Bio-Boom in Polen
Ökologischer Landbau als Hoffung für den deutschen Markt Bio boomt und zwar das vierte Jahr in Folge. Immer mehr Bauern steigen in Polen auf ökologischen Landbau um. Und die einheimische Biobranche hätte sogar noch stärker wachsen können, wäre sie nicht durch Versorgungsengpässe gebremst worden. Doch bisher liegen trotz der nahen Grenze kaum polnische Bioprodukte in deutschen Regalen. Blue Amber - blauer Bernstein heißt die Firma von Biobauer Bohdan Marcinkowski aus Kobylanka bei Stettin. Die Heidelbeer-Plantage hat sich als gutes Geschäft erwiesen. In diesem Jahr hat Marcinkowski trotz des verregneten Sommers 700 Saisonkräfte beschäftigt und 400 Tonnen Beeren geerntet. Doch kein Gramm davon ist im deutschen Handel gelandet, obwohl der Betrieb nur eine Autostunde von Berlin entfernt liegt. Stattdessen hat Marcinkowski seine Beeren nach Großbritannien, Russland und sogar Südafrika geliefert.
Biobauer Bohdan Marcinkowski aus Kobylanka bei Stettin
Katrin Lechler"Deutschland gilt als Niedrigpreiszone - und zwar nicht nur in Polen. Man kann zwar viel verkaufen, bekommt dafür aber wenig Geld", erklärt Marcinkowski seine Zurückhaltung gegenüber deutschen Händlern. Und um Abnehmer muss er sich nicht sorgen. Die Nachfrage nach seinen pestizidfreien Früchten ist vor allem in Großbritannien so groß, dass er mit der Produktion in diesem Jahr kaum hinterher kam. Auch der Biolandwirt Radoslaw Jasyk aus Zlocieniec bei Stettin hat die Erfahrung gemacht, dass sich das Geschäft mit den deutschen Nachbarn nicht immer lohnt: Für die Lieferung von Himbeeren und Johannisbeeren an die Bio-Mosterei Voelkel hätte er in Polen in diesem Jahr einen besseren Preis erhalten. Dennoch ist der Bauer an der Zusammenarbeit mit Voelkel interessiert, da es noch zu wenig verarbeitende Betriebe in der polnischen Biobranche gibt, die eine regelmäßige Abnahme seiner Ernte garantieren. Die meisten polnischen Biobauern setzen nur Rohstoffe im Ausland ab, für die sie sehr viel weniger Geld bekommen als für Säfte, Marmeladen oder Tiefkühlkost. Beispiel Kaufland: Der Lebensmitteldiscounter bezieht nur vereinzelt Obst und Gemüse aus dem östlichen Nachbarland, in einer Woche sind es Mohrrüben, in der nächsten Kohl. Verarbeitete Produkte hingegen werden ausschließlich über so genannte Systemhändler gehandelt, die zum Beispiel die Biomarke "Gut und Gerne" produzieren. "Nur so sind Frische und sinnvolle logistische Größen möglich", sagt Kaufland-Sprecherin Christine Axtmann. Genau an dieser Stelle klafft die größte Lücke zwischen polnischem Angebot und deutscher Nachfrage: Die meisten Biobetriebe jenseits der Oder sind mit durchschnittlich 26 Hektar zu klein und zu wenig spezialisiert, um ein Produkt in großen Mengen das ganze Jahr über zu liefern. Sie produzieren häufig für den eigenen Bedarf oder verkaufen ihre Erzeugnisse als konventionelle Lebensmittel, da die polnischen Konsumenten die höheren Preise für Bioprodukte nicht zahlen können. Zwar hat sich die Anzahl der polnischen Ökobetriebe seit 2004 mehr als verdoppelt und ist im vergangenen Jahr auf über 9000 gewachsen. Auch die ökologisch bearbeitete Fläche hat nach Auskunft des Internationalen Zentrums für den Ökologischen Landbau Mittel- und Osteuropa Ecoconnect im gleichen Zeitraum von 82.730 auf 200.000 Hektar zugenommen. Doch die Lebensmittelproduktion sei nicht im gleichen Maße gestiegen, sagt Katarzyna Kaczmarek, Beraterin des Anbauverbandes Demeter Polen. "Die Lebensmittelproduktion ist um einige Prozent gewachsen, aber das reicht nicht, um den deutschen Markt regelmäßig zu beliefern." Nur zögerlich schließen sich die Biohöfe zu Erzeugergemeinschaften zusammen, die dieses Problem lösen könnten. Bei vielen Landwirten sind die Erinnerungen an die volkseigenen Großbetriebe zu kommunistischen Zeiten noch zu frisch, um ihre Vorbehalte gegen gemeinschaftliche Produktionsformen zu überwinden. Gebremst wird der polnische Ökolandbau auch durch ein fehlendes Logo, das die ökologisch erzeugten Produkte eindeutig als solche kennzeichnet. Viele polnische Verbraucher kaufen vermeintlich Bio, weil sie ökologische mit so genannten gesunden Lebensmitteln verwechseln. Auf diese Weise entwickelt sich der Binnenmarkt sehr verhalten. Dieser schafft aber die Infrastruktur für den Export. Branchenkenner sind trotzdem optimistisch: "Das Anziehen des deutschen Marktes wird langfristig auch den polnischen Bio-Landwirten helfen", sagt Bernhard Jansen, Geschäftsführer von Ecoconnect. Und Bauer Radoslaw Jasyk hat schon jetzt Bestellungen aus Frankreich und Deutschland für das kommende Jahr. Im Januar 2008 will er mit vier anderen Kollegen die Erzeugergemeinschaft "Pomorze" eintragen lassen. Auf diese Weise kann er europäische Fördermittel beantragen, die er in ein Kühlhaus und eine Trockenanlage investieren will. Dann kann Jasyk endlich auf große Handelsketten und den deutschen Naturkosthandel zutreten und höhere Preise für seine Produkte erzielen.ENDE