Kampf der Wirtschafts-Professoren
Bei der Präsidentenwahl in Tschechien muss Amtsinhaber Klaus um seinen Posten bangenKlaus oder Švejnar? Das ist in Tschechien derzeit die Gretchenfrage. Am 8. Februar wird vom tschechischen Parlament ein neuer Präsident gewählt. Seit Wochen hält das Wettrennen zweier Wirtschaftsprofessoren um das höchste Staatsamt die Öffentlichkeit in Atem. Dem konservativen Amtsinhaber Vaclav Klaus, 66, werden derzeit noch die größten Chancen eingeräumt. Doch der Herausforderer Jan Švejnar hat sich aus einer Außenseiterposition heraus zum ernsthaften Konkurrenten entwickelt. Lange war unsicher, wer gegen Klaus kandidieren würde. Der 55-jährige Jan Švejnar gab erst im Dezember seine Kandidatur bekannt. Švejnar verließ 1970 mit seiner Familie die kommunistische Tschechoslowakei und emigrierte über die Schweiz nach Amerika. Er war damals 17 Jahre alt. In den USA studierte er Ökonomie und wurde 1987 Professor an der Pittsburgh University. Nach der Samtenen Revolution kehrte er zeitweilig in die Tschechoslowakei beziehungsweise die Tschechische Republik zurück und gründete 1991 das Center for Economic Research and Graduate Education (CERGE) an der Karlsuniversität in Prag. Švejnar arbeitete auch als wirtschaftspolitischer Berater von Ex-Präsident Vaclav Havel, der nun seine Kandidatur unterstützt. Seit 1996 lehrt Švejnar Ökonomie an der Michigan University. Wiederholt kritisierte er den Ablauf der Wirtschaftstransformation und der Privatisierungen in Tschechien in den 90er Jahren. Vaclav Klaus, ebenfalls Ökonom, war zuerst als tschechoslowakischer Finanzminister und dann als tschechischer Premierminister ein wichtiger Gestalter dieser Transformation. Gewählt wird der Präsident von den Mitgliedern beider Parlamentskammern, dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Unterstützt wird Klaus dabei von der größten Regierungspartei, die Bürgerdemokraten (ODS), deren Ehrenvorsitzender Klaus ist. In beiden Kammern ist die ODS stärkste Fraktion. Sollte im ersten Wahlgang keiner der beiden Kandidaten die absolute Mehrheit in beiden Parlamentskammern erzielen, dann reicht im dritten Wahlgang die absolute Mehrheit der Parlamentarierstimmen. Sollten wirklich alle 122 ODS-Abgeordneten für Klaus stimmen, fehlen ihm für eine Wahl in der dritten Wahlrunde nur 19 Stimmen. Hinter Švejnar haben sich bislang die oppositionellen Sozialdemokraten und die mitregierenden Grünen gestellt, die Švejnar im vergangenen Sommer als Kandidaten vorgeschlagen hatten. Der parteilose Wirtschaftsprofessor ist in erste Linie ein Kompromisskandidat. Der "Antiklaus" Švejnar vertritt nämlich einige Positionen, die den Sozialdemokraten nicht gefallen. Er unterstützt die von der tschechischen Mitte-Rechts-Regierung auf den Weg gebrachten Wirtschaftsreformen und den geplanten Aufbau einer US-Radaranlage in Tschechien. Der Journalist Karel Steigerwald schrieb in einem Kommentar für die Tageszeitung "Mladá fronta Dnes" über Švejnar: "Er ist ein Mann des Großkapitals und der Banken. Das dürfte den Sozialisten als Verteidiger des kleinen Mannes nicht gefallen." In den wirtschafts- und sicherheitspolitischen Fragen unterscheiden sich beide Kandidaten kaum. Jedoch gibt es deutliche Unterschiede beim Klimaschutz und beim Verhältnis Tschechiens zur EU. Während Präsident Klaus einen durch Menschenhand verursachten Klimawandel grundsätzlich anzweifelt und den "Ökologismus" als die größte Bedrohung der menschlichen Freiheit seit dem Ende des Kommunismus bezeichnet, verkündet Švejnar, man müsse die Problematik ernst nehmen. Klaus wird zudem in Europa für seine EU-kritische Haltung gefürchtet. Sein Herausforderer Švejnar tritt hingegen für eine positivere und konstruktivere Haltung Tschechiens in der EU ein. In einer Debatte im tschechischen Senat zwischen beiden Kandidaten warf Švejnar Klaus vor, dass er im Dezember nicht nach Lissabon gefahren sei, um in seiner Eigenschaft als Präsident den neuen EU-Reformvertrag zu unterzeichnen. Der Politologe Jacques Rupnik bezeichnete Švejnar in der "Hospodárské Noviny" als einen "überzeugten Europäer, ganz im Gegensatz zu Klaus". Die Kommunisten aber auch einige Sozialdemokraten stört an Švejnar sein langer Aufenthalt im Ausland, seine mangelnde Erfahrung in der Politik und seine doppelte Staatsbürgerschaft (er besitzt die tschechische und die US-amerikanische). Um dieses Hindernis zu beseitigen hat Švejnar nun angekündigt, seine amerikanische Staatsbürgerschaft zurückzugeben, sollte er tschechischer Präsident werden. "Mir ist klar geworden, dass das Präsidentenamt für viele Bürger ein wichtiges Symbol ist und dass sie von ihrem Staatsoberhaupt erwarten, dass er seine Loyalität beweist, indem er exklusiv die tschechische Staatsbürgerschaft hat", erklärte Švejnar am Wochenende.Bei den Sozialdemokraten geht die Angst um, einige Genossen könnten heimlich ihre Stimme Amtsinhaber Klaus geben. Überraschungen bei der geheimen Abstimmung könnte es aber auch bei der regierenden ODS geben. Offiziell steht die Partei zwar hinter ihrem Ehrenvorsitzenden Klaus. Aber nicht alle Bürgerdemokraten sind mit seinen EU-kritischen Äußerungen und seiner Anzweifelung des Klimawandels einverstanden. Ein Aufbegehren gegen Klaus scheint zwar wenig wahrscheinlich, weil seine Niederlage auch Auswirkungen auf die Regierungskoalition aus Bürgerdemokraten, Christdemokraten und Grünen haben könnte. Allerdings haben bei der letzten Wahl vor fünf Jahren in geheimer Abstimmung die Sozialdemokraten ihren eigenen Kandidaten und damaligen Parteivorsitzenden Milos Zeman lächerlich gemacht. Die Sozialdemokraten waren damals so uneins, dass letztendlich ein Außenseiter Präsident wurde: Vaclav Klaus. Die Parteiführung der mitregierenden Christdemokraten (KDU-CSL) hat vor zwei Wochen ihre Abgeordneten und Senatoren aufgerufen, Klaus zu wählen. Unklar ist aber auch hier, ob die Mehrheit der Christdemokraten sich an diese Empfehlung halten wird. Viele Parteimitglieder hoffen nämlich auf einen Wechsel im Präsidentenamt. In den Medien wird darüber spekuliert, ob geheime Absprachen zwischen Bürgerdemokraten und Christdemokraten zu der Wahlempfehlung für Klaus geführt haben könnten. Gerade hat die Regierung nämlich den Plan zur Restitution des Kircheneigentums, das im Kommunismus enteignet wurde, genehmigt. Die Kirche soll insgesamt 270 Milliarden Kronen erhalten, mehr als zehn Milliarden Euro, verteilt auf 60 Jahre. Švejnar ist nach wie vor Außenseiter im Kampf der Professoren. Beachtlich ist allerdings, dass der Kandidat, den noch vor einem Monat niemand kannte, laut jüngsten Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Stem zumindest in der Bevölkerung mit 52 Prozent zu 48 Prozent vor Klaus liegt. Der Präsident wird zwar nicht vom Volk gewählt, aber die öffentliche Meinung könnte den einen oder anderen Parlamentarier bei seiner Entscheidung eventuell beeinflussen. Den Wunsch nach einem Wechsel auf der Prager Burg drückte Grünen-Chef Martin Bursik mit den Worten aus: "Václav Klaus verkörpert die Vergangenheit, Jan Švejnar die Zukunft".Entscheidend werden die Stimmen der Kommunisten (KSCM) sein. Sie wollen weder Klaus noch Švejnar. Ihre Wahltaktik ist unklar. Sie haben angekündigt, in der ersten Wahlrunde für Švejnar zu stimmen, um zu verhindern, dass Klaus direkt gewählt wird. Für die zweite Runde und dritte Runde haben sie ihr Verhalten noch nicht festgelegt. Möglich, dass sie versuchen werden, die Wahl insgesamt scheitern zu lassen und bei einer neuen Wahl einen eigenen Kandidaten aufzustellen. ENDE
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