Ukraine

Asterix soll die Römer auf Ukrainisch besiegen

Römische Legionäre sind für Asterix und Obelix bekanntlich kein größeres Hindernis. Ukrainische Zöllner dagegen schon: Die beschlagnahmten kürzlich alle 50 Film-Kopien von "Asterix bei den Olympischen Spielen". Grund:  Die unbeugsamen Gallier sprachen Russisch - und brachen damit ein neues Gesetz: Seit 2008 müssen alle ausländischen Kino-Produktionen ukrainisch synchronisiert  sein, bevor sie auf die Leinwände dürfen. Das hatte Asterix' russische Verleihfirma nicht beachtet.  Auch das US-Science-Fiction-Epos "I am Legend" mit Will Smith kommt deswegen vorerst nicht in die ukrainischen Kinos.

Was nach einem bizarren Sprachenstreit klingt, hat handfeste wirtschaftliche Hintergründe. Rund 90 Prozent der ausländischen Kinofilme werden in russischen Studios synchronisiert und von russischen Verleihern auf den ukrainischen Markt gebracht - Erbe der Sowjetunion.  Bis vor zwei Jahren gab es überhaupt keine Filme auf Ukrainisch: Arnold Schwarzenegger, Keanu Reeves und Angelina Jolie haben nie Ukrainisch gesprochen. Ihre Filme wurden immer nur Russisch synchronisiert. Dieses Quasi-Monopol will die unabhängige Ukraine nun brechen.

Kulturminister Wasyl Wowkun betonte denn auch, die neuen Vorschriften unterstützten den Aufbau eines heimischen Verleih-Marktes. Die ukrainischen Fans von "Obelix" (Gérard Dépardieu) mussten bis diese Woche auf die neuen Abenteuer ihres Helden warten. Der Verdruss darüber ist in dem traditionell zweisprachigen Land unterschiedlich groß. Zwar ist Ukrainisch die offizielle Staatssprache, doch im Osten des Landes und auf der Krim wird mehrheitlich Russisch gesprochen. Dort ist der Widerstand gegen die neuen Kinoregeln verständlicherweise am stärksten. Schon in den letzten Wochen blieben immer mehr Sessel in den Sälen leer. Zwar reichen bei russischen Produktionen ukrainische Untertitel für die begehrte Lizenz aus. Die überaus beliebten Hollywood-Streifen aber müssen neuerdings aufwändig mit ukrainischen Stimmen synchronisiert werden. Und das dauert.

In der ostukrainischen Industriemetropole Donezk gingen aufgebrachte Cinéasten bereits dafür auf die Straße, dass amerikanische Action-Heros wie Matt Damon oder Jackie Chan auch weiterhin auf Russisch kämpfen können. Und auch die dortigen Kinobetreiber wehren sich: Am heutigen Mittwoch sollen mehr als 60 Leinwände in 30 Kinos landesweit einen Tag lang dunkel bleiben.  Die Kinobesitzer sehen in den neuen Sprachregeln lediglich kostspielige bürokratische Hindernisse. Viele befürchten Einnahmeverluste, weil die vorhandenen Synchron-Kapazitäten in der Ukraine nicht für alle US-Kassenschlager und europäische Arthouse-Produktionen  ausreichen - und die Filme dann gar nicht in die Kinos kämen.  "Statt 200 könnten künftig nur noch 30 ausländische Werke im Jahr herauskommen", fürchtet Anton Pugach, Chef der Multiplex-Holding, einem der größten Kinobetreiber in der Ukraine. Die Regierung treibe potentielle Kinogänger geradezu in den illegalen Markt für russischsprachige DVD-Raubkopien, argumentiert der Anführer der Proteste.

An jeder Straßenecke sind "bootlegs" neuster Hollywood-Produktionen für ein paar Euro zu haben.  Die demonstrierenden Kinobetreiber wollen erreichen, dass russisch synchronisierte Filme künftig mit ukrainischen Untertiteln laufen dürfen. Viele Westukrainer dagegen begrüßen die  Ukrainischquote fürs Kino: "Das wurde höchste Zeit. Wir leben immer noch in einer postkolonialen Zeit, in der der russische Einfluß übermächtig ist. Unsere Sprache braucht diese Unterstützung", findet Ostap Kryvdyk, Journalist aus Lwiw. In ein paar Jahren könne man dann ruhig eine Quote für die geschätzten 17 Prozent Russen im Land einführen. Andere halten die Regelung für künstlich und lebensfern:  "Zurzeit werden bei uns kaum gute Filme auf Ukrainisch produziert, aber man behindert die russischen oder englischen. Das leuchtet mir nicht ein", seufzt die Kiewer Studentin Olga Termenko, die gerade zwei Tickets für "Definitely, Maybe" mit Kevin Kline gekauft hat.

Das umstrittene Sprachen-Gesetz wurde zwar schon vor zwei Jahren verabschiedet, aber jetzt erst von der neuen, prowestlichen Regierung Timoschenko umgesetzt. Unter dem russlandfreundlichen Ex-Premier Janukowitsch hatte man die Regelung schlichtweg ignoriert. In dieser Zeit hätte man die Gelegenheit gehabt, Synchronkapazitäten aufzubauen, argumentiert der Kulturminister, der nicht daran denkt, das Gesetz zu ändern. Er sieht die Kritik daran als Teil des wirtschaftlichen Drucks, den Russland auch in anderen Bereichen, wie beim Gas, auf die Ukraine auszuüben versucht. Das hätten auf dem Berlinale-Filmmarkt  bereits einige europäische Filmvertriebe zu spüren bekommen: Sie seien von russischen Verleihern unter Druck gesetzt worden, keine direkten Verträge mit ukrainischen Verleihern abzuschließen  - und so russische Vertriebswege zu umgehen. Um zu verhindern, dass demnächst nur noch Blockbuster zu sehen sind, plant die ukrainische Regierung, kleinere Arthouse-Produktionen bei den Synchron-Kosten finanziell zu unterstützen. Gut möglich also, dass Amélie oder die Stasi-Offiziere aus "Das Leben der Anderen" demnächst Ukrainisch sprechen.


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