Kirgisistan

Vorgezogene Parlamentswahlen

In Kirgisien finden am 16. Dezember vorgezogene Parlamentswahlen statt. Zwölf Parteien ringen um das Erbe der so genannten Tulpenrevolution vom März 2005. Am 22. Oktober hatte der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakijew per Erlass das Parlament in Bischkek mitten in der Legislaturperiode aufgelöst. Die Begründung des Präsidenten gibt tiefe Einblicke in die Zerrissenheit des Landes: "Das kirgisische Parlament hat mit seinem Handeln und seinen Beschlüssen eine Staatskrise heraufbeschworen, die in unbewältigten Widersprüchen zwischen Parlament und Verfassungsgericht begründet ist".

Monatelang war eine Verfassungsreform Streitpunkt zwischen dem Präsidenten und der Opposition. Die Oppositionsparteien werfen Bakijew vor, die Reform bewusst verschleppt zu haben. Im April 2007 eskalierte der Streit. Oppositionelle bauten nach ukrainischem Muster ein Protestcamp vor das kirgisische Parlament und kündigten unbefristete Demonstrationen an. Die wichtigsten Forderungen der Opposition waren damals: Rücktritt des Präsidenten, neue Präsidentschaftswahlen, Einschränkungen der Machtbefugnisse des Präsidenten.

Die genannten Forderungen sollten sich in einer Grundgesetzänderung widerspiegeln und Kirgisien in eine parlamentarische Republik verwandeln. Am 19. April 2007 kam es zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und der Polizei. Die Opposition sprach damals von einer Provokation der Machthaber, mit dem Ziel, die Demonstrationen gewaltsam aufzulösen. Bakijew willigte schließlich in kleinere Reformen ein, um sich an der Macht zu halten. Während eines am 21. Oktober durchgeführten Referendums stimmten nach offiziellen Angaben über 75 Prozent der Wähler einer Reform des Grundgesetzes zu.

Nach den neuen Bestimmungen wächst die Zahl der Abgeordneten im kirgisischen Parlament Kogorku Kenesch von 75 auf 90 Mitglieder, Direktkandidaten werden nicht mehr zugelassen. Der Einzug ins Parlament wird für die Parteien durch eine Fünf-Prozent-Hürde eingeschränkt. Nach der neuen Verfassung wird der Ministerpräsident von der Partei gestellt, die über 50 Prozent der Stimmen erhalten hat. Wenn keine Partei dieses Ziel erreicht, kann der Präsident jede ins Parlament gewählte Partei mit der Regierungsbildung beauftragen. Noch eine Neuerung für diese Wahlen ist die spezielle Quote für Frauen: Mindestens 30 Prozent der Abgeordnetenplätze müssen nun mit Frauen besetzt werden.

Die Mehrzahl der heutigen Oppositionellen sind ehemalige Mitstreiter Bakijews. Während der Tulpenrevolution hatte man gemeinsam gegen den früheren Präsidenten Askar Akajew gekämpft. Nach dem Sturz Akajews und seiner Wahl zum Präsidenten habe Bakijew seine Versprechen gebrochen, ein demokratisches System zu installieren.  Im aktuellen Wahlkampf vertritt die Partei "Ak Zhol" die Interessen des Präsidenten. Bakijew selbst führt deren Wahlliste an. Stärkste Oppositionsgruppen sind die Sozialistische Partei "Ata Meken", die Sozialdemokratische Partei Kirgisiens sowie die Partei des früheren Premierministers Felix Kulow "Ar-Namis".

"Wenn es bei den Parlamentswahlen zu Fälschungen kommt, kann das Frühjahr wieder unruhig werden", kündigte Kulow bereits an. Scharf kritisiert er, dass sich die Präsidenten-Partei bei ihrem Wahlkampf auf Ressourcen der Präsidialadministration gestützt habe. Die Verwaltung der Hauptstadt Bischkek traf bereits Maßnahmen, die möglichen Proteste der oppositionellen Parteien einzuschränken: Die Zahl der Kundgebungen während der Wahl und kurz danach wurden begrenzt.

Ähnlich wie die so genannten Revolutionen in Georgien und Ukraine hat auch die Tulpenrevolution in Kirgisien die Erwartungen der Menschen nicht erfüllt. Korruption, Wirtschaftskriminalität, Drogenhandel sind im Land immer noch an der Tagesordnung. Die versprochenen Reformen kommen nur langsam voran. Gleichzeitig verlassen immer mehr Menschen das Land und gehen insbesondere nach Russland, um dort zu arbeiten. Im Inland geraten kirgisische Händler unter den Druck von Chinesen, die immer erfolgreicher die kirgisischen Märkte erobern. Bakijew wird bedrängt, die Arbeitsmöglichkeiten der Chinesen einzuschränken, will aber gleichzeitig nicht das Verhältnis zu China belasten. Mit seiner Außenpolitik versucht der Präsident zwischen den zentralasiatischen Nachbarländern China und Russland einerseits, und der EU und USA andererseits zu lavieren und sich so alle Optionen offen zu halten. Eine eigene, selbstbewusste Linie in Politik und Wirtschaft konnte das Land bislang nicht entwickeln.


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