Polen

Sieben Engel für Kaczynski

Der amtierende Premier Donald Tusk schaut skeptisch drein. „Jetzt ist jedes Szenario möglich: „Sowohl die PO als auch die PiS können gewinnen“, ärgert sich der liberale Regierungschef, als er um einen Kommentar zur aktuellsten Wahlumfrage gebeten wird. Wenn jetzt Wahlen wären, würden 33,1 Prozent die Regierungspartei PO (Bürgerplattform) und 28,1 Prozent die nationalkonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) von Jaroslaw Kaczynski wählen.

Das Ergebnis des polnischen Instituts Homo Homoni liefert ein völlig anderes Bild ab als alle anderen Umfragen, die bisher Tusk meilenweit vorne gesehen hatten. Noch im August lag Tusk einer Umfrage des Instituts CBOS zufolge mit 36 Prozent vor Kaczynski, der auf nur 20 Prozent gekommen wäre. Der nationalkatholische Kontrahent Jaroslaw Kaczynski gilt eigentlich als ein Kandidat ohne Konzepte für die Gegenwart, als Anti-Europäer, als jemand, den man kaum ernst nehmen müsste. Auch aufgrund des Flugzeugabsturzes im vergangenen Jahr, bei dem sein Bruder tragisch ums Leben kam, hielt man ihn für traumatisiert und kaum noch fähig, überhaupt Wahlkämpfe führen zu können. Zusätzlich hatte er vor geraumer Zeit wichtige Leute aus der Partei geschmissen, die für ihn den Präsidentenwahlkampf geführt hatten. Deswegen galt die Opposition von vornherein als geschwächt.

Als Grund für die erfolgreiche Aufholjagd der PiS sehen Experten die neue Wahlkampagne, die der Partei ein frisches Image verliehen hat. In den vergangenen Wochen wurden gezielt sieben attraktive Frauen in Szene gesetzt, die als Kandidatinnen in unterschiedlichen Wahlkreisen an den Start gehen. „Wir wollten gerade mit diesem alten Stereotyp brechen, dass sich um Jaroslaw Kaczynski nur alte Funktionäre versammeln“, erklärt die Kandidatin Sylwia Lugowska. Die 23jährige tritt in der zentralpolnischen Stadt Lodz an und hat schnell Karriere gemacht. Mit 19 Jahren trat sie der PiS bei und agiert bereits jetzt als Fraktionssprecherin im Landtag von Lodz. Die Pädagogin ist der erklärte Liebling der polnischen Medien. Aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu der Lara-Croft-Darstellerin gilt sie als „Angelina Jolie der PiS“. Und das größte Onlineportal des Landes, Onet, titelte: „Das ist der schönste Teil der PiS“.

Ihren ersten medienwirksamen Auftritt hatte sie Ende Juni auf dem Parteitag. Dabei blickten die butterweichen Augen des Parteipatriarchen die ganze Zeit auf das junge Mädchen. Ein Bild, das insbesondere die polnischen Pressevertreter in Erstaunen und Entzücken gleichzeitig versetzte. Denn bisher assoziierte man Kaczynski, der noch mit seiner Mutter zusammenlebt, nicht gerade mit jungen Frauen – ist er doch nach wie vor unverheiratet. Dass er keine Ehefrau hat, ist für einen polnischen Mann aus seiner Generation höchst ungewöhnlich.

Doch das ist nur Bestandteil der Wahlkampagne, die insbesondere junge Wähler ansprechen soll. „Cool und jazzy wie PiS“, lautet der Slogan für die neue Taktik. Und die jüngsten Umfragen zeigen, dass dieser Strategiewechsel durchaus funktioniert: Die PiS hat tatsächlich in der Zielgruppe zwischen 18 und 24 Jahren erheblich gepunktet und die PO sogar überholt. Nach einer Befragung des Marktforschungsinstituts Millward Brown SMG/ KRC von Mitte September sprachen sich 29 Prozent der jungen Leute für die Kaczynski-Partei aus, nur 27 Prozent hingegen wollten Tusk als Premier sehen.

Weil die Wahlbeteiligung in Polen traditionell niedrig und kaum berechenbar ist, können Jung- und Erstwähler durchaus entscheidend sein. Zudem sind die politischen Lager in Polen nicht sehr stabil. Genaue Prognosen wie in Deutschland gibt es nicht. Dem unabhängigen Image- und Strategieberater aus Sergiusz Trzeciak zufolge machen die unentschlossenen Wähler etwa zwischen 10 und 30 Prozent an der gesamten Wählerschaft aus. „Darunter befinden sich auch sehr oft junge Leute, die besonders auf die Kandidatur solcher attraktiven Frauen reagieren“, sagt der Fachmann. „Es ist nicht ausgeschlossen, dass die PiS dadurch einige Prozentpunkte mehr gewinnt, die am Ende entscheidend sein können.“

Auch Fachleute beschäftigen sich mittlerweile mit der neuen Taktik der Partei: „Ich bin der Gruppenführer, das Alphatier, weil ich schöne und junge Frauen habe,“ so interpretiert Psychologin Zofia Milska-Wrzosinska die Kampagne von Kaczynski. „Diese Mädchen sammeln sich um mich und durch mich bekommt ihr Zugang zu ihnen“, deutet die Fachfrau weiter. Ähnliche Methoden, um das Bild eines Gruppenführers zu erzeugen, gebe es auch in der Welt des Show-Business. „Beispielsweise beim Herausgeber des ‚Playboy’, Hugh Hefner.“


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