Kroatien

Kroatiens Jahrhundertprojekt

600 Millionen Euro sind für das Großprojekt eingeplant, das der kriegsgeschädigten Provinz Slawonien den wirtschaftlichen Aufschwung bescheren soll. Umweltschützer kritisieren, dass durch den Kanal große Flächen trocken gelegt werden und die Zukunft wertvoller Eichenwälder gefährdet sein könnte. Kroatien will sich einen Jahrhunderte alten Traum erfüllen: Den Bau eines 61,4 Kilometer langen Kanals, der von Vukovar an der Donau nach Samac an der Save führen soll. Damit wäre der erste Schritt für die kürzeste Wasserstraße von der Donau an die Adria getan, allein die Strecke von Vukovar nach Samac würde sich um 417 Kilometer verkürzen. Politiker loben das Projekt immer wieder als Kroatiens „New Deal“ oder als „Jahrhundertprojekt“.


Boote auf der Donau / Veronika Wengert, n-ost

Forstwissenschaftler und Umweltschützer schlagen jedoch Alarm: Der Kanal könnte wertvolle Eichenwälder und Flussauen in Slawonien zerstören. Eine befürchtete Senkung des Grundwasserspiegels könnte zunächst zur Versumpfung, später zum Austrocknen von 60.000 Hektar Waldfläche führen - eine ökologische Katastrophe. Hier im Osten Kroatiens sind zudem seltene Tierarten wie Schwarzstorch, Sumpfschildkröte, Biber oder Fischotter zu Hause, deren Lebensbereich zerstört werden könnte. Die Kosten für das Großprojekt sind enorm: 600 Millionen Euro, die sich Kroatien von einer der europäischen Investitionsbanken erhofft. Kritiker sprechen sich allerdings gegen solch eine hohe Verschuldung der EU-Beitrittskandidatin Kroatien aus. Auch der sozialdemokratische Parlamentarier Ivica Pancic findet es einen Irrwitz, da Zagreb parallel dazu den Bau einer Brücke auf die dalmatinische Halbinsel Peljesac plant - ein Projekt, für das weitere 260 Millionen Euro aufgebracht werden müssen. „Das ist Geld, das unser Land beim besten Willen nicht hat“, so Pancic, der die Bürgerinitiative „Nas Dunav“ (Unsere Donau) ins Leben gerufen hat. Das Ganze sei „absolut unrentabel“. Die wenigen Schiffe - durchschnittlich zehn pro Tag schätzen die Kanalplaner - würden in keinem Verhältnis zu den immensen Kosten stehen, sagt Pancic.

Der „Vielzweckkanal Donau-Save“ soll allerdings nicht nur der Schifffahrt dienen, sondern auch die Be- und Entwässerung in der slawonischen Tiefebene regeln. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Nutzfläche müsste dadurch nicht mehr bewässert werden, erklärt Marina Hazuan, Sprecherin des federführenden Ministeriums für Meer, Tourismus, Verkehr und Entwicklung. Entsprechend könnte die Landwirtschaft von Kulturen wie Mais oder Weizen, die wenig Ertrag je Hektar abwerfen, auf Obst- und Gemüseanbau umsteigen. Dass unvorhersehbare Dürren die Ernte künftig vernichten, würde durch den Bewässerungskanal ausscheiden, so die Argumente. Kritik kommt unterdessen auch von deutscher Seite: Die Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) aus Radolfszell weist darauf hin, dass beim Aushub des „Kroatischen Suez-Kanals“ 48 Millionen Kubikmeter Material anfallen würden. Eine Menge, mit der 18 Cheops-Pyramiden gebaut werden könnten oder eine zwei Meter hohe und einen halben Meter breite Mauer einmal um den Äquator, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Kanal würde zudem zu einer Trockenlegung von 173.000 Hektar in der Spacva-Bosut-Niederung führen und damit die Hochwasserschutzfunktion für das Donaueinzugsgebiet gefährden. Gerade im Hinblick auf die dramatischen Hochwässer in den Jahren 2004 und 2006 benötige man jedoch jeden Hektar Speicherraum. Und letztlich seien nicht nur Städte an der Save, sondern auch flussabwärts an der Donau gefährdet, so die Prognose der Stiftung, die sich für den Schutz der Save-Auen einsetzt.

Der Traum vom Donau-Save-Kanal taucht bereits in historischen Quellen von 1737 auf. Allerdings, so heißt es im aktuellen Raumplan, soll es bereits zu römischen Zeiten solch eine Idee gegeben haben. Der Habsburger Kaiser Franz Joseph ließ seinerzeit Bodenproben entnehmen, nach ihm lockte das Projekt noch zahlreiche andere Staatsoberhäupter. Warum bislang nicht mit dem Bau begonnen wurde - ob aus politischen oder finanziellen Gründen - darüber spalten sich die Meinungen in Kroatien. Der ökologische Widerstand im Land ist bislang allerdings eher verhalten.Mit Probegrabungen wurde zuletzt auch kurz vor Ausbruch des jüngsten Bürgerkriegs in Kroatien 1991 begonnen. Damals ahnte noch niemand, dass die Schifffahrt auf der Save in den kommenden sieben Jahren brach liegen würde. Letztlich bekam der Kanal zu dieser Zeit auch eine politische Dimension: Er hätte Zagreb die Möglichkeit geboten, auf dem Wasserweg nach Wien zu gelangen und Belgrad dabei zu umgehen.

Die internationalen Frachtschiffe blieben 1999 erneut aus, als die Nato das unweit gelegene Serbien bombardierte. Zwei Jahre später startete Zagreb einen erneuten Versuch, den Traum vom Donau-Save-Kanal zu verwirklichen: Damals war noch ein Drittel des heute geplanten Investitionsvolumens im Gespräch, optimistisch war von potenziellen deutschen und niederländischen Investoren die Rede, heißt es 2001 in einem Zeitungsartikel in „Vjesnik“. Überhaupt lehnt man sich in Zagreb gerne an Deutschland an: So gilt der Rhein-Main-Donau-Kanal als Vorbild. Und das Interesse Bayerns wird als Beweis für die Notwendigkeit und Machbarkeit des Projekts gesehen. Der Donau-Save-Kanal unterscheide sich allerdings grundlegend von seinem deutschen Vorbild, kritisiert die Stiftung Euronatur, da hier bei niedrigem Wasserstand sogar Wasser in den Kanal gepumpt werden müsste.

Die internationalen Schutzkommissionen von Donau und Save halten sich unterdessen zurück mit Kritik. Zunächst wolle man die offiziellen Ergebnisse der Durchführbarkeitsstudie abwarten, sagt Dejan Komatina, Sekretär der kroatischen Abteilung der Internationalen Save-Kommission. Sollten sich grenzüberschreitende Einflüsse herausstellen, werde man allerdings „sofort eine aktivere Rolle“ einnehmen. In der angrenzenden bosnischen Serbenrepublik Republika Srpska gibt man sich allerdings optimistisch, zumindest in der Wirtschaft. Der notwendige Kanal verspreche eine bessere Anbindung an Westeuropa, heißt es in einem Planungsbericht der Wirtschaftskammer in Banja Luka. Phillip Weller, Leiter der Internationalen Donauschutzkommission in Wien, hofft unterdessen auf die Europäische Union. Kroatien müsse sich als Beitrittskandidatin schließlich an strenge Wasserschutz-Richtlinien halten. Und hier sei das letzte Wort im Hinblick auf den Kanalbau noch nicht gesprochen, so Weller.


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