Tiki-Taka für Polens Fußball-Nachwuchs
„Die Jungs sollen später überall in Europa spielen: in Spanien, in England oder auch in Deutschland“, freut sich Wiesław Wilczyński. Der 55-jährige Sportdirektor der Stadt hat als Funktionär schon viele Ämter in Polen geführt – unter anderem das des stellvertretenden Sportministers.
Nun erzählt Wilczynski stolz von seinem neuesten Projekt, das bisher einzigartig ist in Polen: Kein geringerer als der FC Barcelona wählt bis Freitag (28. Oktober) in Warschau für seine neue Fußballschule die ersten 600 bis 700 Nachwuchsspieler im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren aus. „Wir hätten auch 1.500 Kinder auswählen können, weil die Nachfrage so groß war“, sagt der Sportdirektor. Allerdings hätten viele Bewerber nicht den Anforderungen genügt.
Die „FCB Escola Varsovia“ ist die erste ihrer Art, die der Großverein in Europa außerhalb Spaniens betreibt. Ähnliche Trainingsstätten unterhält der Verein bereits in Japan, Ägypten und Peru. „Von dieser Schule kann das ganze Land profitieren, weil der polnische Fußball dadurch mehr internationale Aufmerksamkeit erhält“, hofft Wilczyński ein Jahr vor der EURO 2012, die in Polen und der Ukraine ausgetragen wird.
Allerdings gibt es ein Problem: Die Spanier stellen zwar ihre Trainingspläne zur Verfügung und haben die polnischen Trainer geschult. In den eigentlichen Betrieb der Schule investieren sie aber nichts. „Wir befinden uns derzeit in Gesprächen mit möglichen Sponsoren“, erklärt Wilczyński ausweichend und hofft, dass sich die Geldgeber des spanischen Edelklubs wie Turkish Airlines oder Nike bereit erklären, auch die Schule in Warschau zu unterstützen.
Das Konzept der Fußballschule, für die die Eltern 190 Zloty (rund 40 Euro) pro Monat bezahlen müssen, beruht darauf, dass die Kinder weiterhin zuhause zur Schule gehen und bei ihren Eltern wohnen. Während der Woche trainieren sie in vier Zentren, die der Stadt gehören und über ganz Warschau verteilt sind. „Junge Leute in diesem Alter sollten in keinem Fall aus ihrem persönlichen Umfeld gerissen werden“, erläutert Wilczyński, der sich strikt gegen die „Kasernierung“ von Kindern wehrt, wie sie normalerweise in Polen bei der Sportlerausbildung üblich ist.
Die Trainingsmethoden von Barcelona sind weltberühmt. Die Schüler werden im sogenannten Tiki-Taka-Spiel unterwiesen. Das bedeutet gezieltes Kurz- und Langpassspiel, bei dem der Gegner dem Ball nur hinterherlaufen kann. Die Kinder sollen spielerisch Fußball erlernen, auf Ausdauer und Kraftübungen wird dabei weitgehend verzichtet.
Mit diesem Konzept hat die Fußballschule aus Barcelona Stars wie den Argentinier Lionel Messi oder den Spanier Xavi Hernandez hervorgebracht, die Coach Josep Guardiola in den vergangenen drei Jahren zu zwölf Titeln geführt hat. Gleich drei Spieler des Klubs – Lionel Messi, Andres Iniesta und Xavi Hernandez – wurden als die drei Erstplatzierten mit dem „Ballon d‘Or“ als Weltfußballspieler des Jahres 2010 ausgezeichnet.
Doch nicht nur sportlich, auch wirtschaftlich läuft es bei den Spaniern rund. Der Klub hat in der vergangenen Saison einen Umsatz von 398,1 Millionen Euro erzielt und liegt damit weltweit auf dem zweiten Platz – hinter dem ewigen Rivalen Real Madrid (438,6 Millionen Euro).
Über die neue Fußballschule im EM-Land Polen will Barcelona seine Marke auch in Osteuropa verbreiten, wo es für den Klub noch keine so starke Konkurrenz gibt wie in anderen westlichen Ländern. „Polen ist außerdem das europäische Land mit den meisten Barcelona-Fans außerhalb Spaniens”, sagte der Chef der Schule, Xevi Marcé, bei der Eröffnung im September.
Während die polnische Nationalelf derzeit in der Fifa-Rangliste nur auf dem 65. Platz liegt und damit zweitklassig ist, spielen viele Polen im Ausland in europäischen Spitzenklubs. Das Potenzial ist demnach vorhanden, allerdings nie richtig gefördert worden.
„Die Spanier geben uns sehr viel, weil sie uns ihr sportliches Wissen und ihre Marke überlassen“, sagt Wilczyński. Die polnischen Trainer arbeiten erst einmal ehrenamtlich. Dass sie die Kenntnisse des Nobel-Klubs nutzen können, ist für sie offenbar schon Lohn genug.