Kroatien

Spannendes Rennen bei der Wahl in Kroatien

Der leuchtend rote Hintergrund der Plakatwand hebt sich vom trüben Novemberwetter in der kroatischen Hauptstadt Zagreb erfrischend ab. Darauf lächelt er - jung, dynamisch und irgendwie erinnert er an den hilfsbereiten Nachbarn von nebenan. Doch Zoran Milanovic ist mehr, er ist das neue politische Gesicht Kroatiens. Ein Senkrechtstarter, den noch vor wenigen Monaten kaum jemand außerhalb der eigenen Parteiriege kannte. Nun will der Rechtswissenschaftler und Diplomat seine Sozialdemokraten (SDP) am kommenden Sonntag zum Wahlsieg führen. 4,4 Millionen Kroaten in aller Welt sind aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Dabei nimmt es der erst 41-Jährige, der im Mai in die Fußstapfen des verstorbenen SDP-Chefs Ivica Racan getreten ist, mit der christlich-demokratischen Regierungspartei HDZ auf. Die erlebte in den 1990er Jahren unter dem ebenfalls verstorbenen Autokraten Franjo Tudjman ihre Blütezeit.


Das neue Gesicht der sozialdemokratischen Partei SDP: Zoran Milanovic / Veronika Wengert, n-ost

Die heutige, bei weitem nicht mehr so nationalistische HDZ wiederum wird vom amtierenden Premier Ivo Sanader durch den Wahlkampf geführt: Silbergraues dichtes Haar, seriös, ein gewandter Tänzer auf dem diplomatischen Parkett, der fließend auf Deutsch parliert, Kroatien erst vor kurzem durch seine Lobbyarbeit einen nicht ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat verschafft hat und nun den zügigen EU- und Nato-Beitritt anvisiert. Dass das Land 2009 in die europäische Staatengemeinschaft aufgenommen wird, wie zunächst von Kroatien erträumt - davon ist in den vergangenen Wochen allerdings keine Rede mehr gewesen. Denn immerhin sind Meinungsumfragen zufolge ein Drittel der Kroaten gegen den EU-Beitritt, und das sind keine unbedeutenden Wählerstimmen für den EU-orientierten Ivo Sanader. Die Einladung in den Klub der Nato-Mitgliedsländer erwartet Kroatien unterdessen bereits im kommenden Jahr. SDP-Chef Milanovic gibt sich in dieser Hinsicht zurückhaltender: Der Nato-Beitritt müsse in einem Volksbegehren entschieden werden, nicht hinter verschlossenen Türen im Parlament.Dass der energische Milanovic gefährlich an Sanaders Thron rüttelt, zeigen aktuelle Meinungsumfragen: Lagen die beiden größten Parteien HDZ und SDP noch vor einem Monat mit je 30 Prozent der Wählergunst gleich, sind die Sozialdemokraten inzwischen auf einem leichten Überholkurs. Bis zur Schließung der Wahllokale am Sonntagabend dürfte es folglich spannend bleiben, wer letztlich das Rennen machen wird. Die kleineren Parteien bewegen sich unterdessen nur knapp über der Fünf-Prozent-Hürde, ernsthafte Konkurrenten für HDZ und SDP sind sie folglich nicht. Allerdings vermuten Experten, dass es zu einer Regierungskoalition mit vier bis sechs Parteien kommen könnte. Eine große Koalition scheidet ziemlich wahrscheinlich aus.


Der amtierende Premier und HDZ-Chef Ivo Sanader will die Wähler mit dem Slogan "Gehen wir voran"  überzeugen /
Veronika Wengert, n-ost

Sollte die SDP das Rennen machen, wird sie den parteilosen Spitzenkandidaten Ljubo Jurcic zum Premier ernennen - einen Ökonomie-Professor aus der katholisch-konservativen Herzegowina, der vor einigen Jahren auch einmal Wirtschaftsminister war. In den vergangenen Wochen bot Jurcic den Konservativen mit seinen Besteuerungsplänen für Besserverdiener und Aktienanleger immer wieder Angriffsfläche. Und die SDP soll schließlich auch für einen in der Geschichte sensationellen Börsenrutsch Anfang dieser Woche in Zagreb verantwortlich gewesen sein, nachdem sie Pläne für die Einführung einer fünf- bis zehnprozentigen Kapitalertragssteuer angekündigt hatte. Das behauptet zumindest Sanader. Der Kurseinbruch sei lediglich eine gesunde Korrektur gewesen, halten Börsenexperten dagegen. Das kroatische Wahlsystem ist kompliziert: Es gibt zwölf Wahlkreise, zehn davon sind geografisch über das kleine Adrialand verteilt, der elfte gehört den Auslandskroaten -immerhin 400.000 Wahlberechtigte in 52 Ländern, darunter viele in Deutschland. Die Hälfte der Stimmberechigten in der so genannten Diaspora lebt allerdings im Nachbarland Bosnien-Herzegowina. Der zwölfte Wahlkreis gehört den Minderheiten in Kroatien, die ihre eigenen acht Vertreter wählen. Diese setzen sich für die Rechte der Serben, Ungarn, Bosnjaken oder die kleinerer Volksgruppen wie Rusinen, Österreicher oder Deutsche im Land ein. Bis zu 160 Abgeordnete können so ins kroatische Parlament gewählt werden, die genaue Zahl der Mandate in Wahlkreis Elf hängt allerdings von der allgemeinen Wahlbeteiligung ab. Diese dürfte aktuellen Prognosen zufolge bei über 70 Prozent liegen.  Der elfte Wahlkreis ist SDP-Chef Milanovic ein besonderer Dorn im Auge. "Entscheiden wir in Kroatien", lautet deshalb sein zentraler Slogan. Den wiederholt er wie ein Mantra und betont dabei vor allem das Wörtchen "in". Der Sozialdemokrat will den Auslandskroaten ihre Wahlberechtigung entziehen. Wer nicht in Kroatien lebe und hier keine Steuern zahle, könne auch nicht über die Zukunft des Landes entscheiden. Diese offene Antipathie hat ihren Grund: Die Stimmen der Auslandskroaten kommen traditionell fast ausschließlich der HDZ zugute.

Premier Sanader jettet unterdessen in die bosnischen Städte Mostar und Sarajewo und erinnert daran, dass es auch die Kroaten in Bosnien-Herzegowina waren, die dem jungen Kroatien im Bürgerkrieg von 1991 bis 1995 zur Unabhängigkeit verhalfen. Die HDZ hat unterdessen mit der Einbindung von Spitzensportlern in den Wahlkampf eine hitzige Debatte entfacht. Darf man herausragende Fußballer in die schnöde Politik einbinden? Man darf, so der Ethikrat der Republik. Denn auch Sportler dürfen ihren Willen frei äußern. Und so unterstützt Fußball-Erstligist Dinamo Zagreb die HDZ, ebenso wie Top-Fußballer Nico Kovac. Mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, mit deren Foto und Grußworten sich die HDZ in Zeitungsanzeigen schmückt, hat sich der Ethikrat allerdings noch nicht auseinander gesetzt. Die Debatten um das Wahlrecht der Auslandskroaten und die Spitzensportler würden die politischen Programme der Parteien derzeit in den Hintergrund drängen, kritisierten die Wahlbeobachter der Nichtregierungsorganisation GONG am Dienstag in Zagreb. Es seien überwiegend die kleineren Parteien, die konkrete Themen wie Dezentralisierung, Umweltschutz, Investitionen in die Landwirtschaft und die heikle Entscheidung, die Fischereizone ab Januar auszudehnen, offen diskutieren würden. Dabei gibt es wahrlich genug Probleme, die inhaltlich diskutiert werden müssten. Das hat gerade der letzte EU-Fortschrittsbericht wieder gezeigt, der Anfang November veröffentlicht wurde. Handlungsbedarf bestehe vor allem im Hinblick auf Korruption, die schleppende Privatisierung und die lahmende Justiz. Doch darüber schweigen sich die Figuren auf dem politischen Schachbrett Kroatiens derzeit lieber ein wenig aus - zumindest bis Sonntagabend.


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