Tschechien

Der Traum von der Fluggesellschaft

Mutmaßlicher Hochstapler erhält beinahe 3,5 Milliarden Dollar von einer Schweizer BankEs muss im Jahr 1998 gewesen sein. Die Revolution im Flugwesen durch die Billigflieger stand noch bevor, da entschloss sich Evžen Biskup aus einem kleinen Dorf in Südböhmen eine internationale Fluggesellschaft zu gründen. Er gab ihr den Namen "European Dream Airways" und ließ sie im November 1999 ins Handelsregister eintragen. Biskup ging es jedoch nicht um den Aufbau einer Billigairline, er wollte mehr. Heute sagt er, sein Konzept sei so genial gewesen, dass es die Hälfte aller Fluggesellschaften in den Ruin getrieben hätte. Für Biskup war von Anfang an klar, dass zu seiner Airline auch ein eigener Flughafen gehören sollte. Dazu kam die Anschaffung der Flugzeuge mit Ersatzteilen, das Training der Besatzung und der Mechaniker, Kosten für Personal und Leasing. Biskup wollte nicht kleckern, sondern klotzen. Er rechnete alles zusammen und kam auf die gewaltige Summe von 3,5 Milliarden US-Dollar. Also ging der frühere Pilot, der von sich selbst sagt, er sei im Flugwesen aktiv (in Firmenverzeichnissen wird er als Eigentümer eines landwirtschaftlichen Betriebs geführt) geradewegs dorthin, wo man eben hingeht, wenn man viel Geld braucht - in die Schweiz.Inzwischen ermittelt die tschechische Polizei gegen Evžen Biskup und seine Frau Dagmar wegen versuchten Kreditbetrugs. Die Biskups sollen einer renommierten Schweizer Bank gefälschte Dokumente einer US-Bank vorgelegt haben, um ihren Kreditanspruch zu untermauern. Doch offensichtlich existiert die amerikanische Bank gar nicht. Den Namen des Schweizer Instituts verrät die Polizei mit Verweis auf die noch laufenden Ermittlungen nicht, bestätigt allerdings, dass es sich um eine wirklich renommierte Bank handele.Sollte sich der Verdacht bestätigen, droht den Biskups eine Freiheitsstrafe von bis zu zwölf Jahren. Für Jirí Matzner von der südböhmischen Polizei, die mit der Ermittlung betraut ist, wäre das der größte Kreditbetrug, den Tschechien je erlebt hat. Selbst im weltweiten Maßstab wäre der Betrug gigantisch. Zum Vergleich: Der französische Banker Jérôme Kerviel hat mit seinen Spekulationen bei der Société Générale 4,8 Milliarden Euro verspielt.Matzner zufolge wäre dem Ehepaar Biskup der Coup beinahe gelungen. Die Verträge waren schon aufgesetzt, offenbar stand auch das Geld schon bereit, es fehlten nur noch die Unterschriften, als der Bank doch Zweifel kamen. Man ließ die Echtheit der Dokumente der amerikanischen Bank prüfen und blies das Geschäft gerade noch rechtzeitig ab. Ein schier unglaubliches Szenario und auch Ermittler Matzner schüttelt etwas verständnislos mit dem Kopf. Nur eines steht fest: Die tschechische Polizei hat es mit einem handfesten Skandal zu tun - und das Schweizer Bankenwesen ein Glaubwürdigkeitsproblem.Evžen Biskup erzählt die Geschichte in tschechischen Zeitungen anders. Er fühle sich um seinen Lebenstraum betrogen. In das Flugzeugprojekt habe er schon über eine Million Euro investiert, er verstehe nicht, warum die Polizei jetzt alles beschlagnahme. Seine Theorie: Das Ganze sei eine Verschwörung von Neidern.Zu seiner Verteidigung sagt Biskup den Berichten zufolge, dass es sich bei der Bank, die die Dokumente ausgestellt haben soll, nicht um eine US-amerikanische, sondern um eine australische handele. Seine Frau Dagmar sagt dieser Zeitung: "Wer einen gesunden Menschenverstand hat, der bildet sich sein eigenes Urteil. Wenn es wirklich wahr wäre, was die Polizei sagt, dann hätte man uns schon in der Schweiz festgenommen."

Tatsächlich ist merkwürdig, dass gegen die Biskups nicht schon eher ermittelt wurde. Bereits im September 2005 soll die Schweizer Bank das Geschäft abgebrochen haben. Erst im Sommer 2006 nahm die tschechische Polizei mit Unterstützung der amerikanischen Notenbank Fed und des US-Innenministeriums die Ermittlungen auf. Die Aufdeckung eines Mega-Kreditskandals stellt man sich anders vor. Aufklärung verspricht das anstehende Gerichtsverfahren, sollte es dazu kommen. Die Polizei sei gerade jetzt an die Öffentlichkeit gegangen, weil sie genügend Beweise gesammelt habe, sagt Ermittler Matzner. Nur noch Details seien zu klären. Für Evžen Biskup geht es dagegen um alles. Um seinen Ruf als umtriebiger Unternehmer - oder als verschlagener Hochstapler.
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