Tschechien

Rauchverbot bald auch in böhmischen Kneipen?

Prager Nichtraucherlobby verstärkt Kampf gegen den blauen Dunst Welcher Prag-Besucher mag sie nicht, die schummrigen Kneipen, in denen das Bier auf dem Tisch steht, ehe man noch richtig Platz genommen hat. Meistens ist die Luft in diesen Etablissements zum Schneiden. Für die meisten Tschechen gehört die Zigarette zum Bier einfach dazu, mag die Nichtraucherlobby im fernen Brüssel oder im großen Rest Europas da auch ganz anders denken und handeln. Noch ist die böhmische Kneipe für die Raucher eine Insel der Glücksseligen. Doch jetzt droht auch den Tschechen Schluss mit lustig: die Nichtraucherfraktion im Prager Parlament hat einen neuen Anlauf genommen, das Rauchen in den Kneipen zu verbieten. Käme der Antrag des Gesundheitsausschusses durch, hätte das auch Folgen für die Raucher, die in letzter Zeit verstärkt aus Deutschland in die böhmischen Gasthäuser einfallen. Namentlich die Besucherzahl aus Bayern, wo seit kurzem ein völliges Rauchverbot gilt, hat zugenommen. In den tschechischen Restaurants können sie ungehindert den blauen Dunst in die Luft blasen, kein Gesetz hindert sie daran. Wirte berichten, dass die Deutschen sicherheitshalber schon in der Tür fragen, ob das Rauchen noch gestattet sei. Die Kneiper freut es, weil die Besucher aus dem Ausland ihren Umsatz fördern. Käme ein Rauchverbot, würden sie garantiert kollektiv vor das Verfassungsgericht ziehen, weil sie um ihre Einnahmen fürchten.  Gesundheitsbewusste Prager Abgeordnete bemühen sich schon seit längerem, die tschechischen Raucherhöhlen für immer auszuräuchern. Doch bislang scheiterten sie ebenso regelmäßig wie kläglich. Namentlich die größte Regierungskraft, die Demokratische Bürgerpartei (ODS), betrachtet ein Rauchverbot als einen unzulässigen Eingriff in die persönlichen Rechte und Freiheiten der Bürger. Jeder Wirt legt den rechtsfreien Raum jetzt nach Gutdünken aus. Wo er einen Aschenbecher auf den Tisch stellt, kann geraucht werden. Gut dran sind die Kneiper, die einen zweiten Raum haben. Der wird vielfach in eine Nichtraucherzone umgewandelt. Die ist ganz leicht zu erkennen: dort fehlen schlicht die Aschenbecher auf den Tischen.Dabei ist es beileibe nicht so, dass die tschechischen Raucher besonders renitent wären. Klaglos akzeptieren sie, dass sie in der Mittagszeit ihre Glimmstengel stecken lassen müssen. Aber zum Feierabendbier möchten sie dann doch eine rauchen. Kaum einer stört sich daran. Die Tschechen erweisen sich auch in dieser Frage einmal mehr als sehr tolerante Menschen. Zwar würde eine Mehrheit ein Rauchverbot auch in den Restaurants begrüßen. Der Unmut der Nichtraucher über die Raucher hält sich aber in engen Grenzen. Etwas anders verhält sich das am Arbeitsplatz. In den meisten Büros herrscht Rauchverbot. Die Raucher versammeln sich dann kollektiv vor der Tür um die dort montierten Aschenbecher.  Und wenn sie besonders strenge Arbeitsgeber haben, müssen sie die verqualmte Zeit sogar nacharbeiten. Aber so genau nehmen es die wenigsten.Wie wenig wirksam das bisherige Rauchverbot in der Öffentlichkeit ist, kann man an den Haltestellen von Bus und Tram beobachten. Lässt sich eine Polizeistreife blicken, die ein Strafgeld eintreiben kann, werden die Kippen zwar rasch ausgetreten. Aber kaum ist die Streife um die Ecke verschwunden, wird die nächste Zigarette angesteckt. Besonders pfiffige Raucher qualmen direkt an der Grenze des Haltestellenbereichs. Darüber, wie groß der ist, wurde nach der Einführung des Rauchverbots eine ebenso lebhafte wie amüsante Debatte geführt. Kommentatoren sind sich zwar sicher, dass das Rauchverbot in den Kneipen auch irgendwann kommen wird, warnen aber vor Übertreibungen. Sollte sich das Parlament zu einem generellen Rauchverbot durchringen, werde das womöglich nach hinten losgehen. Dann könnte die Toleranzschwelle gegenüber der Verletzung der jetzt schon bestehenden Verbote zum Beispiel an den erwähnten Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel weiter sinken. Die Kommentatoren kennen ihre Pappenheimer. Der Tscheche, das wissen sie, gehört nicht eben zu der Spezies, die sich gern etwas "von oben" vorschreiben lässt.  ENDE

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