Ein Falke auf der Flucht
Am Dienstagabend nahm die Polizei in einem Berliner Hotel den ehemaligen Verteidigungsminister Georgiens, Irakli Okruaschwili, fest. Einen Tag vorher war bereits sein Mitarbeiter Jason Tschichladze verhaftet worden, als die beiden Asyl in Deutschland beantragten. Der ausgebildete Jurist Okruaschwili ist eine schillernde Persönlichkeit. Seit Anfang November hält sich der 33-Jährige in Deutschland auf. Seinen ehemaligen politischen Weggefährten, den Präsidenten Michail Saakaschwili, mit dem der Festgenommene 2003 die Rosenrevolution führte und den damaligen Präsidenten Eduard Schewardnadse stürzte, bezeichnet Okruaschwili heute als "modernen Hitler".
Zu der Festnahme in Berlin kam es, weil die georgischen Behörden über Interpol ein Festnahmeersuchen gestellt hatten. In Georgien wird gegen Okruaschwili unter anderem wegen Geldwäsche ermittelt. Für Mittwoch war in Berlin eine Anhörung vor dem Ermittlungsrichter geplant. Tiflis hat nun 40 Tage Zeit, um die für die Auslieferung nötigen Dokumente vorzulegen. Zwei Heißsporne Nach der Rosenrevolution arbeitete Okruaschwili zunächst als Generalstaatsanwalt. Er profilierte sich bei der Verfolgung korrupter Beamter und der Eintreibung von Millionen Dollar Steuerschulden.
Im Juni 2004 wurde er zum Innenminister und im Dezember 2004 zum Verteidigungsminister ernannt. Was die Beziehungen zu Russland betrifft, gelten sowohl Okruaschwili als auch Saakaschwili als Falken. Trotzdem kam es Ende 2006 zum Bruch zwischen den beiden Heißspornen. Okruaschwili berichtete später von einem Plan, die abtrünnige Provinz - in der er geboren wurde - "unter minimalen Verlusten" zurückzuerobern. Der georgische Präsident habe diesem Plan aber aus "Feigheit" nicht zugestimmt. Am 11. November 2006 setzte Saakaschwili den Verteidigungsminister schließlich von seinem Posten ab.
Ende September meldete sich Okruaschwili mit einem Paukenschlag in der Politik zurück. In einer Talk-Show mit dem inzwischen geschlossenen unabhängigen Fernsehkanal Imedi beschuldigte er den georgischen Präsidenten, korrupt zu sein und die Ermordung des oppositionellen Geschäftsmanns Badri Patarkatsischwili in Auftrag gegeben zu haben. Außerdem stecke Saakaschwili hinter dem Tod von Premier Surab Schwanija, der 2005 an einer mysteriösen Gasvergiftung gestorben war.
Okruaschwili gründete die Oppositionspartei "Für ein einiges Georgien". Er wurde zu einer Leitfigur der Oppositionsbewegung gegen den Präsidenten, der wegen seiner autoritären Politik und der nach wie vor elenden sozialen Lage vieler Georgier immer unbeliebter ist. Doch Saakaschwili setzte sich gegen die Anschuldigungen zur Wehr: Wenige Tage nach den Enthüllungen im Fernsehen wurde Okruaschwili verhaftet. Ihm wurden Korruption und Umsturzpläne vorgeworfen.
Im Gefängnis legte Okruaschwili - offenbar unter Druck - ein Geständnis ab und wurde gegen eine Kaution von vier Millionen Euro freigelassen. Am 1. November, nur wenige Stunden vor einer großen Demonstration der Opposition, an der sich 100.000 Menschen beteiligten, verließ der Ex-Verteidigungsminister unter ungeklärten Umständen Georgien. Seine Anwältin erklärte, ihr Mandant sei abgeschoben worden. Kaum in München angekommen, widerrief Okruaschwili sein Schuldeingeständnis. Dies sei unter Druck zustande gekommen.
Die Mannschaft der Rosenrevolutionäre von 2003 ist heute weitgehend zerfallen. Ein Teil hat sich jetzt in einem Oppositionsbündnis zusammengeschlossen, das zu den Präsidentschaftswahlen am 5. Januar den Kandidaten Levan Gachechiladze - einen Wein-Unternehmer - unterstützt. Die Bedingungen für die Opposition sind jedoch schwierig. Der unabhängige Fernsehkanal Imedi ist noch immer geschlossen.Der Vorsitzende der Deutsch-Kaukasischen Gesellschaft, Ekkhard Maas, kritisierte die Festnahme Okruaschwilis. In Georgien würde den ehemaligen Verteidigungsminister kein fairer Prozess erwarten, er müsse um sein Leben fürchten. Okruaschwili sei vermutlich "kein Saubermann", aber in diesem Fall, so Maas, werde "Interpol für die machtpolitischen Interessen von Saakaschwili benutzt."