Bosnien-Herzegowina

Politische Krise scheint gelöst

Nach zähen und langen Verhandlungen ist in letzter Minute die Vertiefung der politischen Krise in Bosnien-Herzegowina abgewendet worden. Die vom internationalen Bosnien-Beauftragten Miroslav Lajcak gesetzte Frist bis zum 1. Dezember wurde eingehalten und das bosnisch-herzegowinische Parlament verabschiedete einen Tag vor Fristende die neue Geschäftsordnung des Parlaments. Die neuen Maßnahmen sehen unter anderem vor, dass zur Beschlussfassung nicht mehr mindestens ein Drittel der bosniakischen, serbischen und kroatischen Abgeordneten anwesend sein müssen, sondern diese in Mehrheitsentscheidungen gefällt werden können.

Wie schnell auf einmal gehandelt wurde, zeigte auch die Folgeentscheidung des dreiköpfigen bosnischen Staatspräsidiums. Im Anschluss an den Beschluss des Parlaments ratifizierte es im Schnellverfahren den Vertrag mit der Europäischen Union, die Visa-Erleichterungen für Bürger Bosnien-Herzegowinas vorsehen. Die Erleichterungen können nun schon ab dem 1. Januar 2008 in Kraft treten.

Neben Miroslav Lajcak begrüßte auch der EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn die Anstrengungen der bosnischen Politiker und kündigte für die nächsten Tage seinen Besuch in Sarajevo an. Hauptthema des Besuchs von Rehn wird das Stabilisierungs- und Assoziationsabkommen (SAA) sein, welches Bosnien-Herzegowina aufgrund der fehlenden Polizeireform noch nicht ratifiziert hat.

Begonnen hatte die Krise mit dem Rücktritt des Vorsitzenden des Ministerrates Bosnien-Herzegowinas, Nikola Spiric, am 1. November. Spirics Rücktritt wurde als Protest gegen die jüngsten Beschlüsse des Hohen Repräsentanten Miroslav Lajcak verstanden, die von den bosnischen Serben als inakzeptable Einmischung abgelehnt wurde. Per Dekret hatte Lajcak angeordnet, dass das Regierungskabinett Entscheidungen mit einfacher Mehrheit der Anwesenden treffen kann, nachdem bosniakische, kroatische oder serbische Regierungsmitglieder durch Abwesenheit Beschlüsse verzögerten. Kurz darauf berichteten vor allem westeuropäische Medien Bosnien befinde sich zwölf Jahre nach Abschluss des Daytoner Friedensabkommens in der größten Krise seit Kriegsende und drohe - wie der ungeklärte Kosovo-Status - den westlichen Balkan zu destabilisieren.

Des Weiteren warf man in den Medien auch die Frage einer möglichen Kriegsgefahr auf, die alle Bürger Bosnien-Herzegowinas, der Föderation BiH (FBiH) und der Republika Srpska (RS), überraschte, aber letztendlich kalt liess. Auch der ehemaligen Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina Wolfgang Petric hielt die Angst vor einem neuen Krieg für Übertreibungen: "Ich sehe keinen neuen Krieg in Bosnien und ebenso glaube ich nicht, dass dieses Land in seiner schwersten Krise von Dayton bis heute steckt", kommentierte Petric die politische Situation in der größten bosnischen Tageszeitung "Dnevni Avaz".



Miroslav Lajcak, Hoher Repräsentant der internationalen Staatengemeinschaft in Bosnien-Herzegowina / Norbert Rütsche, n-ost



Auch die bosnisch-herzegowinischen Aktien- und Kapitalmärkte reagierten weder auf die Krisenberichte, noch auf den Rücktritt Spirics. Sowohl die Börse in Banja Luka als auch in Sarajevo verhielt sich ruhig. Zlatan Dedic, Direktor des Sarajevo Stock Exchange (SASE), sieht positiv in die Zukunft. "Das Nicht-Abwandern ausländischer Investoren als auch die guten makroökonomischen Resultate in BiH für dieses Jahr stimmen mich eher positiv und zufrieden, als besorgt", resümiert Dedic die wirtschaftliche Situation. Ebenso sieht es die Bundesagentur für Außenwirtschaft, die für das Gesamtjahr ein Anstieg des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 6,7 Prozent voraussieht und eine wirtschaftliche Erholung in Bosnien und Herzegowina prognostiziert.

Ein anderes Beispiel sind die riesigen Bauprojekte im Kanton Sarajevo, die nach Expertenaussagen der Wirtschaftskammer des Kantons für das laufende Jahr 2007 ein Investitionsvolumen von einer Milliarde Konvertible Mark (KM) (etwa 500 Millionen Euro) erreicht haben. Bleibt die Frage, welche Interessengruppen an einer Eskalation der Lage in Bosnien-Herzegowina interessiert sein könnten. Zu nennen wäre hier der Name des serbischen Ministerpräsidenten Vojislav Kostunica, der immer wieder die Frage des Kosovo mit der Frage der Entitäten in Bosnien-Herzegowina in Verbindung bringt. Eine bosnische Redensart sagt, dass ein serbischer Husten schnell als bosnische Lungenentzündung empfunden werden kann.

Zu dieser Aussage würden auch die Äußerungen des bosnisch-serbischen Premiers der Republika Srpska, Milorad Dodiks, passen, der häufig drohend von einem Referendum und einer Loslösung der RS aus dem bosnischen Staatenbund gesprochen hat. Der bosniakische Intelektuelle Sacir Filandra schrieb in der bosnisch-serbischen Zeitung "Nezavisne Novine" von einer Krise, die von politischen Eliten produziert wurde, innerhalb dieser Elite bleibt, die Bevölkerung in Bosnien nicht interessiere und somit eine künstlich geschaffene Krise ist.

Ähnlich bewertete die saarländische CDU-Europaabgeordnete Doris Pack die Lage in Bosnien im Interview für den Radiosender "Free Europe". "Einige der führenden Politiker in Bosnien-Herzegowina haben die politische Krise künstlich verstärkt, um auf diese Art und Weise von den enormen Geldsummen abzulenken, die sie während ihrer Regierungszeit illegal angehäuft haben", sagte Doris Pack, ohne die konkrete Nennung von Namen.

Vielleicht zielte die CDU-Abgeordnete dabei auf die Machenschaften um das vor kurzem neu eröffnete Regierungsgebäude der bosnisch-serbischen Regierung in Banja Luka. Nach Schätzungen des Vorsitzenden des Rechnungshofes in der Republika Srpska (RS) wird der Gesamtpreis des Komplexes letztendlich um die 220 Millionen KM betragen. Der zuerst beschlossene Baupreis von 34 Millionen KM wurde dabei um das 6-fache übetroffen. Die Affäre um das Bauvorhaben kulminierte, als die Regierung der RS Teile des Bauaktivitätenberichts unter Geheimhaltung stellte, der kurz zuvor im Entitätsparlament von Banja Luka hätte diskutiert werden sollen.

Aufschreie von Transparency International als auch der Wirtschaftsexpertin Svetlana Cenic, die darauf hinwies, dass nach den bestehenden Richtlinien nur militärische, sicherheitstechnische und stragetisch wichtige Projekte des Landes unter Geheimhaltung gestellt werden können, ließ die Beteiligten in der Regierung kalt. Letztendlich kam in dem Bericht heraus, dass Anhänge an den Vertrag unter Geheimhaltung gestellt wurden, in denen die Regierung unvorhergesehene Zusatzarbeiten in Höhe von 106 Millionen KM an die ausführende Firma "Integral inzinjering" bewilligte. Das der Direktor von "Integral inzinjering", Slobodan Stankovic, ebenso wie Milorad Dodik aus Laktasi, dem gleichen Herkunftsort wie Dodik stammt und beide enge Freunde sind, ist dabei kein Geheimnis.


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