AUKTION MIT HISTORISCHER BRISANZ
Die Versteigerung von Feldpost aus dem Warschauer Aufstand 1944 schlägt in Polen hohe Wellen Ein deutsches Auktionshaus versteigert eine historisch höchst wertvolle, im deutsch-polnischen Kontext aber ebenso brisante Sammlung: Am Sonnabend soll ein 80-seitiges Album mit 120 Exponaten an Feldpost, Postkarten und Briefmarken vom Warschauer Aufstand im Herbst 1944 unter den Hammer kommen. Der Ausruf vom Mittwoch dieser Woche beträgt 190.000 Euro. Nach Informationen des kaufmännischen Leiters des Auktionshauses "Ulrich Felzmann Briefmarken-Auktionen", Axel Döhrenbach, gehört die Sammlung einem Deutschen, der sie über Jahrzehnte legal komplettiert hat. Berichte polnischer Medien, wonach dieser Sammler familiär mit Polen verbunden sei, wollte Döhrenbach am Freitag nicht kommentieren. Die Feldpost während des Aufstandes 1944 wurde von rund 180 polnischen Pfadfindern organisiert, die innerhalb von zwei Monaten etwa 150.000 Briefe zu ihren Empfängern brachten. Die Auktion schlägt in Polen hohe Wellen - und offenbart eine bittere Ironie. Briefe von Personen, die gegen die deutschen Besatzer kämpften und zum großen Teil auch starben, werden nun in Deutschland verkauft - und womöglich von Polen bezahlt. Denn das Museum des Warschauer Aufstandes in der polnischen Hauptstadt hat bereits angekündigt, die Sammlung ersteigern zu wollen. Da es die nötigen Mittel nicht selbst zur Verfügung hat, soll das Ministerium für Kultur und das Nationale Erbe einspringen, Minister Bogdan Zdrojewski hat seine Hilfe bereits schriftlich garantiert. Wie viel Geld das Ministerium zur Verfügung stellen will, ist indes unklar. Polnische Vertreter hatten bereits versucht, die Sammlung für den aufgerufenen Preis zu erwerben, das Auktionshaus und der Verkäufer haben jedoch abgelehnt. Felzmann-Vertreter Axel Döhrenbach sagte, es sei "nicht möglich, die Auktion herauszunehmen, da wir mit dem Sammler einen Vertrag geschlossen haben". Kultusminister Zdrojewski will auch die Stadt Warschau dazu überreden, sich finanziell zu beteiligen. Nach Angaben der Tageszeitung "Gazeta Wyborcza" will auch eine in Polen tätige Bank mithelfen, die Sammlung für das polnische Museum zu ersteigern. Bereits am Donnerstag hat Sejmmarschall Bronislaw Komorowski von der regierenden Partei Bürgerliche Plattform (PO) deutliche Kritik an den Plänen seines Parteifreundes Zdrojewski geäußert. Komorowski sagte, er sei "etwas überrascht über die Diskussion zwischen Vertretern polnischer Staatsorgane, wo man denn Geld für den Kauf der Sammlung finden könnte". Er sagte, es wäre vielmehr "das selbstverständlichste und natürlichste, wenn die deutsche Seite den Kauf auf sich nehmen und die Sammlung dem Museum des Warschauer Aufstandes übergeben würde". Ein solches Vorgehen der deutschen Regierung hätte eine "symbolische Dimension". Komorowski stellte auch die Frage, ob der deutsche Staat den "eigentümlichen Handel mit geplünderten Gütern" tolerieren wolle. Durch einen Aufkauf würde die deutsche Regierung zugleich deutlich machen, dass Deutschland den Handel mit geraubten Gütern nicht toleriere, sagte der Sejmmarschall. Komorowski ist in seiner Position als Parlamentspräsident formell und faktisch die mächtigste Person im polnischen Parlament.
Axel Döhrenbach vom Auktionshaus Felzmann sagte am Freitag, die Sammlung sei von seinem Haus eingehend geprüft worden und es bestünden keine Zweifel, dass es sich um eine legal komplettierte Kollektion handele. Laut dem Auktionshaus dokumentiert die dreibändige Sammlung den Verlauf des Warschauer Aufstands "wissenschaftlich aufgearbeitet und illustriert anhand polnischer Briefe, Dokumente, provisorischer und endgültiger Aufständischen-Postwertzeichen auf über 80 Albenblättern". Alle Poststücke seien im "unmittelbaren Kampfgebiet" des Aufstandes geschrieben und befördert worden, wodurch die Sammlung einen "musealen Charakter von größter Bedeutung für das polnische Nationalbewusstsein und die Geschichte des polnischen Staates im 2. Weltkrieg" erhalte, schreibt das Auktionshaus in seiner Internetpräsentation. Am Freitag fuhren eine Delegation des Warschauer Museums sowie der polnische Konsul in Köln nach Düsseldorf, um die Sammlung zu begutachten. Nach Angaben von Axel Döhrenbach gibt es reges Interesse an der Sammlung, vor allem von Personen, "die eine emotionale Verbindung" damit haben. Dies seien nicht nur Polen, sagte Döhrenbach. Zugleich betonte er, dass in der dreißigjährigen Geschichte seines Auktionshauses zu versteigernde Objekte selten solche emotionalen Reaktionen hervorgerufen hätten. Der Warschauer Aufstand ist einer der wichtigsten Eckpfeiler in der historischen Erinnerung der Polen. Am 1. August 1944 in Warschau ausgebrochen, war es der blutige und letztlich missglückte Versuch der Heimatarmee, sich von der faschistischen Okkupation selbst zu befreien und eine von Moskau unabhängige, souveräne Zentralregierung zu etablieren. Nach 63 Tagen wurde der Aufstand von den Deutschen niedergeschlagen, die vor den Toren der Stadt stehende sowjetische Armee griff nicht in die Kämpfe ein. Bis zu 200.000 Soldaten und Zivilisten wurden bei dem Aufstand getötet, deutsche Vernichtungskommandos zerstörten anschließend gezielt rund ein Drittel der Stadt, so dass am Ende des Krieges Warschau zu 85 Prozent dem Erdboden gleich gemacht war. Filmisch aufgearbeitet wurde der Aufstand von dem polnischen Regisseur Andrzej Wajda in seinem viel beachteten Film "Kanal" von 1957.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87