Tschechien

Erkältung für fünf Euro

Tschechen müssen künftig beim Arzt bezahlenIn tschechischen Krankenhäusern werden derzeit Automaten installiert. Dort bekommt man Wertmarken für 30 und 90 Kronen. Es handelt sich dabei aber nicht um Fahrscheine für die Straßenbahn. Mit dem Geld verschafft man sich künftig vielmehr Zutritt zu seinem Arzt. Die Zeiten des für die Patienten kostenlosen Gesundheitswesens in Tschechien nähern sich ihrem Ende.Auf einer 28-seitigen Zeitungsbeilage des Gesundheitsministeriums können die Tschechen derzeit studieren, was ab Januar auf sie zukommt. Die Preise, die sie für eine Behandlung zuzahlen müssen, sind nicht sonderlich hoch. Aber es geht auch eher um den psychologischen Effekt. Die Tschechen sollen lernen, dass Gesundheit ein hohes Gut ist. Und das ist nicht länger zum Nulltarif zu haben. Noch ist es vielfach so, dass die Menschen jenseits von Erzgebirge und Böhmerwald bei jedem Zipperlein ihren Arzt aufsuchen. Während Deutsche oder Österreicher im Durchschnitt sieben Mal im Jahr in eine Praxis gehen, tun das die Tschechen fast doppelt so häufig, in der Regel einmal im Monat. Damit liegen sie EU-weit an der Spitze. Vorteile bringt das freilich nicht. Im Gegenteil: Die Ärzte haben weniger Zeit als in anderen europäischen Ländern, um auf den einzelnen Patienten einzugehen. Die hohe Frequenz bei den Arztbesuchen bringt jedoch die Finanzierung des gesamten Gesundheitswesens aus dem Gleichgewicht. Kein Wunder also, dass der zuständige Minister Tomas Julinek am Ende seines Vorworts zur erwähnten Zeitungsbeilage den Leuten "weniger Besuche beim Arzt und mehr Gesundheit" wünscht.Ein normaler Gang zum Arzt kostet in Tschechien künftig etwas mehr als einen Euro. Immerhin schon drei Euro werden fällig für jeden, der zum Bereitschaftsdienst muss. Pro Tag im Krankenhaus sind umgerechnet etwas mehr als zwei Euro zu entrichten. Gut einen Euro kostet ein rezeptpflichtiges Medikament in der Apotheke. Auf dieser Grundlage lässt sich jetzt relativ leicht berechnen, wie teuer einen Tschechen seine Krankheit in Zukunft zu stehen kommt. Für eine einfache Erkältung schlagen der erste Besuch beim Arzt, zwei Medikamente auf Rezept und die Nachuntersuchung zu Buche. Macht 120 Kronen, etwa 5 Euro. Für eine Entbindung rechnet man vier Tage Aufenthalt für Mutter und Kind im Krankenhaus. Die kosten 480 Kronen, also knapp 20 Euro. Den Löwenanteil der Kosten trägt freilich weiter die Krankenversicherung. Die veranschlagt für eine einfache Untersuchung beim Hausharzt bis zu 600 Kronen (23 Euro). Dagegen nimmt sich der eine Euro, den der Patient künftig zuzahlt, eher bescheiden aus. Die neue Verordnung legt im Übrigen auch Obergrenzen und Ausnahmen für die Zuzahlungen fest. Einem Komapatienten etwa werden die Tage im Krankenhaus nicht in Rechnung gestellt. Kostenlos bleiben auch die obligatorischen Untersuchungen während einer Schwangerschaft. Letzteres hat gute Gründe: Die tschechischen Frauen bringen europaweit gemeinsam mit ihren deutschen Nachbarinnen seit Jahr und Tag die wenigsten Kinder zur Welt. Zusätzliche Kosten könnten da den Kinderwunsch womöglich noch stärker verringern.Doch was passiert, wenn die Automaten, an denen man die Wertmarken für den nächsten Arztbesucht kauft, bis Anfang Januar nicht überall aufgestellt sind? Dann können die Tschechen die Marken in Geschäften auf dem Krankenhausgelände kaufen, unter anderem in dem obligatorischen Blumenladen. Und was, wenn sich ein Patient vor dem Bezahlen drücken will?  Petr Mach, der Sprecher des Prager Klinikums Na Bulovce, sagt: "Wir können keinen Kranken abweisen. Aber der Mensch wird nicht nur einmal im Leben krank. Wir ziehen dann das Geld ein, wenn er wieder zu uns kommt."ENDE


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