Svejnar setzt Präsident Klaus unter Druck
Der vor einem Monat noch unbekannte Jan Svejnar greift nach der Präsidentschaft "Vaclav Klaus verkörpert die Vergangenheit, Jan Svejnar die Zukunft", brachte der Chef der tschechischen Grünen, Martin Bursik, am Wochenende auf den Punkt, was viele Tschechen in diesen Tagen denken. Einen knappen Monat vor der Abstimmung im Parlament am 8. Februar über den künftigen Präsidenten weht ein Hauch von Wende durch das Land. Klaus, dessen zweite Amtszeit lange außer Frage stand, muss plötzlich um seinen Posten bangen.In einer Direktwahl würden heute 52 Prozent der Tschechen Svejnar wählen, nur 48 Prozent Klaus. Und das, obwohl vor einem Monat nur wenige Tschechen den 55-jährigen Svejnar überhaupt kannten. Bei seinem ersten größeren Fernsehinterview offenbarte der liberale Wissenschaftler, der offiziell von den mitregierenden Grünen, den oppositionellen Sozialdemokraten, einigen Christdemokraten und liberalen Senatoren unterstützt wird, noch einige (tschechische) Bildungslücken. Auf die Frage, welche Losung die Präsidentenstandarte ziert ("Die Wahrheit siegt"), wusste er ebenso wenig eine Antwort wie auf die Frage, wer die Nationalhymne geschrieben hat (Josef Kajetan Tyl) oder wie viele Parteien eigentlich im Prager Abgeordnetenhaus vertreten sind (fünf). Die Klaus-freundlichen Journalisten, beispielsweise der größten seriösen Zeitung "Mlada fronta dnes", rieben sich da vergnügt die Hände.Doch beim "normalen Publikum" kommt Svejnar an. Er bringt eine amerikanische Frische und Unbekümmertheit in das Land und setzt völlig neue Zeichen in der ansonsten tristen politischen Streitkultur in Prag. Dies stellt er derzeit bei Reisen durchs Land unter Beweis. Die Hörsäle, in denen er auftritt, platzen regelmäßig aus den Nähten. Svejnar betont, dem Land ein positives Image verpassen zu wollen, nach all den Jahren, in denen der "Nein-Sager" Klaus dem Ansehen Tschechiens im Ausland geschadet habe. Svejnar setzt auf Dialog und wirft Klaus vor, nur seine eigene Meinung gelten zu lassen. Bei vielen Tschechen, die ihren Präsidenten bislang für unfehlbar hielten, scheint es zu dämmern, dass Svejnar mit seiner Analyse Recht hat.Ein Teil der Zustimmung, die Svejnar erfährt, hat unfreiwillig Klaus verursacht, mit seiner strikten Weigerung, sich einem TV-Duell mit seinem Rivalen zu stellen. Klaus begründet das zwar nachvollziehbar mit dem Hinweis, nicht das Volk wähle den Präsidenten, sondern die Abgeordneten und Senatoren. Doch viele Tschechen werfen Klaus schlicht Feigheit vor. Dass der Mann auf der Prager Burg durchaus schlagbar ist, wenn es hart auf hart kommt, hatte der Sozialdemokrat Vladimir Spidla bewiesen, als er vor den Parlamentswahlen 2002 Klaus in einem TV-Duell mit Sachlichkeit und Faktenwissen klar die Show stahl. Dieses Duell entschied seinerzeit die Wahl gegen Klaus' Bürgerpartei (ODS), für die Sozialdemokraten (CSSD). Klaus seinerseits bemüht sich, dem "Amerikaner" Svejnar die Berechtigung abzusprechen, überhaupt tschechischer Präsident werden zu wollen. Er wisse ja gar nichts über das Land. Freilich malte der Präsident in seiner Neujahrsansprache ein derart geschöntes Bild Tschechiens, dass sich nicht nur einige Kommentatoren fragten, ob Klaus eigentlich wisse, in welchem Land er lebe. Politologen wie Jiri Pehe warnen zudem eindringlich vor einer Wiederwahl des EU-skeptischen Präsidenten. Es sei nicht auszudenken, wie mit einem solchen Mann an der Spitze Tschechien im kommenden Frühjahr die EU-Ratspräsidentschaft bewältigen solle. Wie sehr sich die Bürgerpartei (ODS), deren Ehrenvorsitzender Klaus ist, mittlerweile um dessen Wiederwahl sorgt, wird vor allem an den Gesprächen hinter den Kulissen deutlich. Premier Topolanek buhlt um die Stimmen der mitregierenden Christdemokraten (KDU-CSL). Um sie zu ködern, versprach er, den unter dem Druck einer bis heute nicht völlig aufgeklärten Korruptionsaffäre zurückgetretenen Vizepremier und KDU-CSL-Vorsitzenden, Jiri Cunek, wieder ins Kabinett zu holen. Dass er als Gegenleistung dafür Stimmen der Partei für Klaus erwartet, bestreitet er vehement. Doch dieser "Handel" liegt auf der Hand. Topolanek riskiert viel mit diesem Kurs: Holt er Cunek zurück, drohen die Grünen mit dem Auszug aus der Regierung. Doch wenn die Klaus-Wahl verloren ginge, wäre wohl auch Topolanek am Ende. Das Zünglein an der Waage bei der Präsidentenwahl sind die ungewendeten Kommunisten (KSCM), die vor vier Jahren noch den jetzigen Präsidenten wegen seiner nationalen Haltung gegen Deutschland und die EU mitgewählt hatten. Sie wollen jetzt zumindest in der ersten Runde Svejnar wählen, um Klaus zu verhindern. Aber so recht ins Konzept passt ihnen der Wirtschaftsprofessor aus den USA auch nicht. Er ist ihnen zu wirtschaftsliberal, plädiert für den US-Anti-Raketenschild und befürwortet eine engere Einbindung in EU und Nato. Alles Dinge, die den Kommunisten gegen den Strich gehen. Die KSCM träumt deshalb von einem alternativen "linken" Kandidaten. Gegen Klaus, der ohne die KSCM-Stimmen nominell besser dastünde als Svejnar, hätte der große linke Unbekannte am Ende aber keine Chance - und Tschechien würde weitere fünf Jahre mit dem jetzigen Staatschef leben müssen. ENDE
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