Wer wird georgischer Präsident?
Am 5. Januar finden in Georgien vorgezogene Präsidentschaftswahlen statt. Präsident Michail Saakaschwili war am 25. November nach massiven Protesten der Opposition gegen seine Amtsführung zurückgetreten. Bereits am 8. November hatte er dem Ruf nach Neuwahlen zugestimmt. Saakaschwili stellt sich nun mit seiner Partei "Gemeinsame nationale Bewegung" erneut zur Wahl. Als aussichtsreichster Herausforderer gilt Lewan Gatschetschiladse, der als gemeinsamer Kandidat eines oppositionellen Wahlbündnisses von neun Parteien mit dem Namen "Vereinter Nationalrat" ins Rennen geschickt wird.
Schillernster Präsidentschaftsbewerber war der schwerreiche Medien-Oligarch Badri (Arkadi) Patarkazischwili, der seinen Wahlkampf zuletzt vom Londoner Exil aus steuerte und der Bevölkerung Geldgeschenke in Aussicht stellte. Am 24. Dezember berichtete die Sunday Times, dass sich Milliardär Patarkazischwili durch die Tifliser Regierung an Leib und Leben bedroht fühle. Am selben Tag beschuldigte die georgische Staatsanwaltschaft Patarkazischwili während des Wahlkampfes bereits zum zweiten Mal eines "Putschversuches". Als Beweis wurde Videomaterial veröffentlicht, das mit versteckter Kamera gefilmt worden sein soll. Nach diesem Videomaterial soll Patarkazischwili für den Tag nach den Wahlen Unruhen in Georgien geplant haben.
Patarkazischwili wies die Beschuldigungen zurück und nannte das Video eine "manipulierte Fotomontage". Die zu Patarkazischwilis Firmenimperium gehörende Fernsehanstalt "Imedi" durfte mehrere Wochen nicht mehr senden. Am 27. Dezember zog Patarkazischwili seine Kandidatur zurück. Das internationale Interesse an den Präsidentschaftswahlen ist groß. Die Wahlen werden nicht nur von Vertretern der OSZE, des Europarates und der GUS-Länder, sondern auch von einer Delegation polnischer Abgeordneter beobachtet. Auch eine Gruppe von NATO-Offizieren wurde zur Wahlbeobachtung abgestellt.
"Die Wahlkampagne läuft unter den Bedingungen einer fairen Konkurrenz, alle Kandidaten werden im Wahlkampf von den Medien gleich behandelt", sagte der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission Georgiens, Lewan Tarchnischwili, der russischen Nachrichtenagentur "Kavkazskij uzel". Kritik kommt dagegen von Matthias Jorsch, dem Vertreter des Europarates. Der georgischen Nachrichtenagentur "Nowosti-Grusia" sagte Jorsch, gegen seine ausdrückliche Empfehlung seien vom georgischen Parlament kurzfristig Änderungen des Wahlgesetzes vorgenommen worden. Nach diesen Änderungen ist es Wählern nun möglich, auch an einem anderen Ort außerhalb des registrierten Wohnsitzes eine Stimme abzugeben. "Die Gefahr, dass ein Wähler seine Stimme mehrfach abgibt, ist nun gegeben." In einem OSZE- Bericht wird zudem die Verteilung von Gutscheinen für Elektrizität, Gas und Medikamente an bedürftige Menschen und Rentner kritisiert. Auf den Gutscheinen habe die Nummer 5 gestanden, die auf den Platz Saakaschwilis auf den Stimmzetteln verweise.
Oppositionskundgebung in Tiflis / Alexander Klimchuck, n-ost
Unterdessen wird der Ton im Wahlkampf rauer. Die oppositionelle Partei der Leiboristen wirft Saakaschwili Manipulationen vor. Ein Großteil der sechs Millionen US-Dollar, die der Ex-Präsident in seine Kampagne investiere, stamme aus dunklen Quellen. Die genannten Spender aus armen Gesellschaftsschichten verfügten nicht annähend über die genannten finanziellen Mittel. Die Partei forderte Saakaschwili deshalb auf, seine Kandidatur niederzulegen. Zudem sollen Anhänger der Opposition von Regierungsseite bedroht und erpresst worden sein. Ein fehlgeschlagenes Bombenattentat auf den Parlamentsabgeordneten Georgi Tortladse, einen der Oppositionsführer, goss am 30. Dezember zusätzliches Öl ins Feuer.
Oppositionskandidat Lewan Gatschetschiladse sieht sich unterdessen im Aufwind: "Mehr als 50 Prozent sind möglich. Die Chancen dafür sind sogar sehr hoch, vorausgesetzt natürlich, die Wahl ist frei", erklärte er in einem Interview mit der österreichischen Tageszeitung "Der Standard". Tatsächlich verlor Michail Saakaschwili, der einstmals umjubelte Anführer der so genannten Rosen-Revolution von 2003, spätestens nach der gewaltsamen Auflösung von Demonstrationen Anfang November bei der georgischen Bevölkerung stark an Popularität. Damals waren 50.000 Menschen in Tiflis gegen die Politik Saakaschwilis auf die Straße gegangen.
Saakaschwili hat seit der Rosen-Revolution vier Jahre lang versucht, Georgien mit radikalen Wirtschaftsreformen aus dem Sumpf von Korruption und Vetternwirtschaft zu befreien. Gegner werfen ihm einen immer autoritärer werdenden Führungsstil vor. Zudem hat sich unter Saakaschwili, der sein Land eng an die USA und die Nato binden möchte, das Verhältnis zu Russland massiv verschlechtert. Der ehemalige Weggefährte des Präsidenten, Irakli Okruaschwili, bis vor einem Jahr georgischer Verteidigungsminister, hatte Mitte Oktober 2007 in einer Fernseh-Talkshow Saakaschwili beschuldigt, ihn 2005 mit dem Mord eines politischen Gegners beauftragt zu haben. Okruaschwili wurde zeitweise verhaftet, widerrief seine Anschuldigungen und flüchtete dann nach Deutschland. Hier sitzt er derzeit in Untersuchungshaft. Ein Auslieferungsersuchen von Georgien wird geprüft.
Der wichtigste Konkurrent Saakaschwilis, Lewan Gatschetschiladse, verfolgt ein Revisionskonzept: Die politische Gewalt soll zurückverlagert werden vom Präsidenten auf das Parlament. "Die Rosen-Revolution ist zusammengebrochen. Lügen, Gewalt und undemokratische Institutionen haben sie zu Fall gebracht", erklärte Gatschetschiladse in dem Standard-Interview. Für den Fall seines Wahlsieges kündigte er die Einführung einer konstitutionellen Monarchie an. Das georgische Königshaus war 1802 vom russischen Zarenreich abgeschafft worden.
Doch Gatschetschiladse fehlt es an Charisma und die Opposition bleibt zersplittert. Zudem sind die ethnischen Minderheiten in Georgien - Aserbaidschaner, Armenier, Adscharen -, die noch die November-Kundgebungen der Opposition unterstützten, von Gatschetschiladses Wahlkampagne enttäuscht. Sie unterstellen ihm eine noch "nationalistischere Prägung" als Saakaschwili.Politische Beobachter rechnen zwar mit deutlichen Stimmenverlusten für den Ex-Präsidenten und einem zweiten Wahlgang, der notwendig wird, sollte kein Kandidat über 50 Prozent der Stimmen erreichen. Die Chancen für die Opposition, Saakaschwili am Ende tatsächlich abzulösen, sind aber eher gering.