Opposition fordert Stichwahl
Die Proteste gegen das offizielle Ergebnis der Präsidentenwahlen in Georgien gehen weiter. Trotz des Winterwetters protestierten am Sonntag mehrere zehntausend Menschen auf dem "Rosen-Platz" in Tiflis. Die Demonstranten sind der Meinung, dass die Wahlen, aus denen der frühere Präsident Michail Saakaschwili als Sieger hervorging, gefälscht wurden. Sie riefen "Mischa geh!"
Saakaschwili, Anführer der Rosen-Revolution von 2003, hat viel von seiner Popularität eingebüsst. Der in den USA ausgebildete Jurist hatte den Menschen ein besseres Leben versprochen. Die Wirtschaftsdaten verbessern sich zwar stetig, doch viele Menschen bleiben in Armut gefangen.
Endgültige Wahlergebnisse
Am Sonntagvormittag gab der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission die endgültigen Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 5. Januar bekannt. Danach bekam Amtsinhaber Michail Saakaschwili 53,47 Prozent. Der Oppositionsführer und Wein-Unternehmer Lewan Gatschetschiladse erhielt nach der offiziellen Zählung 25,69 Prozent. Die Demonstranten in Tiflis reckten ihren Zeigefinger himmelwärts, ein Zeichen zur Unterstützung von Gatschetschiladse, der auf Listenplatz Eins kandidierte.
Präsident Saakaschwili hatte der Opposition nach der Wahl eine Zusammenarbeit angeboten, doch Gatschetschiladse ging in seiner Rede vor den Demonstranten nicht darauf ein. "Wir wollen Untersuchungsverfahren gegen den Vorsitzenden der Wahlkommission und wir wollen Gerichte, welche den Interessen der Menschen dienen und ein öffentliches georgisches Radio und Fernsehen, dass wieder der Bevölkerung gehört", rief er laut Medienberichten den Demonstranten zu.
Proteste Oppositioneller / Alexander Klimchuk, n-ost
Vergangene Woche besuchte Oppositionsführer Gatschetschiladse zusammen mit Journalisten den Leiter der georgischen Wahlkommission. Es kam zu einem Tumult. Gatschetschiladse hielt dem wortkargen Beamten angeblich gefälschte Wahlprotokolle vor und beschimpfte ihn als "Betrüger".
Klagen abgewiesen
Inzwischen hat die Zentrale Wahlkommission alle Klagen der Opposition wegen angeblich gefälschter Wahlprotokolle abgewiesen. Auch dem Obersten Gericht Georgiens liegen 51 Klagen vor, von denen bislang 36 zurückgewiesen wurden. Nur in vier Wahlbezirken wurden die Wahlen für ungültig erklärt.
Zu den Rednern der zentralen Kundgebung in Tiflis am Sonntag gehörte auch Salome Surabischwili. Bevor Michail Saakaschwili die in Frankreich geborene Georgierin zur Außenministerin berufen hatte, war Surabischwili Botschafterin Frankreichs in Georgien gewesen. Nach kurzer Zeit überwarf sich die Diplomatin mit dem zunehmend autoritärer regierenden Präsidenten. "Er kann das Land nicht regieren", rief die ehemalige Außenministerin den Demonstranten zu. "Er kann das Amt nicht antreten." Für den 20. oder 21. Januar ist die offizielle Amtseinführung Saakaschwilis geplant, doch angesichts der Proteste von Seiten der Opposition wird der Andrang westlicher Diplomaten zu den Feierlichkeiten wohl nicht allzu groß sein.
Unterschiedliche Kommentare aus der OSZE
Die Wahlbeobachter von OSZE und EU hatten bereits am Wahltag in einer gemeinsamen Stellungnahme erklärt, die Wahlen hätten "in der Essenz mit den meisten (...) demokratischen Standards übereingestimmt." Der Leiter der OSZE-Kurzzeit-Beobachter-Delegation, der US-Kongress-Abgeordnete Alcee Hastings, sprach sogar von einem "triumphalen Schritt" der Demokratie. Doch es gab auch Kritik.
Der Leiter der OSZE-Langzeit-Beobachter-Delegation, der deutsche Diplomat Dieter Boden, erklärte am Wahltag, es habe Fälle von Einschüchterung gegeben. In einem am Montag vergangener Woche in der "Frankfurter Rundschau" veröffentlichten Interview wurde Boden noch deutlicher. Er erklärte, man bekomme von den eigenen Beobachtern "zunehmend Nachrichten über verbreitete, schwerwiegende Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahl." Am Wahltag seien "die erheblichen Unregelmäßigkeiten noch nicht absehbar gewesen."
Versöhnliche Töne Richtung Moskau
Saakaschwili hat wohl verstanden, dass die Präsidentschaftswahl vom 5. Januar kein glänzender Sieg für ihn war. Immerhin hatte er 1997 - auf einer Welle der Begeisterung nach der Rosenrevolution - noch 97 Prozent der Stimmen bekommen. So schlug Saakaschwili vergangene Woche einen versöhnlichen Ton an. Er bot der Opposition eine Machtbeteiligung an und erklärte, die Beziehungen zu Russland müssten verbessert werden. Saakaschwili stellte die Unterstützung von Russlands WTO-Beitritt in Aussicht. Außerdem lud der georgische Präsident den russischen Präsidenten Putin zu seiner Amtseinführung ein.
Russland zeigt Georgien seit langem die kalte Schulter. Die russischen Wirtschaftssanktionen sind nach wie vor in Kraft. In Russland darf kein georgischer Wein verkauft werden. Es gibt keine direkte Flugverbindung zwischen Moskau und Tiflis. Das Wahlergebnis vom 5. Januar wurde von Moskau angezweifelt. Der Kreml-Chef wird also mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht nach Tiflis reisen.