Deutsche Wirtschaftshilfe für EM 2012
Ein bisschen deplaziert wirkt Bernd von Ehren, eine hanseatisch elegante Erscheinung, im Marmorfoyer des Kiewer "Haus des Fußballs", zwischen all den Pokalen und Fußballer-Fotos aus der glorreichen ukrainischen Fußballgeschichte. Doch der Mann im senfgelben Sakko bringt handfeste Fußball-Erfahrung mit: Seine Hamburger Baumschule begrünte die WM-Arenen in München und Hamburg. Nun sucht Mittelständler von Ehren Kontakt zu den Ausrichtern der EM 2012. Er möchte auch die ukrainischen Stadien mit Hamburger Bäumen verschönern.
Im Konferenzsaal des ukrainischen Fußballverbandes referieren an diesem Vormittag Vertreter der EM-Austragungsstädte über den Stand der Vorbereitungen. Eingeladen hat die Delegation der deutschen Wirtschaft in der Ukraine, gewissermaßen die "Auslandsabteilung" der Industrie- und Handelskammern. Gekommen sind deutsche Architekten, Anwälte, Projektplaner und Bauunternehmer. Die meisten mit frischem Know-How von der Organisation des deutschen WM-Märchens. Der Präsident des ukrainischen Fußballverbandes, Grigoriy Surkis, ist wild entschlossen, sein Land mit der EM näher nach Europa zu bringen. 85 Prozent seiner Landsleute stünden dem Ereignis schon heute positiv gegenüber. "Und wir stehen erst am Start. Die richtige Euphorie kommt, wenn wir loslegen", glaubt Surkis. Der Tatendrang der Ukrainer macht schon jetzt beinahe schwindelig: bunte Powerpoint-Präsentationen fliegen über die Leinwand, die Übersetzer kommen kaum nach. Viele der Stadien, die der Hamburger Pflanzenhändler von Ehren begrünen will, müssen erst noch neu- oder umgebaut werden. Ebenso moderne Flughäfen, Bahnhöfe, Straßen, Hotels, Wohn- und Geschäftsviertel. Viereinhalb Jahre bleiben Kiew und Donetsk, Dnipopetrovsk und Lviv/Lemberg. Auch die beiden "Reservestädte" Odessa und Charkiv bereiten sich auf die erwarteten Fan- und Touristenströme vor.
"Europa zu Gast in der Ukraine"? - noch ist vieles offen: wie sollen die riesigen Entfernungen in Europas größtem Flächenstaat überbrückt werden? Noch landet kein Billigflieger aus dem Westen, kommen Touristen mit Englisch nicht weit. Noch fehlt ein detailliertes Umsetzungskonzept, fehlen handfeste Ideen für die Vermarktung und Fachleute mit Management-Erfahrung. Unklar ist auch, wie Regionen und Zentralregierung ihre Kompetenzen aufteilen, wer die Zügel in der Hand halten wird. Doch Fußballpräsident Surkis gibt sich zuversichtlich: "Über uns Ukrainer sagt man: Wir fangen langsam an, aber dann fahren wir ein schnelles Rennen". 18,7 Milliarden Euro werden die Investitionen für das gut dreiwöchige Fußballfest nach vorsichtigen Schätzungen verschlingen. Eine gewaltige Summe. Drei Viertel des Geldes sollen deshalb private Unternehmen aufbringen. Auch Firmen aus Deutschland. Uwe Krumm von der Unternehmensberatung Roland Berger, hält dieses Ziel für erreichbar. Denn während die politische Ukraine gut zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in der Dauerkrise steckt, liegt das Wirtschaftswachstum stabil bei 5 bis 6 Prozent. Sparten wie die Stahlindustrie, Tourismus und Handel entwickeln sich äußerst dynamisch "Durch die EM wird es weiteren Aufschwung geben und ich glaube dass dadurch ein neues Feld deutscher Investitionen in die Ukraine aufgeschlossen wird", glaubt Krumm.
Doch noch zu oft bremsen Bürokratie und Korruption das wirtschaftliche Engagement. Architekt Karsten Fiebiger aus Kaiserslautern, hat das bei seinem jüngsten Projekt, einem Hotelbau in der Hauptstadt Kiew, gerade wieder erlebt. 137 Unterschriften habe er für die Baugenehmigung von ukrainischen Behörden holen müssen, klagt Fiebiger in der Kaffeepause. Ein Jahr habe das gedauert. Wenn die EM ein Erfolg werden soll, müssten die Genehmigungswege im Land kürzer werden. "Sonst kriegt die Ukraine die gleichen Zeitprobleme wie WM-Ausrichter Südafrika", prophezeit Fiebiger.
Den Wunsch nach kurzen Genehmigungs-Wegen, mehr Transparenz und Planungssicherheit hätten die deutschen Unternehmer gerne direkt an die ukrainischen Regierungsmitglieder weitergegeben. Doch die verantwortlichen Minister hatten nur ihre Stellvertreter zu dem Fußballgipfel entsandt. Die immerhin signalisierten, sie hätten das Anliegen verstanden. Soviel scheint sicher: Die Ukrainer wollen diese einmalige Chance, ihr Land in ein besseres Licht zu stellen, auf keinen Fall verpatzen. Und so bleibt die Hoffnung, dass die Doppel-EM mit Polen ein Motor für weitere Reformen in der Ukraine sein könnte. Noch 1729 Tage bis zum Eröffnungsspiel.