Kasachstan

Ein deutsch-kasachisches Uni-Projekt startet durch

Das schmutzig-dunkelgraue Gebäude hinter hohen Bäumen auf der Puschkin-Straße im kasachischen Almaty sieht man auf den ersten Blick kaum. Doch hinter den Mauern der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) werden gerade die Grundsteine des wohl ehrgeizigsten von Deutschland geförderten Bildungsprojekts im Ausland gelegt: Mitten in Zentralasien sollen bald nach deutschen Lehrplänen die Studiengänge Transportlogistik, Umweltmanagement und Wirtschaftsinformatik unterrichtet und ein Doppelabschluss vergeben werden.

Kasachstan ist durch seine großen Rohstoffvorräte und durch ein jährliches Wirtschaftswachstum von fast zehn Prozent der Tiger unter den ehemaligen fünf Sowjetrepubliken in der Region. Besonders im Bereich Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung wollen die Deutschen sich jetzt engagieren. Lehrende aus Deutschland und Kasachstan bauen die bereits seit 1999 bestehende Universität nun nach deutschem Vorbild aus. Bereits im September nächsten Jahres soll mit Umweltmanagement ein für das Land vollkommen neuer Studiengang gestartet werden. Deutschland unterstützt das ehrgeizige Projekt mit einem Millionenbetrag.

Sieben deutsche Hochschulen haben sich zusammengeschlossen, um die Neuausrichtung der DKU zu tragen. "Wir wollen die akademische Qualität der Universität steigern und das Fächerangebot erheblich erweitern", sagt Benedikt Brisch vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), der das Projekt fördert. Außerdem soll die technische Ausstattung des von der kasachischen Regierung bereitgestellten Gebäudes verbessert werden.



Studenten an der Deutsch-Kasachischen Universität in Almaty. / Marcus-Andreas Mohr, n-ost

Die Universität war als kleine private Initiative zweier Deutscher und einer Kasachin gegründet worden. Die Initiatoren hatten sich viel vorgenommen: Ohne deutsche Unterstützung sollte Hochschulausbildung auf höchstem Niveau angeboten werden. Hohe Mieten und ständiger Geldmangel prägten die Anfangszeit des Unternehmens DKU. "Die ersten Jahre hier waren eine Durststrecke, jetzt sieht es freundlicher aus", freut sich Bodo Lochmann, der seit 2005 Rektor der Universität ist. Inzwischen wird an der Universität richtig durchgestartet: Bis 2010 sollen mehrere Millionen Euro in die Universität fließen, ein "Export innovativer Studiengänge" ist geplant.

Im Januar dieses Jahres hatten der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew und Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einem Gipfel in Berlin den Willen zur weiteren Entwicklung der DKU in einer gemeinsamen politischen Erklärung bekundet. Nach einer Evaluierung der DKU durch den DAAD im Juli 2006 begann die deutsche Seite, das deutsch-kasachische Hochschulprojekt zu fördern. "Die DKU soll einen speziellen internationalen Status bekommen und kann ihre Studiengänge eigenständig nach europäischem Vorbild gestalten. Die kasachische Seite erwartet im Gegenzug die Ergänzung der bisherigen Studiengänge (Finanzen, Marketing, Management, Politikwissenschaften) um ingenieurtechnische und wirtschaftsingenieurorientierte Studiengänge", erklärt Lochmann.

Er beschreibt die Vorteile des Projektes: Die vom deutschen Steuerzahler bereitgestellten Mittel würden gut angelegt, schließlich gehöre das Land und die Region Mittelasien zu den aufstrebenden Wirtschaften der Welt. Hier eröffneten sich nicht nur neue Export- sondern auch Beteiligungsmöglichkeiten an vielen strategischen Projekten im Energiesektor. Bereits jetzt könnten sich Studenten aus ganz Zentralasien für ein Studium an der DKU bewerben.

"Mit den Bewerberzahlen sind wir noch nicht zufrieden", sagt Lochmann. Viele Bewerber stoße es ab, dass sie neben dem Pflichtfach Englisch auch noch Deutsch lernen und in der zweiten Fremdsprache Leistungen erbringen müssten. Auch sei die technische Ausstattung im Moment  noch ungenügend. Das soll sich jetzt ändern: Mit dem Geld aus Deutschland wird auch neue Technik finanziert, erklärt Lochmann die Pläne. E-Learning, das computergestützte Lernen übers Internet, mehr Vorlesungen von deutschen Gastlehrkräften und praxisnaher Unterricht sollen unter anderem den zukünftigen Studenten angeboten werden.

"260 Lernende hat die DKU jetzt, wir wollen die Zahl der Studenten auf bis zu 1000 erhöhen und eine Elite-Uni, aber keine Massenuni werden", sagt der Rektor aus Sachsen. Deutsche Qualität steht bei der DKU-Ausbildung im Vordergrund. Anfang der 90er war das kasachische Bildungssystem weitgehend privatisiert worden. "Viele Unis hier sind Melkkühe, das Geldverdienen steht im Vordergrund, die Qualität der Lehre ist zweitrangig", so Lochmann. Am Anfang wollte man ohne deutsche Unterstützung hochwertige Ausbildung in Kasachstan bieten. "Die Region hat eine große Zukunft wegen der Energieressourcen und den vielen jungen Leuten", so Lochmann, der seit fast zehn Jahren in Kasachstan lebt. Bildungsförderung bedeute ja auch immer Wirtschaftsförderung.

Als "Leuchtturmprojekt" will Joachim von Marschall vom Auswärtigen Amt das DKU-Projekt verstanden wissen. "Studenten aus den Ländern Zentralasiens sollen moderne, in der ganzen Region nachgefragte Lehrinhalte vermittelt bekommen", erklärt der Diplomat. "Hierdurch leisten wir einen unmittelbaren Beitrag zur dringend notwendigen Ausbildung von Fachkräften und demonstrieren gemeinsam das Funktionieren einer echten interkulturellen Lehreinrichtung", so von Marschall. Die Bemühungen seien Teil der Zentralasienstrategie und des Wunsches der EU, im Bildungsbereich enger mit den zentralasiatischen Staaten zusammen zu arbeiten.

Der DAAD, Hauptförderer der Neuentwicklungen an der DKU, will die Hochschule konkurrenzfähig und attraktiv machen: "Die DKU soll für deutsche Qualität in der Hochschulausbildung, eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis in der Ausbildung und eine enge Zusammenarbeit mit der deutschen und kasachischen Wirtschaft stehen", so Brisch vom DAAD. Kasachstan im Gegenzug sei an modernem Bildungs-Know-How interessiert. Die zukünftigen Absolventen der DKU werden deshalb einen Doppelabschluss, ein kasachisches und ein deutsches Diplom, erhalten.

An der DKU wird alles für den Neustart vorbereitet: Nachfolger von Lochmann, der zurück nach Deutschland geht, ist Prof. Johann W. Gerlach, ehemaliger Präsident der Freien Universität Berlin. Gerlach will vor allem die Dozenten weiterbilden, um die Qualität der Ausbildung zu erhöhen. "Die Lehre ist in den nächsten Jahren das A und O, dazu zähle ich ausdrücklich auch die wissenschaftliche Weiterbildung der Lehrkräfte", so Gerlach. Ein Problem sieht er in der Bezahlung des Lehrpersonals: "Es ist ein Elend, wie in fast allen Transformationsstaaten, die von der Zukunft träumen, die Grundlage dafür in Form von Lehrkräften an Schulen wie Hochschulen vernachlässigt wird. Wenn die guten Leute gehen, weil sie zuwenig verdienen, ist das eine tödliche Spirale für das Land", meint der Deutsche. Sein Ziel sei es, die DKU weiter zu stabilisieren und ihre Attraktivität für Studenten zu erhöhen.


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