Slowaken wollen den Euro
Charme-Offensive soll EU-Kommission und Europäische Zentralbank überzeugenBratislava (n-ost) - Die Slowakei will in den kommenden Monaten auf europäischer Ebene offensiv für einen Beitritt zur Euro-Zone Anfang 2009 werben. Grund ist die Skepsis, die sich in Brüssel und Frankfurt gegen das junge EU-Mitgliedsland regt. Wie aus Berichten des slowakischen Finanzministeriums hervorgeht, will die Slowakei auf sämtlichen Ebenen Verhandlungsgruppen einrichten, um die europäischen Partner von der Euro-Reife des Tatra-Landes zu überzeugen. Auf höchster Ebene besteht das Team aus Premierminister Robert Fico, Finanzminister Ján Pociatek, Außenminister Ján Kubiš und Zentralbankgouverneur Ivan Šramko.
Dabei müssen vor allem diejenigen Institutionen überzeugt werden, die über eine Euro-Einführung beschließen: die Europäische Zentralbank (EZB) und die Europäische Kommission. Beide entscheiden im Juli kommenden Jahres, ob die Slowakei die Kriterien für eine Einführung des Euro erfüllt.
Grund für die Charme-Offensive ist ein Bericht des slowakischen Außenministeriums, in dem Vorbehalte vor allem seitens der EZB aufgelistet werden. So hatte die EZB im Juni gegenüber dem Internationalen Währungsfonds den Verdacht geäußert, die relativ niedrige Inflation in der Slowakei könne durch Druck auf die Energieversorger entstanden sein, bis zur Euro-Einführung nicht an der Preisschraube zu drehen. In der Tat hatte Premier Fico im vergangenen und auch in diesem Jahr nicht nur Stimmung gegen die Energieversorger, sondern generell gegen Monopole wegen zu starker Preiserhöhungen gemacht. Daraufhin hatten vor allem Gas- und Stromversorger ihre Preise im vergangenen Jahr nur moderat erhöht. Insgesamt zeigte sich die EZB skeptisch, dass die Erfüllung der Maastricht-Kriterien in der Slowakei von langfristiger Natur sei, und kündigte an, auch diese Sicht in die Bewertung der Slowakei im kommenden Jahr einzubeziehen.
Daraufhin teilte EZB-Präsident Jean-Claude Trichet Anfang Juli der Slowakei mit, dass sie ein "sehr, sehr aktives Konvergenzprogramm" brauche, um ihre Fortschritte für eine Euro-Einführung am 1. Januar 2009 glaubhaft zu machen. Währungskommissar Joaquin Almunia zeigte sich zwar Mitte Juli mit dem derzeitigen Stand der Vorbereitungen zufrieden, verlangte von der Slowakei jedoch weitere harte Arbeit bei der Erfüllung und nachhaltigen Einhaltung der Beitrittskriterien.
Die nun beschlossene diplomatische Offensive zeigt, dass das Regierungslager nach monatelangem Optimismus langsam nervös wird. Bisher ging Bratislava davon aus, die Maastricht-Kriterien problemlos zu erfüllen. Und tatsächlich hätte die Regierung allen Grund zur Zufriedenheit, da sie schon jetzt zwei von fünf Kriterien erfüllt: die Schulden der öffentlichen Hand liegen deutlich unter der Marke von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP), und das durchschnittliche Zinsniveau bewegt sich mit 4,52 Prozent ebenfalls unter der Obergrenze von 6,05 Prozent. In diesem Jahr wird zudem das Haushaltsdefizit mit 2,9 Prozent des BIP erstmals unter die Drei-Prozent-Grenze fallen, und auch das Sorgenkind der letzten Jahre, die Inflation, bewegte sich im Juli nur noch um 0,1 Prozentpunkte über dem erlaubten Wert. Seit November 2005 ist die Slowakei zudem Mitglied im europäischen Wechselkursmechanismus ERM-2, in dem sich die Slowakische Krone im Vergleich zum Euro nur in einem vorgeschrieben Schwankungsrahmen von maximal 15 Prozent nach oben oder unten bewegen darf. Nachdem die EZB im März dieses Jahres einer Aufwertung des Mittelkurses um 8,5 Prozent auf 35,4424 Slowakische Kronen für einen Euro zugestimmt hat, dürfte auch der Erfüllung dieses Kriteriums nichts mehr im Weg stehen.
Dennoch scheinen die reinen Zahlen nicht mehr auszureichen und werfen einmal mehr die Frage nach Sinn und Unsinn der strikten Einhaltung der vorgegebenen Parameter auf. Dazu kommt, dass jeder Staat Mittel- und Osteuropas derzeit mit einer gesteigerten Müdigkeit der Mitglieder des Euro-Raums zu kämpfen hat, neuen Staaten den Zugang zu gewähren, als müsse dieser letzte verbliebene Kreis "alter Europäer" so lange wie möglich geschützt werden, zumal auch innerhalb der Euro-Zone der Wille zur Einhaltung der Kriterien nur partiell ausgeprägt ist.Während Slowenien als kleines und direkt an der Grenze der Euro-Länder Italien und Österreich gelegenes Land noch akzeptiert wurde, hat es die Slowakei ungleich schwerer: Überwiegend von Staaten umgeben, die von einer Euro-Einführung noch meilenweit entfernt sind, wird dem Musterschüler der letzten Jahre mehr Skepsis als Vertrauen entgegengebracht.
Immerhin zeigt die slowakische Führung nun, dass das Land zu einer schnellen Reaktion in der Lage ist. Das liegt sicherlich an dem agilen Finanzminister Ján Pociatek, der bislang einen guten Job gemacht hat, auch wenn dies die Opposition naturgemäß anders sieht. Der Vorgänger von Pociatek und Vater des heutigen slowakischen Wirtschaftswunders, Ivan Mikloš, kritisierte denn auch den neuen Aktionsplan als nicht ausreichend: "Die Kommunikation gegenüber den europäischen Institutionen ist in der Tat schlecht. Aber wenn Premier Fico meint, dass mit Verbesserungen auf diesem Gebiet alles gerettet ist, irrt er sich." Seiner Ansicht nach macht die Regierung Fehler bei der Erfüllung der Maastricht-Kriterien, indem sie zum Beispiel die Energiepreise reguliert und damit den Sprengsatz für spätere hohe Preiserhöhungen legt beziehungsweise indem sie jetzige Sparvorhaben mit dem Versprechen auf spätere Ausgabeerhöhungen durchsetzt. Es ist Mikloš nicht zu verdenken, dass er der Regierung grollt, da sie nun die Früchte seiner Arbeit erntet. Und in der Tat schwankt die Regierung immer wieder zwischen der Beibehaltung des von ihren Vorgängern eingeschlagenen Weges und der Umsetzung der eigenen Wahlversprechen. Dies war etwa bei der Abschwächung der liberalen Gesundheitsreform oder bei der Rücknahme von Teilen der Mehrwertsteuererhöhung der Fall.
Vor den Wahlen im letzten Jahr hatte Fico die sofortige Rücknahme der liberalen Reformen der letzten Jahre angekündigt. Die von Ficos Sozialdemokraten so angegriffenen Reformen sind jedoch zu großen Teilen für die derzeitige Prosperität im Land verantwortlich und ihre komplette Rücknahme gilt als sehr unpopulär. Daher hat sich der für Volkes Stimme sehr sensible Fico für einen überraschenden Kurswechsel entschieden. Trotz einiger Änderungen blieben die Reformen in ihrem Kern unangetastet.
Es steht zu erwarten, dass Fico diesen Kurs bis zum Ende der Legislaturperiode 2010 nicht grundlegend verlassen wird. Wirtschaftspolitisch kann die Regierung bis zur Euro-Einführung ohnehin nicht mehr viel falsch machen. Darum will das Kabinett Fico in den kommenden Monaten Kommission und EZB überzeugen, dass das Land auch langfristig in der Lage ist, die Euro-Kriterien zu erfüllen, und dies in das Zentrum ihrer Argumentation rücken. Dabei kann es nicht schaden, wenn diese durch Taten wie einen ambitionierten Staatshaushalt 2008 unterfüttert wird. Von der aktiven positiven Argumentation hängt letztendlich ab, ob die Slowaken 2009 mit dem Euro zahlen dürfen, oder ob die Slowakei zum ersten Land wird, dem der Euro verweigert wird, obwohl es die Konvergenzkriterien erfüllt hat.ENDE
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