Kroatien erreicht erstes Wegdrittel
Kroatien ist auf dem Weg zu einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union in den letzten Tagen ein gutes Stück vorangekommen. Am Dienstag eröffneten beide Seiten gleich sechs neue Verhandlungskapitel. Damit sind gegenwärtig zwölf Kapitel für einen EU-Beitritt eröffnet worden, mehr als ein Drittel der insgesamt 35. Zwei davon - "Wissenschaft und Forschung" sowie "Bildung und Kultur" - sind sogar schon abgeschlossen. Der deutsche Außenminister und amtierende Ratsvorsitzende Frank-Walter Steinmeier sprach in Brüssel von einem "Durchbruch", und Erweiterungskommissar Olli Rehn zeigte sich überzeugt, dass Kroatien das eingeschlagene hohe Tempo beibehalten können wird. Die kroatische Außenministerin Kolinda Grabar-Kitarović hofft, die Beitrittsverhandlungen 2008 abschließen zu können. Dann könne Kroatien 2009 der EU beitreten. Als eigentlichen Motor für die weiteren Beitrittsverhandlungen sehen kroatische Kommentatoren jedoch die Einigung auf dem EU-Gipfel in Brüssel vom Wochenende auf einen Fahrplan für die Ratifizierung neuer EU-Grundlagenverträge bis 2009. Damit habe die EU den Schritt vollzogen, der sie für eine Aufnahme Kroatiens in ihren Kreis bereit mache, so die Tageszeitung Vjesnik.
Bisher hatte es immer danach ausgesehen, als ob die EU Kroatien in seinem Tatendrang eher etwas bremse. Erst wurden die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien an die mit der Türkei gekoppelt. Angesichts sich verstärkender Stimmen gegen einen EU-Beitritt der Türkei innerhalb der Gemeinschaft schmeckte das den Kroaten überhaupt nicht. Es war den Finnen zu verdanken, dass sie während ihrer Ratspräsidentschaft die Verhandlungen des Adriastaates von denen mit der Türkei abkoppelten. Aber auch während der deutschen Ratspräsidentschaft zogen sich die Verhandlungen hin. Noch Anfang Juni hatte Außenministerin Grabar-Kitarović in einem Interview das zu langsame Tempo bei den Verhandlungen beklagt. Lediglich Österreich wurde nicht müde, auf die Bedeutung eines baldigen Beitritts Kroatiens hinzuweisen. Auch wenn die Voraussetzungen für Kroatien nun erstmals etwas freundlicher aussehen und ein Beitritt 2009 nicht mehr so unrealistisch erscheint wie noch vor wenigen Wochen, bleibt das Tempo von der Schnelligkeit der EU-Kommission auf der einen Seite und der Bereitschaft Kroatiens zu Reformen auf der anderen Seite abhängig. Diese sind vor allem in der staatlichen Verwaltung und der Justiz von Nöten. Dabei steht und fällt das Bemühen Kroatiens mit dem Erfolg einer umfassenden Bekämpfung der Korruption, so der Zagreber Politologe Stojan de Prato in der Zeitung Večernji list. Hier stehe das Land vor einer großen Herausforderung. Erst wenn Kroatien den aktuellen Korruptionsskandal um gefälschte Privatisierungen und dubiose Immobiliengeschäfte in den Griff bekommt, wird man dem EU-Beitritt einen entscheidenden Schritt näher sein.