Mazedonien

"Albaner sollen in Verruf gebracht werden"

Nachdem die mazedonische Polizei letzte Woche bei einem Feuergefecht im Grenzgebiet zum Kosovo sechs ethnisch-albanische mutmaßliche Kriminelle erschossen hat, steigen die Spannungen in der Region. Bei den mazedonischen Albanern herrscht die Überzeugung vor, dass der Zwischenfall die Albaner bei den laufenden Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo in Verruf bringen soll.

Hunderte von Männern ziehen die steile Strasse hinauf zum albanischen 1300-Seelen-Dorf Brodec nördlich von Tetovo, vorbei am Friedhof mit zwei frisch ausgehobenen Gräbern. Vor der Moschee kondolieren sie schweigend den Vätern von Fisnik Ahmeti (21) und Ferrat Shahini (20). Die beiden jungen Dorfbewohner sind zwei der insgesamt sechs Männer, die beim Gefecht mit der mazedonischen Polizei in der vergangenen Woche getötet wurden. Die Fassade der Moschee ist mit Einschusslöchern übersäht, die Fensterscheiben sind geborsten. Gleich hinter dem Dorf erhebt sich das schneebedeckte, über 2500 Meter hohe Shar-Gebirge, das die Grenze zum Kosovo bildet.

"Um sechs Uhr in der Früh kamen die ersten Hubschrauber, dann fing die Polizei an zu schießen, acht Stunden lang", beschreibt Shemsedin Selimi (37) die Aktion. Er ist der selbsternannte Sprecher des "Notrates" von Brodec, der nach dem Gefecht einberufen wurde. Allein vor seinem Haus, so Selimi, habe er 200 bis 300 Polizisten gesehen. Xhelebi Dauti (76) ist den Tränen nahe: "Zwei meiner Söhne und zwei Enkel haben sie aus dem Keller geholt, wo wir vor den Granaten Schutz suchten".

Die insgesamt 13 Verhafteten und auch die beiden getöteten Brodecer seien unschuldig, erklärt Selimi weiter. Die Männer auf dem Dorfplatz hinter der Moschee nicken zustimmend. Man habe zwar Fremde im Dorf gesehen, diese seien aber nicht negativ aufgefallen, ist weiter zu hören. Selimi fügt bei: "Wir wissen nicht, wer die anderen Toten sind. Und wir haben keine Ahnung, woher die Waffen stammen, die die Polizei hier gefunden hat. Wir sind unbewaffnet."

Für die mazedonische Regierung war die Polizeiaktion in Brodec "sehr erfolgreich", wie Innenministerin Gordana Jankulovska sagte. Weder unter der Zivilbevölkerung noch bei der Polizei habe es Verletzte gegeben. Es seien unter anderem Raketenwerfer, Flugabwehrkanonen, Anti-Panzerminen, Artilleriegranaten sowie unzählige Handgranaten und automatischen Waffen gefunden worden. "Die Kriminellen hätten damit jede Stadt oder Institution angreifen können - es war einen Provokation für das Land", so Jankulovska. Das massive Vorgehen der Einsatzkräfte rechtfertige die Innenministerin mit der immensen Menge an Waffen und damit, dass sofort das Feuer auf die Polizei eröffnet worden sei. Die sechs Getöteten und 13 Verhafteten bezeichnete sie als "Terroristen". Nach Medienberichten war der Kern der Gruppe im August aus einem Gefängnis im Kosovo ausgebrochen und seitdem untergetaucht.



Ali Ahmeti, Vorsitzender der mazedonischen Albanerpartei "Demokratische Union für Integration" / Norbert Rütsche, n-ost

Ali Ahmeti, Chef der "Demokratischen Union für Integration" (DUI), dagegen sagte, die wirklichen Kriminellen seien nicht festgenommen worden, dafür sei in Brodec das "Blut von Unschuldigen" geflossen. Die Aktion sei ein Versuch gewesen, "die Albaner in Mazedonien und in der ganzen Region in Verruf zu bringen" und sie als Terroristen darzustellen. Die DUI ist die größte Albanerpartei Mazedoniens und seit den Wahlen im letzten Jahr in der Opposition. Ahmeti warnte davor, dass als Folge des Zwischenfalls das Vertrauen zwischen Mazedoniern und Albanern im Staat Schaden nehmen könnte. Gut 25 Prozent der rund zwei Millionen Einwohner Mazedoniens sind ethnische Albaner. 



Menduh Thaci, Vorsitzender der mazedonischen "Demokratischen Partei der Albaner". / Norbert Rütschen, n-ost

Menduh Thaci, Vorsitzender der an der Regierung beteiligten "Demokratischen Partei der Albaner" (DPA) verteidigte die Polizeiaktion. Gleichzeitig machte er deutlich, dass er eine Verbindung zwischen den Ereignissen in Brodec und den laufenden Verhandlungen um den Kosovo-Status vermutet. Er sagte, gewisse Kräfte wollten zeigen, "dass das albanische Volk dauernd Unruhe stiftet" und erwähnte dabei "Serben und Russen und viele Albaner, die diesen Feinden helfen". Der Politexperte Dane Taleski vom Institut für Demokratie in Skopje wollte nicht spekulieren, wer hinter den Vorfällen steckt. Doch für ihn gibt es keinen Zweifel, dass es vor allem der serbischen Seite nützt, "wenn Albaner aus dem Kosovo in Mazedonien Probleme machen".


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