Der Prager Burgherr und sein Herausforderer
Die tschechischen Präsidentschaftskandidaten im Kurzporträt Kein zweiter Politiker, mit Ausnahme von Vaclav Havel, hat die Entwicklung Tschechiens nach dem gesellschaftspolitischen Umbruch 1989 so sehr geprägt wie Vaclav Klaus. Der 66-Jährige führte das Land in die Marktwirtschaft, weckte in den Tschechen neuerlich den "homo oeconomicus" und legte auch die theoretischen Grundlagen für die groß angelegte Privatisierung. Bei der Umsetzung freilich haperte es. Der rechtliche Rahmen für die Wirtschaft erwies sich als zu schwach, windige Unternehmer nutzten das schamlos aus, um sich massiv zu bereichern. Gegenkandidat Jan Svejnar warf Klaus im Wahlkampf vor, kein Land Mittel-Osteuropas habe bei der Wirtschaftsumstellung so große Verluste hinnehmen müssen wie Tschechien. Auch die von Klaus gegründete Demokratische Bürgerpartei ODS war nicht vor einer Finanzaffäre gefeit. Die führte 1997 dazu, dass Klaus seinen Posten als Regierungschef verlor. Aber dies sollte nur eine Unterbrechung seiner beispiellosen politischen Karriere sein, die als Finanzminister in der Nachwende-Tschechoslowakei begann und ihren Höhepunkt in der Präsidentschaft fand. Seine Beliebtheit bei den Tschechen ist groß, hat im Wahlkampf aber gelitten. Die Leser der größten Zeitung "Mlada fronta Dnes" gaben Klaus für seine erste Präsidentschaft die Gesamtnote 2 minus. Am schlechtesten benoteten sie seine hyperkritische Haltung gegenüber der Europäischen Union. Mit der holte sich der Präsident wiederholt auch Beulen bei seinen Partnern in Westeuropa. Doch Klaus lässt sich davon nicht beindrucken, schwimmt auch bei einem anderen Thema, dem Klimawandel, gegen den Strom. Als Al Gore den Friedensnobelpreis erhielt, zeigte sich Klaus entsetzt. Immerhin erfährt er mit seinem Querdenken Aufmerksamkeit. Dem Ansehen Tschechiens kommt das freilich nicht zugute. Unmittelbar nach seiner Rede vor der UN-Vollversammlung, in der er den Treibhauseffekt leugnete, verlor Prag das schon sicher geglaubte Rennen um einen nichtständigen Sitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen. Mit einiger Sorge sehen Beobachter dem Frühjahr 2009 entgegen: Dann wird Tschechien die EU-Ratspräsidentschaft ausüben. Mit einem EU-kritischen Klaus auf der Burg wäre das kein leichtes Unterfangen. Klaus kann auf seine Parteifreunde im Abgeordnetenhaus und Senat setzen. Sollten die geschlossen hinter ihm stehen, benötigt er nur noch 19 Stimmen von anderen Parteien. Die erhofft er sich vor allem aus den Reihen der Christdemokraten. Nicht völlig auszuschließen sind auch Überläufer aus der oppositionellen Sozialdemokratie.Der Herausforderer Jan Svejnar war vielen Tschechen vor dem jetzigen Wahlkampf kaum bekannt. Dabei gehörte er, obwohl in erster Linie im amerikanischen Exil lehrend, zu den Wirtschaftsexperten, die in Prag nach 1989 immer aktiv waren. Unter anderem beriet er Vaclav Havel und den sozialdemokratischen Premier Vladimir Spidla, heute EU-Kommissar für Arbeit und Soziales. Svejnar teilt viele wirtschaftspolitische Ansätze von Klaus. Er hält durchgreifende Reformen in Wirtschaft, Gesundheit oder Rentenfragen für unumgänglich, legt aber Wert auf deren soziale Abfederung. Anders als Klaus wirbt Svejnar für die schnellstmögliche Einführung des Euro in Tschechien. Dies käme der exportorientierten Wirtschaft des Landes entgegen. Svejnar bekennt sich zum umstrittenen US-amerikanischen Raketenabwehrschild, für den in Tschechien eine Radarstation errichtet werden soll. Hier müsse aber die Nato mitziehen und Russland eingebunden werden. Im Wahlkampf bemühte sich Svejnar um Sachlichkeit und betonte seine Kompetenz, die über den tschechischen Tellerrand hinaus reiche. Überdies setzt er auf seine politische Ungebundenheit. Die würde es ihm erleichtern, von der Prager Burg aus nicht zu polarisieren, sondern zu einen. Kommentatoren verbinden mit ihm die Chance, dass Tschechien sich von einer gewissen Provinzialität befreien könnte. Svejnars langjährige Erfahrungen als Emigrant in den USA gereichen ihm freilich bei vielen Tschechen auch zum Nachteil. Menschen, die aus politischen Gründen ihre tschechische Heimat verlassen haben (Svejnar ging nach der Niederlage des Prager Frühlings außer Landes), hatten es bei ihrer Rückkehr nie leicht. Svejnar hat vor diesem Hintergrund auch angekündigt, im Falle seiner Wahl die amerikanische Staatsbürgerschaft aufgeben zu wollen. Der Herausforderer hat gute Außenseiterchancen. Nominiert wurde er von den Grünen, offiziell unterstützt wird er zudem von den Sozialdemokraten, einigen Christdemokraten und Unabhängigen. Entscheidend für ihn wie für Klaus wird sein, wie sich die Altkommunisten bei der Wahl verhalten. Die kündigten bislang an, keinen von beiden Kandidaten wählen zu wollen. Das könnte dazu führen, dass die Präsidentschaftswahl mehrere Runden bis zur Entscheidung durchlaufen muss.ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87