Struktur und Architektur
Die Serie "Struktur und Architektur" zeigt Momentaufnahmen noch vorhandener Industriearchitektur des ehemaligen Oberschlesiens aus der Zeit vor 1945. Der Fotograf Thomas Vossbeck fotografierte im heutigen Polen über mehrere Wochen diese Zeugnisse einer industriell erfolgreichen Epoche.
Das historische Oberschlesien ist ein über die Jahrhunderte gewachsenes Gebiet, das im Laufe seiner Geschichte zum Herrschaftsbereich verschiedener angrenzender Staaten gehörte. Die mehrfach wechselnde staatlich-politische Zugehörigkeit seit dem Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert sowie die ethnische, nationale, kulturelle, sprachliche, konfessionelle und soziale Vielschichtigkeit machen diese Region geradezu zu einem Paradigma der nachbarschaftlichen Beziehungen in der Mitte Europas.
Seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert wurde die Industrialisierung in der nunmehr preußischen Provinz massiv vorangetrieben. Die Region entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem der wichtigsten industriellen Zentren des preußischen Staates. Zahlreiche Bergwerke, Kokereien, Hütten, Kraftwerke und Werke der Chemieindustrie prägten das Bild der Landschaft.
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges fiel die ehemalige preußische Provinz Oberschlesien an den polnischen Staat. Ein großer Teil der riesigen Industriekomplexe haben in der geschaffenen Sonderwirtschaftszone bis zum Beginn der Neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts die Zeiten relativ unbeschadet überdauert.
Mit den politischen Veränderungen 1989 einerseits aber auch mit dem Beitritt der Republik Polen zur Europäischen Union im Jahre 2004 kam es zu weiteren tiefgreifenden strukturellen Veränderungen. Die meist veralteten Industrieanlagen Oberschlesiens hatten auf dem Weltmarkt kaum eine Chance.
Viele Werke wurden geschlossen, Hunderttausende Menschen wurden arbeitslos. Vor allem die Hütten- und Stahlindustrie erlebte einen spürbaren Niedergang.
Inzwischen sind viele dieser Betriebe aus einer vergangenen Industrieepoche verschwunden oder stehen kurz vor der Liquidation. Dennoch findet man auch heute noch zahllose intakte und beeindruckende Anlagen verschiedener Industriebereiche.
Die Fotoausstellung „Struktur und Architektur. Das postindustrielle Kulturerbe Oberschlesiens“ und ein diese begleitender deutsch-polnischer Ausstellungskatalog wurde von Europareportage gemeinsam mit dem Deutschen Kulturforum östliches Europa aus Potsdam in den Jahren 2009/2010 realisiert. Darüber hinaus beteiligte sich das Schlesische Museum Kattowitz an der Erstellung des Ausstellungskataloges; das Haus der Deutsch Polnischen Zusammenarbeit Gleiwitz und zahlreiche weitere deutsche und polnische Museen und Institutionen unterstützten als Partner das Projekt. Stationen dieser 46 Fotografien umfassenden Ausstellung sind u.a. Zeche Zollern, ein Standort des LWL Industriemuseums Dortmund, das Oberschlesische Landesmuseum Ratingen und das Schlesische Museum Kattowitz. Dieses Museum wird die Arbeiten ab Oktober 2011 im Rahmen der EU Ratspräsidentschaft Polens erstmalig der polnischen Öffentlichkeit präsentieren.
Die Initiative Europareportage wurde 2004 von den Berliner Fotografen Anke Illing und Thomas Voßbeck ins Leben gerufen. Themenschwerpunkt innerhalb unterschiedlicher Projekte sind die inhaltliche und fotografische Auseinandersetzung mit spannungsreichen Kulturräumen Mittel-, Ost- und Südosteuropas.