Tschechien

Vorentscheidung für Prager Präsidentenwahl?

Präsident Václav Klaus mit guten Chancen für zweite AmtszeitZwei Ereignisse haben die Chancen des amtierenden tschechischen Präsidenten Václav Klaus auf eine zweite Amtszeit deutlich steigen lassen. Zunächst vollzogen die mitregierenden Christdemokraten eine Kehrtwende und sprachen sich in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen am kommenden Freitag für eine geheime Wahl aus. Der Streit um das Prozedere hatte die Wahlen in der vergangenen Woche hinausgezögert. Bisher wurde der tschechische Präsident von den beiden Parlamentskammern immer in geheimer Wahl bestimmt. Sozialdemokraten und Grüne, die Herausforderer Jan Švejnar unterstützen, hatten sich kurz vor der Abstimmung für eine offene Wahl ausgesprochen, um mögliche Überläufer ins Klaus-Lager aus den eigenen Reihen kontrollieren zu können. Dem Vorschlag hatten sich sowohl Kommunisten, als auch Christdemokraten angeschlossen. Leidtragende waren die größte Partei ODS und der von ihr unterstützte Präsident, der in der Tat mit Unterstützung aus dem anderen Lager hätte rechnen können. Ihren Schritt begründeten die Christdemokraten mit dem Chaos bei der Wahl letzte Woche, das für die Wahl des tschechischen Präsidenten unwürdig sei.


Bild des Präsidenten im Konsulat von Cartagena (Kolumbien)
Steffen NeumannEntscheidender als das Prozedere dürfte jedoch die Aufstellung einer eigenen Kandidatin durch die Kommunisten zu einem möglichen Sieg von Präsident Klaus beitragen. Die Kommunisten gehen mit der Europaabgeordneten und Journalistin Jana Bobošíková ins Rennen. Bobošíková, die als Unabhängige im EU-Parlament sitzt, geht in Tschechien der Ruf voraus, je nach Interessenlage notfalls auf jedes Pferd zu setzen. Vor Jahren noch Beraterin des jetzigen Präsidenten Klaus, gründete sie 2006 ihre eigene Partei "Politika 21", in die sie gegen den Willen der ODS auch die frühere Ehefrau von Premier Mirek Topolánek einband. Mit der Präsidentschaftskandidatur für die Kommunisten wird sie einmal mehr ihrem Ruf gerecht.Die neue Kandidatin bedeutet vor allem eine Schwächung von Jan Švejnar, für den ohne die Stimmen der Kommunisten wenig Chancen auf einen Wahlsieg bestehen. Noch ist möglich, dass die Kommunisten ihre Kandidatin wieder zurückziehen. Denn kurz nach der Nominierung veröffentlichten sie einen Forderungskatalog, unter welchen Umständen sie zu einer Wahl Švejnars bereit wären. Sozialdemokraten und Grüne sollen sich zu einem Nichtangriffspakt gegenüber den Kommunisten verpflichten. Mit diesem Schritt werden sich besonders die Grünen schwer tun, bedeutet er doch eine weitere Aufwertung der Kommunisten. Gänzlich unerfüllbar wird die zweite Bedingung sein, mit der ein Nein zum US-amerikanischen Raketenabwehrschild gefordert wird. Auch wenn die Sozialdemokraten dieses Projekt eher kritisch sehen, werden sie einen derartigen Kurswechsel in der Außenpolitik nicht zulassen.Grüne und Sozialdemokraten sehen die Nominierung der eigenen Kandidatin als schweren Fehler und einen weiteren Nachweis, dass die kommunistische Partei nicht staatstragend ist. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Kommunisten mit diesem Schritt tatsächlich selbst ins Aus befördert haben. Denn anders als vor fünf Jahren sind ihre Stimmen nicht zwingend notwendig, um am Freitag im zweiten Versuch einen neuen Präsidenten zu wählen. Václav Klaus, der neben seiner Partei ODS auch von Teilen der Christdemokraten und mehreren unabhängigen Senatoren unterstützt wird, fehlte in der vergangenen Woche nur eine einzige Stimme zum Wahlsieg. Nach der durch die Kommunisten vollzogenen Spaltung des Švejnar-Lagers ist der Sieg für ihn greifbar nahe.
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