Das Tal der Märchenschlösser
In der Region Jelenia Gora (Hirschberg) stehen rund 30 Schlösser, Burgen und Herrenhäuser auf engstem RaumDas Hirschberger Tal, auf polnisch Kotlina Jeleniogorska, ist eine der reizvollsten und ältesten Kulturlandschaften in Europa. Benannt wurde das Tal nach der Kreisstadt Jelenia Gora (Hirschberg), rund 70 Kilometer östlich von Görlitz und rund 90 Kilometer südwestlich von Wroclaw gelegen. Mehr als 30 Schlösser, Burgen und Herrenhäuser sind hier auf engstem Raum zu finden. Die reizvolle Tallandschaft am Fuß des Riesengebirges weist die höchste Denkmaldichte in ganz Polen auf und galt einst als "schlesisches Elysium". Hier verbrachte der europäische Adel den Sommer - allen voran die preußische Königsfamilie. Nach dem Zweiten Weltkrieg geriet das Tal der Märchenschlösser und ausgedehnten Landschaftsparks in Vergessenheit. Viele der einst prächtigen Anwesen sind bis heute verfallen - andere, wie das Schloss Lomnica (Lomnitz) sind bereits vorbildlich saniert und ziehen mehr und mehr Gäste an.
Schloss Wojanow
Pawel Sosnowski
Im Schloss Wojanow (Schildau), wo einst Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. das Sagen hatte, regieren derzeit die Bauarbeiter. Noch lärmen Bohrmaschinen und bedecken dicke Staubschichten die Fußböden, doch die Arbeiten gehen erkennbar in den Endspurt. Schon Ende Januar 2008 soll im größten Schloss des Hirschberger Tales, sechs Kilometer westlich von Jelenia Gora (Hirschberg) ein Schulungs- und Konferenzzentrum samt Luxushotel und Wellnessbereich eröffnen. "Es wird ein Luxusobjekt auf Fünf-Sterne-Niveau", sagt Magdalena Kozma von der Stiftung "Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal". 200 Betten warten dann auf Gäste, nur einen Aufzug wird es nicht geben - das gibt die Statik nicht her.Um den Strom der Besucher noch zu steigern und das Kulturerbe weiter zu erschließen, ging im August 2005 in Wroclaw die private Stiftung "Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal" an die Arbeit. Gegründet wurde sie von Unternehmern aus Wroclaw (Breslau), die außerdem mit drei eigenen Firmen das ehemalige Schloss Schildau und das Schloss Karpniki (Fischbach) sanieren. Das Schloss Paulinum in Jelenia Gora, im 19. Jahrhundert im Stil der Neorenaissance von einem Hirschberger Fabrikbesitzer erbaut, wird bereits als Hotel genutzt. Für die Wiederherstellung des Gutshofs und Landschaftsparks von Bukowiec (Buchwald) zeichnet die Stiftung verantwortlich, ebenso für die Vermarktung von Wojanow, Karpniki und Paulinum. Sie will möglichst auch alle anderen Besitzer von Burgen und Schlössern im Tal unter der Dachmarke "Schlösser und Gärten im Hirschberger Tal" vereinen. Deshalb arbeitet die Stiftung auch mit Behörden und Initiativen in den Nachbarländern Deutschland und Tschechien zusammen. Das Langzeitziel: die Anerkennung des Hirschberger Tales als Unesco-Weltkulturerbe. "Das ist sicher eine Frage von mehreren Jahren", bekennt Krzysztof Korzen, Geschäftsführer der Stiftung. Vorerst wäre man auch damit zufrieden, in den erlauchten Kreis der bisher 30 landesweit ausgewählten "pomniki historii", zu Deutsch: Denkmäler der Geschichte, aufgenommen zu werden. Diese Ehre wird nur Sehenswürdigkeiten von herausragendem Rang zuteil.
Krzysztof Korzen und Magdalena Kozma
Pawel SosnowskiDoch zunächst soll der neogotische Palast im früheren Schildau in neuem Glanz erstehen. 2004 hat die "Palac Wojanow" GmbH das Schloss samt vier Nebengebäuden gekauft, seit 2005 wird in Wojanow gearbeitet - in enger Absprache mit der Denkmalschutzbehörde in Jelenia Gora. Es gab viel zu tun, denn die Anlage war nicht in guter Verfassung. 2002 brannte das Schloss zur Hälfte aus. Vermutlich war der Blitz dort eingeschlagen, sagt Magdalena Kozma, doch Zeugen gab es damals nicht. Daraufhin wollten die Besitzer, eine polnisch-italienische Eigentümergemeinschaft, das Anwesen verkaufen - und die Wroclawer griffen zu. Neben dem Schloss mit den markanten Ecktürmen gehören zum Ensemble vier Nebengebäude, in denen Konferenzsäle mit Multimedia-Ausstattung, ein Wellnessbereich mit Schwimmbad, Sauna, Fitness und Whirlpool sowie weitere Hotelzimmer mit Drei-Sterne-Komfort untergebracht werden. Vom "Appartement Fryderyk" im Erdgeschoss blickt man an wolkenfreien Tagen geradewegs auf den Riesengebirgsgipfel. Die Luxussuite ist nach König Friedrich Wilhelm III. von Preußen benannt, der das Schloss 1839 kaufte und seiner Lieblingstochter Louisa schenkte - im anderen Flügel des Gebäudes liegt das "Appartement Luiza". Im ersten Stock ist der Ballsaal schon fast fertig - mit zartrosa Wänden und den nach historischem Vorbild neu geschaffenen Wandmalereien erstreckt er sich über zwei Etagen. "Von hier hat man einen idealen Blick auf die Schneekoppe", sagt Magdalena Kozma - wenn sich die Wolken um den nahe gelegenen, höchsten Gipfel des Riesengebirges verziehen. Im vergangenen Jahr wurde die Sichtachse freigeschlagen, in diesem Sommer ein Spazierweg im rund 15 Hektar großen Schlosspark angelegt. Den hat der preußische Gartenarchitekt Peter Joseph Lenné geschaffen. Der Pfad soll nicht der letzte gewesen sein: "Die Idee ist, dass die Hauptattraktionen der Region durch Rad-, Reit- und Wanderwege miteinander verbunden werden", erklärt Krzysztof Korzen. Auf den Wanderungen wird man auch Pausen einlegen können - zum Beispiel im Teehaus, das derzeit gebaut wird. Außerdem soll in einem traditionellen Umgebindehaus ein Gärtnerhäuschen entstehen. Das historische Gebäude im typischen Stil der Oberlausitz wird aus der Ortschaft Stara Kamienica (Alt Kemnitz) nach Wojanow versetzt. 20 Millionen Zloty (rund 5,5 Millionen Euro) hat die Schlosssanierung bisher insgesamt gekostet: "Und es wird noch einmal so viel werden", sagt Krzysztof Korzen. Angst, eventuell auf den Kosten sitzen zu bleiben, haben die Investoren nicht - sie sind optimistisch, an die glorreichen Zeiten des Adels- und Bädertourismus im 19. Jahrhundert anknüpfen zu können.Das Hirschberger Tal als Reiseregion boomt. Viele Gäste kommen aus Deutschland - und es sind nicht mehr nur ältere Nostalgietouristen, die die alte Heimat wiedersehen wollen, sondern auch Jüngere. Auch Familienfeiern und Hochzeiten sollen hier stattfinden können. "Wir haben jetzt schon täglich ein bis zwei Anfragen für Konferenzen", erklärt Magdalena Kozma - und als die Stiftung Anfang Oktober zum öffentlichen Picknick einlud, kamen gar 1000 Neugierige, um sich auf der Baustelle umzusehen.
Informationen zur Geschichte des Schlosses Wojanow:
Es wurde 1603 erbaut, im 30-jährigen Krieg erstmals zerstört und 1667 wieder erneuert. Bis 1727 gehörte es der Familie Zedlitz, danach wechselten die Besitzer häufig. 1831 kaufte es Justizrat Karl Albrecht Ike, der den neogotischen Umbau mit den vier charakteristischen Ecktürmen von einem Architekten aus dem Umfeld des preußisch-klassizistischen Meisters Karl Friedrich Schinkel ausführen ließ. 1839 kaufte König Friedrich Wilhelm III. das Schloss und gab es seiner Tochter Luise und ihrem Gatten Prinz Friedrich der Niederlande, als Hochzeitsgeschenk. Die beiden ließen die neogotische Fassade sowie den Park bauen. Bis 1889 war das Schloss in ihrem Besitz. Im Zweiten Weltkrieg wurden Gefangene im Schloss interniert, die in der nahe gelegenen Papierfabrik Eichberg eingesetzt waren. Ein Teil der Produktion war auch ins Schloss ausgelagert worden. Dieses wurde im Krieg nicht zerstört, später jedoch geplündert. Nach 1945 wurde das Schloss Verwaltungssitz der örtlichen landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft (PGR), zeitweise war es auch ein Ferienheim, später stand es leer. 1995 wurde es von einer polnisch-italienischen Eigentümergemeinschaft gekauft, die die Außenhaut sanieren ließen. Noch vor Beginn des Innenausbaus brannten 2002 Dachstuhl und Türme aus. 2004 ging das Schloss an die "Palac Wojanow" GmbH.Im Internet (auch auf Deutsch):
www.palac-wojanow.pl
www.dolinapalacow.plENDE