Polen

Zittern um den Ruf als Gastgeber

Goldgelb wie ein Bernstein funkelt die Danziger PGE-Arena in der Spätsommersonne. Das Stadion für die in Polen und der Ukraine stattfindende EM 2012 ist erst seit ein paar Monaten fertig, die Danziger Fans freuen sich deshalb besonders auf das Freundschaftsspiel zwischen Deutschland und Polen, das heute (Dienstag, 6. September) dort stattfindet. Erst seit Sonntag werden die Tickets frei verkauft. Bis dahin waren sie nur für die Mitglieder des Fanclubs der polnischen Mannschaft zugänglich. Für die polnischen Fans wurden 37.000 Tickets reserviert, für die deutschen 1.500.

Doch der schöne Schein trügt. Hinter den Kulissen herrscht Nervosität. Noch bis Freitag war unklar, ob das Spiel überhaupt in der Hafenstadt ausgetragen werden kann: Die Feuerwehr hatte Mängel beim Brandschutz festgestellt und die Freigabe zunächst verweigert. „Das Spiel gegen die deutsche Mannschaft ist für uns besonders wichtig. Es wäre eine große Schande, wenn es nicht in Danzig stattfinden könnte“, sagte am Freitag die Pressesprecherin des polnischen Fußballverbandes PZPN im polnischen Fernsehen.

Die Aussage passt zu der nervösen Grundstimmung, die sich mittlerweile im ganzen Land ausgebreitet hat. Polen zittert um die Fertigstellung seiner Stadien und Infrastruktur bis zum Juni 2012 – und um seinen Ruf als Mit-Gastgeber der Fußball-EM. Ob bei Flughäfen, Autobahnen, Stadien: Überall gibt es Verzögerungen. Selbst das Nationalstadion in Warschau ist immer noch nicht fertiggestellt. Deshalb findet das heutige Freundschaftsspiel überhaupt in Danzig und nicht in Warschau statt.

Die polnische Hafenstadt ist aber auch aus einem anderen Grund bemüht, als guter Gastgeber für die Deutschen da zustehen. Denn das Team von Bundestrainer Joachim Löw hat sich Danzig für die EM 2012 als Hauptquartier ausgesucht. Residieren wird die Nationalelf im Nobel-Hotel „Dwór Oliwski“ (Oliwaer Hof). Das Personal übt sich zwar bislang in Diskretion, an der Rezeption will hier niemand bestätigen, was eigentlich schon die ganze Stadt weiß: Höchstwahrscheinlich wird die Nationalelf ihr künftiges Quartier beim heutigen Freundschaftsspiel schon einmal testen. Zumindest ist das ganze Hotel ausgebucht.

Das Fünf-Sterne-Haus ist wie gemacht für die Nationalelf. Nicht nur, weil es hier einen riesigen Wellness-Bereich für müde Fußballer gibt. Das weiße Herrenhaus, das mit 130 Euro pro Nacht für deutsche Verhältnisse recht günstig ist, liegt idyllisch im Wald. Auf der Dachterrasse schweift der Blick ins Grüne, von der Ostsee weht immer ein leichter Wind herüber. „Die Lage ist perfekt“, meint auch Andrzej Szczepanski, der Chef des Pommerschen Fußballverbandes PZPN, der die Anlage selbst mit einem UEFA-Team besichtigt hat. „Die Spieler können hier entspannen und ausschlafen, und dann mit dem Bus schnell das Übungsstadion Lechia erreichen.“ Gleichzeitig ist das Hotel nur 15 Kilometer vom Lech-Walesa-Flughafen und zwanzig Autominuten von der Danziger Altstadt entfernt.

Bei der EM 2012 werden Joachim Löw und sein Nationalteam im Stadion des örtlichen Clubs Lechia trainieren. Das Stadion haben der Bundestrainer und eine Delegation des Deutschen Fußballbundes selbst unter die Lupe genommen, bestätigt Verwaltungsmanager Leszek Paszkowski. „Dort wird die DFB-Auswahl während der Fußball-EM trainieren.“ Er erzählt, dass die Deutschen in letzter Zeit mehrfach hier gewesen sind, auch Teammanager Oliver Bierhoff und Joachim Löw waren dabei. „Die Deutschen haben das Stadion für gut befunden. Sie interessierten sich besonders für den Zustand des Rasens und nahmen auch den Umkleidebereich in Augenschein“, so der Manager stolz.

Auf die deutschen Fans freuen sich vor allem Kneipen- und Restaurantbesitzer: „Die Deutschen sind ein reiches Volk. Sicherlich profitieren wir davon“, sagt ein Wirt. Auch Hotels und Pensionen hoffen auf eine Welle von Übernachtungsgästen aus dem Nachbarland. Sogar Privatleute wollen Zimmer in ihren Wohnungen vermieten.


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