Kampf um Fischbestände in der Ostsee
Polnische Fischer dürfen wieder Dorsch fangen / Umweltschützer fürchten Überfischung Seit einigen Tagen gehen Polens Fischer wieder auf Dorschfang. Rund 9000 Tonnen des Dorschs, an der Nordsee auch als Kabeljau bekannt, dürfen die polnischen Ostseefischer in diesem Jahr an Land holen. Vielen Fischern sichert der "Brotfisch der Ostsee" damit die Existenz. Weil vom Fangerfolg der rund 430 Trawler insgesamt 5000 Beschäftigte abhängig sind, hat der Dorsch für die Fischindustrie beim östlichen Nachbarn eine sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung. Was die Fischer freut, treibt Umweltschützern die Sorgenfalten auf die Stirn. Der Grund: Die Bestände des Dorschs vor allem in der östlichen Ostsee zwischen Bornholm und Finnland gelten nach Angaben der Umweltorganisation WWF als "bis an die Grenzen befischt". Jedes Jahr legen die EU-Fischereiminister eine Quote fest, wie viel Tonnen Dorsch die Fischer der EU-Staaten fangen dürfen. Im vorigen Jahr eskalierte die Diskussion, weil die EU-Kommission Polen vorwarf, seine Fischer hätten im ersten Halbjahr 18.000 Tonnen Dorsch aus der Ostsee gefischt; offiziell hätten sie aber nur 6.000 Tonnen gemeldet. Genehmigt war den Polen seitens der EU aber nur der Fang von 10.000 Tonnen Dorsch für das gesamte Jahr. Daraufhin untersagte die Kommission den Ostseefischern, die die Zahlen stets bestritten, weiter ihre Netze auszubringen. Trotz des Verbots liefen jedoch immer wieder Kutter aus. Die Regierung um den damaligen Ministerpräsident Jaroslaw Kaczynski war von der ignoranten Haltung der Fischer zwar nicht begeistert, lehnte deren Bestrafung aber zugleich ab.
Fischerkähne in Misdroy.
Andreas MetzIn diesem Jahr soll eine Fortsetzung des alten Streits um die Einhaltung der Dorschquoten vermieden werden. Polen setzt deshalb unter anderem auf die Forschung: Das Institut für Fischerei in Gdynia soll der Frage nachgehen, wie viel Dorsch in der polnischen Ostseefanggründen tatsächlich gefangen wird. Dafür sollen Wissenschaftler ein Jahr lang vier Trawler während ihrer Fahrten auf der Ostsee begleiten und die Fangerfolge der Fischer protokollieren. "So können wir genau ermitteln, wie viel Fisch von welcher Art tatsächlich gefangen werden und was davon in den Häfen abgeliefert wird", sagt Zbigniew Karnicki, stellvertretender Institutsdirektor. Zudem erhoffen sich die Forscher auch Aufschlüsse über den aktuellen Dorschbestand in den Gewässern. Bislang gingen die Schätzungen der EU und der Wissenschaftler sowie die Angaben der polnischen Fischer zu den Fangzahlen immer weit auseinander. Die polnischen Fischer sahen sich aus Brüssel und von deutschen Fischereiverbänden und Umweltverbänden dem wohl nicht zu unrecht geäußerten Vorwurf der illegalen Fischerei ausgesetzt. Gleichzeitig bestritten sie jedoch die von der EU geschätzten Fangzahlen. Polen ist in der Diskussion aber kein Einzelfall. Nach WWF-Angaben machen sich etliche Länder das dünne Kontrollnetz der EU zu Nutze und fischen zwischen 50 und 100 Prozent mehr Dorsch als erlaubt. Als segensreich dürfte sich in der weiteren Diskussion um den Dorsch der Wechsel der polnischen Regierung im Herbst 2007 erweisen. "Mit der neuen Regierung kommt wieder Normalität in die Angelegenheit", sagt ein polnischer Fischereiexperte optimistisch. Die neue liberale Warschauer Regierung mit Premier Donald Tusk an der Spitze feilt derzeit an einem Aktionsplan zur Zukunft des Dorsches. Ewa Milewska, Beraterin des WWF Polen, fordert: "Die Regierung muss den Fischern eine Perspektive aufzeigen, wenn diese in Zukunft nicht mehr so viel Dorsch fangen dürfen." Unangenehme Fragen dürfte die EU-Kommission auch noch zu den Vorfällen aus dem vorigen Sommer haben: In Brüssel läuft deswegen gegen Polen seit Oktober 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren. ENDENachdruck und Weiterverwertung dieses Artikels sind kostenpflichtig. Informationen im n-ost-Büro unter (030) 30 83 11 87