Georgischer Falke als russischer Fernsehstar
In der Nacht auf Freitag verhaftete die georgische Polizei den ehemaligen Verteidigungsminister Irakli Okruaschwili. Der 33jährige, der Anfang der Woche die Oppositionspartei "Für ein einiges Georgien" aus der Taufe gehoben hatte, wurde direkt in der Parteizentrale verhaftet. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Geldwäsche und Korruption vor.
Der Boden wurde heiß
Für Okruaschwili war der Boden in Georgien in den letzten Tagen heiß geworden. Bereits in den letzten Tagen waren mehrere Personen aus dem Umfeld Okruaschwilis ebenfalls wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet worden, unter ihnen der Pressesprecher des georgischen Präsidenten, Dmitri Kitoschwili. Bei dem Korruptionsfall geht es um eine Mobilfunk-Firma, die erpresst worden sein soll. Auch Ex-Verteidigungsminister Okruaschwili soll in den Fall verwickelt sein."
Wie Rafik Hariri in die Luft sprengen "Offenbar unter dem Druck der Ermittlungen ging Okruaschwili mit Mordvorwürfen gegen Präsident Saakaschwili an die Öffentlichkeit. In einer einstündigen Fernseh-Talk-Show des Privatsenders "Imedi" berichtete Okruaschwili ausführlich über Korruption und angebliche Mord-Pläne des georgischen Präsidenten. Der TV-Sender gehört dem einflussreichen georgischen Geschäftsmann Badri Patarkatsischwili, ein Freund des in London lebenden russischen Oligarchen Boris Beresowski. Angeblich wollte der georgische Präsident den ungeliebten Geschäftsmann umbringen lassen, "wie Rafik Hariri", der ehemalige libanesische Ministerpräsident, dessen Auto in die Luft gesprengt wurde. Von seinem Mord-Plan - so der ehemalige Verteidigungsminister - habe der georgische Präsident erst abgelassen, nachdem er (Okruaschwili) "die Amerikaner" über das Vorhaben informiert habe.Doch damit nicht genug. Okruaschwili deutete an, dass der georgische Präsident auch hinter dem Tod des georgischen Ministerpräsidenten Surab Swanija steckt.
Der Premier war im Februar 2005 angeblich an einer Gasvergiftung gestorben. "Er starb nicht in der Wohnung, wo man ihn fand", erklärte Okruaschwili. Mehr wollte der ehemalige Verteidigungsminister nicht verraten.
Saakaschwili schweigt
Der georgische Präsident Michail Saakaschwili schweigt bis heute zu den Vorwürfen seines ehemaligen Beraters Irakli Okruaschwili. Für den Präsidenten sprang der Fraktionsführer der Präsidentenpartei "Einige nationale Bewegung", Giga Bokerija, in die Bresche.
Die Äußerungen des Ex-Verteidigungsministers brauche man "nicht ernst zu nehmen", so Bokerija. Da habe jemand die "Fassung verloren", weil es "gegen seinen Clan" Korruptions-Ermittlungen gibt.
Moskau atmet auf
Im russischen Fernsehen wurde der ehemalige georgische Verteidigungsminister Okruaschwili über Nacht zum Fernsehstar. Dass der ungeliebte georgische Präsident, der mit seiner Rosenrevolution den Reigen der bunten Volksbewegungen eingeleitet hatte, nun in Bedrängnis ist, kommt dem Kreml gelegen, selbst wenn die Vorwürfe von einem Politiker kommen, der einen noch härteren Ton gegenüber Russland anschlägt als Saakaschwili. Die "Nesawisimaja Gaseta" kommentierte vieldeutig, die Attacke auf Saakaschwili sei "nützlich und gefährlich" zugleich.
Moskau und Tiflis sind miteinander fertig. Mal ist es eine russische Rakete, die angeblich in Georgien niedergegangen ist, mal sind es ausgemusterte russische Offiziere, die von georgischen Sicherheitskräften in Abchasien gestellt und getötet werden. Die Zwischenfälle und gegenseitigen Vorwürfe nehmen kein Ende. Moskau kann nun aufatmen, denn das Image Georgiens ist durch die Vorwürfe des Ex-Verteidigungsministers schwer angeschlagen. Der Leiter des Auswärtiges Ausschusses der Duma, Konstantin Kosatschow, forderte dann auch prompt, die Vorwürfe Okruaschwilis müssten in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates zur Sprache kommen.
Streit um Süd-OssetienDie Freundschaft zwischen dem georgischen Präsidenten und seinem ehemaligen Verteidigungsminister ist schon seit längerem zerbrochen. Okruaschwili, der in der abtrünnigen georgischen Provinz Süd-Ossetien geboren wurde, hatte dem georgischen Präsidenten "Feigheit" vorgeworfen. Saakaschwili sei 2006 "im letzten Moment" vor einer militärischen Wiedereroberung der von Tiflis abgefallenen Provinz Süd-Ossetien zurückgeschreckt. Es habe einen Plan gegeben, wie man die Provinz "unter minimalen Verlusten" habe zurückgewinnen können. Das Neujahrsfest 2007 wollte Okruaschwili schon in Süd-Ossetien feiern. Doch dazu kam es nicht. Am 11. November 2006 wurde Okruaschwili vom georgischen Präsidenten entlassen. Das hat der Heißsporn seinem Präsidenten nie verziehen.
Der verhaftete Okruaschwili gilt nach dem Präsidenten als der populärste Politiker Georgiens. Er hätte das Charisma und offenbar auch das Geld, um Saakaschwili bei den Präsidentschaftswahlen 2008 vom Thron zu stürzen.