Tschechien

Nervosität vor Prager Präsidentenkür

Herausforderer Jan Svejnar macht Amtsinhaber Vaclav Klaus zu schaffen Vaclav Klaus gab sich gelassen: "Je näher der Wahltag rückt, desto ruhiger werde ich", sagte er am Montagabend zu später Stunde in einem Exklusivinterview des tschechischen Fernsehens. Bei seinen Parteifreunden von der Demokratischen Bürgerpartei ODS herrscht vor dem 8. Februar, an dem die beiden Kammern des Prager Parlaments über den künftigen Herrn auf dem Hradschin entscheiden,  vergleichsweise große Aufregung. Anders sind die sich häufenden Versuche, Klaus' Herausforderer Jan Svejnar irgendwie am Zeug zu flicken, kaum zu erklären. Der 55-jährige Wirtschaftsprofessor aus Michigan, obwohl Außenseiter, macht ihnen augenscheinlich erheblich zu schaffen.Vielfältig sind die Bemühungen, Svejnar in Misskredit zu bringen. Ein der ODS nahe stehender Anwalt etwa behauptete, der Herausforderer, der die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt, habe sich seinen zusätzlichen tschechischen Pass nach der "Wende" erschlichen. Wenn alles mit rechten Dingen zugegangen wäre, hätte der Emigrant Svejnar für seine erneuerte tschechische Staatsbürgerschaft seine amerikanische  aufgeben müssen. Der Vorwurf schlug fehl; als Svejnar um die tschechische Staatsbürgerschaft nachsuchte, erlaubte das Gesetz auch einen zweiten Pass. Premier Mirek Topolanek wieder schwadronierte öffentlich darüber, dass sich Svejnar seinen Wahlkampf von einer tschechischen Bank finanzieren lasse. Eine solche Finanzierung wäre an sich nicht ehrenrührig. Svejnar sitzt aber dem Aufsichtsrat jener Bank vor, die zudem noch einen milliardenschweren Rechtsstreit mit dem tschechischen Staat führt. Da bekommt ein solcher Vorwurf schon eine andere Dimension. Beweise für seine Anwürfe blieb Topolanek schuldig. Beim Durchschnittstschechen, so das Kalkül des Premiers, wird schon etwas hängen bleiben. Svejnar besteht darauf, alle Ausgaben für seinen Wahlkampf aus eigener Tasche bezahlt zu haben. Kurz vor dem Wahltag stellte sich auch noch heraus, dass Journalisten seit geraumer Zeit in den Stasi-Archiven nach dunklen Flecken in der Svejnar-Biografie suchten. Als Svejnar das zu Ohren kam, ließ er rasch selbst recherchieren und veröffentlichte ein Schreiben, in dem sich sein Vater Anfang der 1960er Jahre zur Zusammenarbeit mit der Stasi-Spionageabteilung verpflichtet hatte. Zu einer tatsächlichen Zusammenarbeit ist es zwar nicht gekommen. Aber hätte Svejnar nicht selbst "gestanden", wäre wohl mit Sicherheit eine Sippenhaft-Kampagne gegen ihn gestartet worden. Ein bisschen viel Aufwand, den die Klaus-Anhänger betreiben, handelt es sich doch -wie sie selbst immer wieder betonen - nicht um eine Direktwahl, vor der man das Wahlvolk auf seine Seite bringen müsste. Und weshalb sich so ins Zeug legen, wenn gleichzeitig behauptet wird, dass es in den eigenen Reihen keine "Verräter" geben wird, mit Sicherheit aber einige Sozialdemokraten, die lieber Klaus als ihren eigenen Kandidaten Svejnar wählen würden. Würde dies stimmen, dann wäre die Wahl längst gelaufen. Doch dem ist offenbar nicht so. Im Gegenteil: dem Vernehmen nach überlegen einige ODS-Abgeordnete, ob sie nicht lieber Svejnar als ihrem Ehrenvorsitzenden Klaus die Stimme geben sollen.  Und das gar nicht einmal, um Klaus zu schaden, sondern um dem in der Partei umstrittenen Premier Topolanek eins auszuwischen. Der hat sein Schicksal mit der Wiederwahl des amtierenden Präsidenten verbunden und wäre weg vom Fenster, wenn die schief gehen würde.  Ernster zu nehmen als die Gerüchte über vermeintliche "Verräter" sind Berichte, wonach sich ein enger Vertrauter des früheren mächtigen Chefs der Sozialdemokraten, Milos Zeman, wiederholt mit dem Kanzleichef von Klaus getroffen hat. Zeman wirbt offen für Klaus. Und er hat bis heute unter den Sozialdemokraten Freunde. "Natürlich haben wir über die Präsidentenwahl gesprochen", räumten die beiden Lobbyisten ein. Die Frage, ob die Klaus-Seite versucht, einige Sozialdemokraten zu bestechen, wird freilich nicht beantwortet. Klaus selbst sagte, er wisse von den Treffen seines Kanzlers mit dem Zeman-Intimus nichts. "Ich freue mich aber über jede Stimme", fügte er vielsagend und lächelnd hinzu. Da kann sich nun jeder selbst seinen Reim drauf machen. Angesichts dieser Gemengelage wäre es einigermaßen verwegen, einen klaren Sieger der Wahl vorherzusagen. Möglich ist alles, zumal die Abstimmung geheim ablaufen wird. Womöglich wird es zum letzten Mal so sein, dass der tschechische Präsident indirekt, also von den Abgeordneten und Senatoren, gewählt wird. Die Chefs aller Parteien sind sich jedenfalls einig, dass es besser wäre, das Staatsoberhaupt künftig vom Volk bestimmen zu lassen. Damit käme man der Mehrheitsmeinung der Tschechen entgegen. Für die hat der Präsident - obwohl nur mit relativ geringer Machtbefugnis ausgestattet-, als moralische Instanz eine herausragende Bedeutung.
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