Kuriose Versteigerung polnischer Feldpost
Museum ersteigert in nur einer Minute wertvolle Briefsammlung für 190.000 EuroEine Sammlung von Briefen, Postkarten und Briefmarken aus dem Warschauer Aufstand von 1944, die am Samstag in einem Auktionshaus in Düsseldorf zum Kauf angeboten wurde, ist von einem polnischen Museum für den Aufrufpreis von 190.000 Euro ersteigert worden. Die Auktion hatte in Polen im Vorfeld großes mediales Echo und auch heftige Kritik hervorgerufen, der Ausgang indes überraschte. Denn nach Angaben des Auktionshauses Ulrich Felzmann Briefmarken-Auktionen hatte es zuvor ein großes Interesse am Kauf der wertvollen Sammlung gegeben, nicht nur in Polen, sondern auch unter Personen etwa aus den USA und Australien. Bei der aus rund 120 Exponaten bestehenden Sammlung handelt es sich um Feldpost, die während der 63 Tage dauernden blutigen Erhebung der polnischen Heimatarmee von rund 180 polnischen Pfadfindern organisiert wurde. Widersprüchliche Angaben kursieren über die genaueren Verkaufsumstände vom vergangenen Samstag. Der kaufmännische Leiter von Felzmann, Axel Dörrenbach, sprach auf Anfrage von einer "ordentlich ausgebotenen" Versteigerung, wobei die Sammlung aus Polen jedoch um etwa "eine Stunde früher aufgerufen worden" sei. Das Museum des Warschauer Aufstands gibt hingegen an, bevorzugt behandelt worden zu sein. Museumsdirektor Jan Oldakowski sagte kurz nach der Versteigerung in Warschau: "Dank der Hilfe polnischer Medien und der Handlungen des polnischen Kultusministeriums hat sich das Auktionshaus damit einverstanden erklärt, den Termin der Auktion zu verschieben, um zwei Stunden früher, so dass wir die einzigen Bieter gewesen sind." Oldakowski sprach auch von einem möglichen "Trick", den man zugunsten des Museums angewendet habe. Laut Dörrenbach sei die Auktion lediglich wegen des großen Medienrummels vorgezogen worden, der die Versteigerungen anderer Exponate beeinträchtigt habe. Auf andere Interessenten angesprochen, auf die er im Vorfeld hingewiesen hatte, sagte Dörrenbach: "Wer nicht kommt, kommt eben nicht."In Polen wurde die Nachricht über den Erwerb der wertvollen Sammlung sofort von allen wichtigen Medien gemeldet. Museumsdirektor Jan Oldakowski dankte bei einer ersten Pressekonferenz den beiden polnischen Sponsoren - der Bank PKO BP und dem Telekommunikationskonzern TP SA, die die Gesamtkosten tragen. Ein Vertreter des polnischen Ministeriums für Kultur und das Nationale Erbe sagte laut der Tageszeitung "Rzeczpospolita", dass die "entsprechende deutsche Institution finanzielle Hilfe für den Fall angeboten habe, dass sich die Situation während der Versteigerung ungünstig für die polnische Seite entwickelt hätte". Es soll sich bei der Hilfszusage um einen Betrag etwa in Höhe des Schätzpreises von 190.000 Euro gehandelt haben. Bereits am Donnerstag hatte der polnische Parlamentspräsident Bronislaw Komorowski die Meinung geäußert, es wäre "das selbstverständlichste und natürlichste, wenn die deutsche Seite den Kauf auf sich nehmen und die Sammlung dem Museum des Warschauer Aufstandes übergeben würde". Ein solches Vorgehen der deutschen Regierung hätte eine "symbolische Dimension", so Komorowski.Der Staatssekretär und Sonderbeauftragte der polnischen Regierung für deutsch-polnische Beziehungen, Wladyslaw Bartoszewski, zeigte sich ebenfalls erfreut über den Aufkauf der Sammlung. Es handele sich bei den Exponaten um authentisches Material, "das von Menschen gefertigt wurde, die damals lebten", sagte Bartoszewski, der 1944 selbst in dem Aufstand gekämpft hatte. Der 85-Jährige, ehemals polnischer Außenminister, unterstrich, die Tradition des Warschauer Aufstandes sei in Polen weiterhin sehr lebendig. Auch Deutsche würden dies verstehen, sagte Bartoszewski gegenüber einer Tageszeitung, daher sei es gelungen, die Kollektion für den Aufrufpreis zu ersteigern. "Das war sicherlich ein Zeichen guten Willens. Wir wissen alle, dass es im Geschäftsleben unterschiedlich zugeht. Ich habe auch die Information, dass die deutsche Regierung bereit war, die Sammlung für uns zu kaufen", sagte der Staatssekretär am Samstag. Die Exponate, die nach Angaben der Tageszeitung "Rzeczpospolita" von dem in Fachkreisen bekannten deutschen Philatelisten Manfred Schulze angeboten wurden, sollen in rund einem Monat in Polen eintreffen und alsbald ausgestellt werden. Museumsdirektor Oldakowski drückte am Samstag die Hoffnung aus, dass man zu der Ausstellungseröffnung Familien der Briefautoren sowie deren Adressaten einladen könnte. Als Reaktion auf etliche private Unterstützer und Spendenwillige kündigte er die Gründung eines Sonderkontos an, dessen Einnahmen helfen sollen, für Polen wertvolle Sammlungen aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges zu erwerben. INFORMATIONEN ZUM WARSCHAUER AUFSTAND
Der Warschauer Aufstand ist einer der wichtigsten Eckpfeiler in der historischen Erinnerung der Polen. Am 1. August 1944 in Warschau ausgebrochen, war es der blutige und letztlich missglückte Versuch der Heimatarmee, sich von der faschistischen Okkupation selbst zu befreien und eine von Moskau unabhängige, souveräne Zentralregierung zu etablieren. Nach 63 Tagen wurde der Aufstand von den Deutschen niedergeschlagen, die vor den Toren der Stadt stehende sowjetische Armee griff nicht in die Kämpfe ein. Bis zu 200.000 Soldaten und Zivilisten wurden bei dem Aufstand getötet, deutsche Vernichtungskommandos zerstörten anschließend gezielt rund ein Drittel der Stadt, sodass Warschau am Ende des Krieges zu 85 Prozent dem Erdboden gleich gemacht war. Filmisch aufgearbeitet wurde der Aufstand von dem polnischen Regisseur Andrzej Wajda in seinem viel beachteten Film "Kanal" von 1957.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87