Montenegro

Russen erobern montenegrinische Strände

Der Tourismus in Montenegro boomt wie nie zuvor, vor allem an den 73 Kilometer langen Badestränden entlang der Adria. Besonders Gäste aus Russland haben die Küste des jüngsten Staates der Welt für sich entdeckt und kommen in Scharen - zum Urlaub, aber auch zum Immobilienkauf.

Die "Budvanska Rivijera" genannten Sand- und Kiesstrände rund um das malerische Küstenstädtchen Budva sind das Herzstück des montenegrinischen Tourismus. Etwa 100.000 Sonnenhungrige bevölkern derzeit die Gemeinde, in der sonst gerade mal 20.000 Menschen leben. Etwa die Hälfte der Gäste kommt aus Serbien. Für sie ist Budva seit jeher die Sommerurlaubs-Destination schlechthin. Bei den Touristen, die nicht aus dem ehemaligen Jugoslawien stammen, halten seit letztem Jahr die Russen die Spitzenposition: 2006 ging über ein Fünftel der insgesamt knapp 2,2 Millionen Übernachtungen auf das Konto von Gästen aus Russland, gefolgt von der Tschechischen Republik (10 Prozent) und Deutschland (6,5 Prozent). An der Budvanska Rivijera, dem Hauptziel der Touristen aus Russland, ist Russisch am Strand, auf der Straße und in den Restaurants allgegenwärtig. Ausflüge zu den historischen Sehenswürdigkeiten und Klöstern Montenegros werden genauso in russischer Sprache angeboten wie ein anderes Objekt der Begierde: Immobilien.

Lokale Experten schätzen, dass bislang 70 bis 80 Prozent der in der Gemeinde Budva verkauften Immobilien und Grundstücke an Käufer aus Russland - vor allem aus Moskau - gingen. Offizielle Informationen gibt es nicht, denn im Grundbuch sind weder die Namen noch die Staatsangehörigkeit der Käufer eingetragen. Entlang der montenegrinischen Küste liegt der Quadratmeterpreis für neue Appartements derzeit bei etwa 2500 bis 3000 Euro und damit 20 bis 30 Prozent höher als im Vorjahr.

In der Altstadt von Budva werden aber gut und gerne 10.000 Euro verlangt. "Der Boom im Immobiliensektor wird noch lange anhalten", ist sich Helen Moyles von der Immobilienagentur Dreammontenegro aus Kotor sicher. 52 Prozent der in Montenegro in der ersten Hälfte 2007 getätigten ausländischen Direktinvestitionen von insgesamt 488 Millionen Euro waren nach Angaben der montenegrinischen Zentralbank mit dem Immobilienhandel verbunden. In Budva, so heißt es, seien in den letzten Jahren mindestens 200 Einwohner durch den Verkauf ihrer Grundstücke oder Häuser zu Millionären geworden. Gleichzeitig beklagen aber immer mehr Montenegriner den "Ausverkauf ihrer Heimat".Dem Vernehmen nach sollen sich auch ein paar russische Superreiche einen Platz an der montenegrinischen Sonne gesichert haben. Am häufigsten werden dabei die Namen der beiden russischen Milliardäre Roman Abramowitsch und Oleg Deripaska sowie des Moskauer Bürgermeisters Jurij Luschkow genannt.

Dessen Ehefrau sei zudem die Mehrheitseignerin eines der besten Fünf-Sterne-Hotels des Landes, des "Splendid" in Becici. Das nagelneue Luxusressort östlich von Budva war zwar nicht Drehort, aber immerhin Namensgeber für das gleichnamige montenegrinische Hotel im jüngsten James-Bond-Streifen "Casino Royale". Nicht weit davon entfernt, am Hang über der Hotelinsel Sveti Stefan, entstehen derzeit mit russischem Geld 30 Luxusvillen - mit atemberaubender Aussicht auf die Adria. Die "Rusko Selo" (russisches Dorf) genannte Anlage und das "Splendid" sind aber nur zwei Beispiele für zunehmende russische Investitionen im montenegrinischen Tourismus-Sektor.


Russische Werbetafel in Budvar / Norbert Rütsche, n-ost

Doch warum wollen so viele Russen - bescheidene Pauschalurlauber gleichermaßen wie die High Society - ihren Urlaub ausgerechnet in der 650.000-Einwohner-Republik Montenegro verbringen? "Die Russen und wir sind Slawen und orthodoxe Christen, das verbindet uns", ist ein örtlicher Reiseleiter an der Uferpromenade von Budva felsenfest überzeugt. Doch ein junges Paar aus Moskau sieht dies weniger pathetisch und meint: "Wir waren schon in der Türkei und in Ägypten, jetzt wollten wir mal etwas anderes sehen." Auch Olga Petricevic vom privaten "Russischen Informationszentrum" in Budva bestätigt, dass Montenegro in Russland gerade deshalb in sei, weil es sich um eine neue Destination handle. Dazu komme, dass russische Touristen kein Visum benötigten.

"Es ist eben ganz einfach, hierher zu fliegen", meint die seit Jahren in Montenegro lebende Russin.Für den Reiseunternehmer und Hotelier Branko Diki Kazanegra, Präsident des montenegrinischen Tourismusverbandes, ist die visumsfreie Einreise gar der Hauptgrund, warum es Russen in Scharen an die Budvanska Rivijera zieht: "Wenn sie kein Visum für die EU bräuchten, wären mehr Russen am Wörthersee als in ganz Montenegro." Obwohl sein Hotel derzeit zur Hälfte mit russischen Touristen belegt ist, warnt Kazanegra davor, zu einseitig auf Gäste aus Russland zu setzen. "Ich glaube, Montenegro ist für russische Urlauber eher eine Modeerscheinung." Deutsche Gäste dagegen seien im Allgemeinen sehr treu.

Zudem sei es ganz generell nicht gut für eine Tourismusdestination, wenn Urlauber aus einem einzigen Land dominierten. "Ich habe ein wenig Angst", so Kazanegra, "dass es in Budva bald nur noch nach Borschtsch riecht und nach Kalinka klingt."Die Zahl der russischen Urlauber hat seit dem Jahr 2000 jährlich um rund 50 Prozent zugenommen. Die staatliche montenegrinische Tourismus-Organisation (NTO) sieht einen Hauptgrund dafür in der gezielten Arbeit einer Handvoll großer russischer Pauschalreiseveranstalter. Dank der russischen Gäste, so NTO-Managerin Danica Ceranic, habe Montenegro die Touristensaison an der Küste erheblich ausdehnen können, von Anfang März bis Ende Oktober: "Die Russen schwimmen auch dann im Meer, wenn es für uns und die Westeuropäer viel zu kalt ist."

Für die künftige Vermarktung Montenegros konzentriere man sich vor allem auf West- und Nordeuropa. Experten sehen ein großes Potential, gerade Touristen aus diesen Ländern vermehrt für das gebirgige Hinterland Montenegros mit seinen einzigartigen Naturschutzgebieten, Flüssen, Canyons und Bergseen zu begeistern.Zudem will Montenegro in Zukunft mehr auf Tourismus für Wohlhabende setzen. "Wir sind zu klein, um eine billige Destination für alle zu sein", erklärt die stellvertretende NTO-Direktorin Maja Lijesevic. Seit 2004 hat die Zahl der Übernachtungen ausländischer Gäste in Montenegro jährlich um 30 bis 40 Prozent zugenommen. Mittlerweile stößt die Infrastruktur an ihre Kapazitätsgrenzen, was sich im Sommer durch zunehmende Verkehrsstaus sowie Probleme in der Strom- und Wasserversorgung bemerkbar macht. Kläranlagen kennt das Land bislang überhaupt nicht. Montenegro tut gut daran, seinen Tourismus mit einem nachhaltigen Konzept weiterzuentwickeln, ist er doch das Zugpferd der montenegrinischen Wirtschaft. 2007, so die Erwartungen, werden durch den Tourismus 411 Millionen Euro (22 Prozent mehr als im Vorjahr) erwirtschaftet, ein Fünftel des gesamten Bruttoinlandproduktes von Montenegro.


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