Polit-Clown sorgt für Wahlsensation
Die Prominenz der polnischen Politik dürfte ihre Augen am Sonntagabend nicht getraut haben, als die ersten Hochrechnungen der Parlamentswahlen über den Bildschirm flimmerten. Zehn Prozent der Stimmen gingen an die „Bewegung Palikots“ (Ruch Palikota). Damit ist die neugegründete Partei auf Anhieb drittstärkste Kraft im Parlament. Ein Ergebnis, mit dem niemand in Polen gerechnet hatte. Am wenigstens wahrscheinlich Parteigründer Janusz Palikot selbst.
Der Wahlausgang wird vor allem wegen des provokativen Wahlprogramms als eine Sensation angesehen. Die drei markantesten Slogans darin sind: Marihuana legalisieren, das Abtreibungsrecht liberalisieren und den Einfluss der Kirche auf die Politik zurückdrängen. In einem Land, in dem sich über 90 Prozent der Bevölkerung zum Katholizismus bekennt, sorgte vor allem die letzte Forderung für Aufsehen – und bescherte Palikot am Ende die meisten seiner Wählerstimmen, sagt der Politologe Maciej Waszak: „Nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. ist die polnische Kirche in eine Krise geraten. Vor allem in der Smolensk-Katastrophe hat sie eine zweifelhafte Rolle gespielt. Viele junge Menschen haben genug von all dem Gerede um das Märtyrertum Polens und die Verschwörungstheorien rund um den Flugzeugabsturz.“
Dabei sah es lange so aus, als hätte Palikot keine Chance. Er gilt als das Enfant terrible der polnischen Politik. Seine Auftritte sind legendär. Noch als Mitglied der Bürgerplattform PO erschien er bei einer Pressekonferenz mit Spielzeug-Pistole und Vibrator. Damit wollte auf Missbrauchsfälle durch die Polizei in seinem Wahlkreis Lublin hinweisen. Dem Ansehen der PO schadete er mit solchen Aktionen und entschied sich schließlich im vergangenen Jahr, seine eigene Partei zu gründen.
Sein Wahlkampfbudget war außerordentlich niedrig. Vieles dürfte Palikot aus eigener Tasche bezahlt haben. Vor seiner politischen Karriere war er ein erfolgreicher Geschäftsmann. Sein Vermögen wird auf mehrere hundert Millionen Zloty geschätzt. Doch er ist auch ein Meister der Selbstvermarktung und war damit nicht auf große Wahlkampf-Summen angewiesen, betont der Politologe Olgierd Annusewicz: „Palikot hat seinen Wahlkampf fast ausschließlich online geführt. Er hatte kein Wahlkampfbüro, hat kein Geld für riesige Plakatwände ausgegeben und keine Werbespots im Fernsehen geschaltet. Seine Auftritte hatten eher Happening-Charakter.“
Palikot hat die sozialen Netzwerke exzellent genutzt und damit die jungen Wähler in den großen Städten angesprochen. „Er konnte vor allem die Unentschlossenen für sich gewinnen“, sagt der Politologe Waszak. „Palikot hat sich getraut, das auszusprechen, was viele junge Menschen schon lange denken. Viele haben ihn auch einfach nur aus Protest gewählt.“
Genau diesen Punkt hört man häufig, wenn man die Palikot-Wähler fragt. „Ein bisschen frischer Wind kann der polnischen Politik nicht schaden“, sagt der 30-jährige Mariusz. Seine Freundin Magda ergänzt: „Palikot vertritt ein anderes Politik-Bild. Es wird Zeit, dass sich bestimmte Dinge in Polen endlich mal ändern.“
Die Beiden haben sich vor allem von der bunten Wahlliste der Bewegung Palikot angezogen gefühlt. Feministinnen, Homosexuelle und Transsexuelle haben hier einen prominenten Platz gefunden. Dass die Partei an der Regierung teilnimmt, gilt als unwahrscheinlich. Wie es im Moment aussieht, setzt Premierminister Donald Tusk auf Altbewährtes und koaliert wieder mit der Bauernpartei PSL.