Prag auf der Liste des Weltkulturerbes bleibt oder nicht. Der Status schien wegen mehrerer Hochhaus-Projekte gefährdet, die das Bild der Stadt nach Meinung von Kritikern verschandeln würden. Offizielle Aussagen der Unesco-Abgesandten gibt es bisher nicht. Lediglich die, dass man Prag als "Modellfall" ansehe und genau beobachte. "Wir widmen den derzeitigen Problemen der tschechischen Metropole außerordentliche Aufmerksamkeit", sagte Francesco Bandarin, der Chef des Unesco-Weltkulturerbe-Zentrums. "Die Entwicklung der Städte in Osteuropa verläuft sehr schnell. Dafür steht reichlich Geld zur Verfügung. Uns geht es darum, dass verantwortungsvolle Entscheidungen beim Städtebau getroffen werden." Die Unesco-Vertreter ließen sich die Studien für vierzig Stellen in der Moldaustadt erläutern, an denen der Bau von mehr als 80 Meter hohen Häusern geplant ist. Besonders interessierten sie sich für die Projekte im zentrumsnahen Stadtteil Pankrac. Dort recken sich schon heute mehrere Hotels gen Himmel.
Prag, Altstädter Ring
Andreas MetzWeitere solcher Bauten sollen folgen. Der Prager Magistrat hat dem bereits zugestimmt. Das wiederum hatte die Unesco auf den Plan gerufen. Vor etwa einem Jahr warnte sie die Stadt vor einem drohenden Verlust des Welterbe-Titels. Das spielte den tschechischen Kritikern des Projekts in die Hände, die meinten, die Pläne mit internationaler Rückendeckung abwenden zu können. Wie wichtig die Unesco Prag nimmt, zeigt sich schon daran, dass sich ihr Direktor höchstselbst an die Moldau bemühte. Das tat er bislang nur bei St. Petersburg.Oberbürgermeister Pavel Bem versprach den Unesco-Vertretern hoch und heilig, man werde sich nicht "kopflos" den Forderungen der Investoren ergeben. "Die Stadt wird auch außerhalb des historischen Zentrums regulierend eingreifen", versicherte Bem. Ob seine Versprechen auch in die Realität umgesetzt werden, steht auf einem anderen Blatt. Das älteste Prager Viertel Ungelt, gleich hinter dem Altstädter Ring und der Tyn-Kirche gelegen, ist ein trauriges Beispiel dafür, wie in den vergangenen Jahren auf Teufel komm raus "saniert" wurde. Unwiederbringlich wurden da hinter dem Rücken der Denkmalschützer in Nacht- und Nebelaktionen berühmte Prager Kastendecken aus Häusern gerissen und mussten modernen Lichtschächten weichen. Außer den Fassaden erinnert in den Gebäuden selbst kaum noch etwas an die frühere Architektur. Die Investoren, häufig aus dem westlichen Ausland, mussten zwar Strafe für ihren Frevel zahlen - die aber zahlten sie aus der Portokasse. Nach der Neuvermietung waren diese "Sonderausgaben" schnell wieder drin.

Die Karlsbrücke und der Burghügel Hradschin
Andreas MetzDie Zeitung "Mlada fronta dnes" veröffentlichte zudem kürzlich eine Liste von 16 wertvollen
Gebäuden der Stadt, die vor sich hin gammeln. Ein Kommentator der Zeitung "Prazsky denik" stellte die Frage, wie es möglich sei, dass solche Zustände gerade während der letzten zwanzig Jahre einer konservativen Führung im Prager Rathaus eintreten konnten. "Was ist konservativer, als sich um das Erbe der Vorväter zu sorgen?", fragte das Blatt. Freilich kommt auch die Unesco in der öffentlichen Wahrnehmung nicht gut weg. Auf der einen Seite sei sie pingelig und verbiete in einem zentrumsfernen Neubaugebiet den Einbau von Plastikfenstern. Auf der anderen Seite billige sie, dass auf der barocken Kleinseite - einem der architektonischen Kleinode Prags - die Dächer der Häuser in einheitlichem Rot neu gedeckt werden können. Das mache den einzigartigen Blick zunichte, den man früher etwa von der Burg aus auf Schieferdächer und Patina gehabt habe.Bürgerbewegungen erzürnen sich darüber, dass die Unesco nicht viel härter gegen die Pläne für die Wolkenkratzer in Pankrac vorgeht. Zumal es ähnliche Projekte auch für den Moldaustadtteil Holesovice gebe. Martin Skalsky von der Bürgerbewegung Arnika hofft deshalb, dass die Unesco-Abordnung sehr genau hingesehen hat. "So lange die Unesco keine offizielle Erklärung abgegeben hat, kann sich die Stadt nicht in Sicherheit wiegen", sagt er. Und selbst wenn Prag derzeit mit einem blauen Auge davonkommen sollte - eine Garantie für immer ist das nicht.


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