Lebendige Erinnerung an Ostpreußen
Polen und Deutsche gedenken der Journalistin Marion Gräfin Dönhoff in ihrer HeimatGalkowo/Masuren (n-ost) - Das alte Jagdhaus aus dunkelbraunem Holz steht auf einer verträumten Lichtung im polnischen Dorf Galkowo in der Nähe von Mikolajki, dem ehemaligen ostpreußischen Nikolaiken. Ein typisch masurisches Landschaftsidyll: rund um das Haus weiden Pferde, in der Ferne sieht man den Waldrand. Im ersten Stock des prächtigen Holzbaus aus dem 19. Jahrhundert befindet sich ein Salon, der einer Journalistenlegende gewidmet ist. Die 2002 im hohen Alter von 93 Jahren verstorbene Marion Gräfin Dönhoff galt als eine der wichtigsten Publizistinnen im Nachkriegsdeutschland, war jahrzehntelang Herausgeberin der "Zeit" und trug einen wichtigen Teil zur deutsch-polnischen Versöhnung bei.
Stanislaw Graf Dönhoff und Renate Marsch-Potocka im Salon
Katarzyna Tuszynska"Das Haus wurde aus Steinort, dem ehemaligen Sitz der Grafen Lehndorff, nach Galkowo verlegt", erzählt Renate Marsch-Potocka, die den Salon betreut. Das Gebäude gehörte zu den Ländereien der deutsch-ostpreußischen Adelsfamilie. 1941 wurde das Schloss der Lehndorffs zum Feldquartier des NS-Außenministers von Ribbentrop. Heinrich Graf von Lehndorff wurde 1944 zum Tode verurteilt, da er sich am stauffenbergschen Attentat auf Hitler beteiligt hatte. Nachdem die Deutschen nach 1945 aus Ostpreußen vertrieben wurden, gingen die Ländereien in den Besitz der Gemeinde Sztynort über. Nach der Wende war das Schloss, in dem zu Sowjetzeiten eine LPG untergebracht war, eine Bauruine. Auch das Jagdhaus war stark beschädigt. Was noch zu retten war, wurde dokumentiert, abgebaut, nummeriert und nach Galkowo gebracht. Hier wurden die Bauteile konserviert, ergänzt und mit Unterstützung der polnischen Denkmalspflege wieder zusammengebaut. "Die waren froh, dass auf diese Weise wenigstens dieses Gebäude aus Steinort gerettet wurde", so Marsch-Potocka. Die ehemalige dpa-Korrespondentin hat in Polen viele Materialien gesammelt, die das Leben von Marion Gräfin Dönhoff dokumentieren. Jetzt kann man diese im 50 Quadratmeter großen Salon begutachten: in den Regalen stehen Bücher von und über die Gräfin, die Wände sind mit Schwarz-Weiß-Fotos übersät.Die meisten der Bücher stammen aus dem eigenen Bücherschrank von Renate Marsch-Potocka und ihrer Familie. "Andere Bücher hat uns die Sekretärin der Gräfin zur Verfügung gestellt". Das Heimatmuseum "Ermland und Masuren" in Olsztyn lieferte Abzüge historischer Fotos. Auch der Lieblingsneffe der Gräfin, Hermann Graf Hatzfeldt, stellte dem Salon einige Erinnerungsstücke zur Verfügung. "Marion Dönhoff hat sich um die Gemeinde verdient gemacht, indem sie die Schule in Nikolaiken unterstützte und sich damit für die junge Generation in Polen eingesetzt hat", sagt Alexander Potocki, der Sohn der Salon-Betreuerin. "Der Salon soll ein Dankeschön und ein Zeichen der Anerkennung dafür sein". Auch die Schule in Nikolaiken trägt heute den Namen der Gräfin.Familie Potocki realisierte das Projekt ohne finanzielle Hilfe. In dem Haus, in dem sich der Salon befindet, gibt es auch ein Restaurant von Alexander Potocki. "Wir dachten uns, irgendwo in Masuren soll man das Andenken an die Gräfin aufrechterhalten und da bot sich unser Haus an", so Renate Marsch-Potocka. "Marion Dönhoff liebte diese Landschaft sehr". Sie war außerdem eng mit Steinort verbunden, denn der von den Nazis hingerichtete Heinrich Graf Lehndorff war nicht nur ein enger Jugendfreund, auch war seine Schwester Sissi mit Dönhoffs Bruder Dieter verheiratet. Auch an die von Lehndorffs, ein altes Königsberger Adelsgeschlecht, soll im Salon erinnert werden.Renate Marsch-Potocka legte den Schwerpunkt der Ausstellung auf das "erste" Leben der Dönhoff, "das heißt ihr Leben hier in Ostpreußen, das sie ganz besonders geliebt hat". Die Gräfin wurde am 2. Dezember 1909 im ostpreußischen Friedrichstein geboren. Dort hat sie auch ihre Kindheit und Jugend verbracht. Im Winter 1945 musste sie, wie die meisten der Deutschen in den Ostgebieten, vor der vorrückenden Roten Armee mit ihrer Familie die Flucht in den Westen antreten. Die Tortour dauerte sechs Wochen. Diese Tragödie des Verlustes der Heimat dokumentierte Gräfin Dönhoff in ihrem Bestseller-Roman "Namen, die keiner mehr nennt." Die Geschichte lieferte auch die Vorlage für den ARD-Zweiteiler "Die Flucht", der im Frühjahr mit Maria Furtwängler in der Hauptrolle für Furore sorgte.Der polnische Publizist Adam Krzeminski würdigt Marion Gräfin Dönhoff als treibende Kraft der deutsch-polnischen Aussöhnung. "Sie war die Vorreiterin eines Dialogs, einer Normalisierung, einer Versöhnung und einer Freundschaft, weil sie selbst aus dem Osten kam, weil sie selbst hier verwurzelt war". Marion Dönhoff habe den Polen die Angst vor einem deutschen Revisionismus und Revanchismus genommen, betont der Publizist. In diesem Dienst hätten sich zwar sehr viele Deutsche wie Günter Grass, Klaus von Bismarck, Siegfried Lenz oder Horst Bienek verdient gemacht, Dönhoff aber sei die Galionsfigur gewesen.Der Salon soll kein Museum sein, sondern den Besuchern Gelegenheit geben, in den Büchern zu blättern, zu diskutieren oder sich Lesungen anzuhören. Gesammelt wurden auch viele Artikel der Gräfin. Auf einem alten Schreibtisch in der Ecke des Raums ist der berühmte Artikel "Ein Kreuz auf Preußens Grab" ausgelegt, den die Gräfin nach der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages durch Willy Brandt, in dem Deutschland und Polen die Oder-Neiße-Grenze anerkannten, geschrieben hatte. Eine polnische Übersetzung des Artikels ist angefügt. "Marion würde der Salon sicherlich gefallen", lobt Stanislaw Graf Dönhoff das Konzept. "Sie war ein neugieriger, sehr liberaler Mensch, dessen Geist weiterleben und nicht in einem Glaskasten verpackt werden soll". Auch die polnischen Besucher begrüßen die Initiative. "Es ist sehr wichtig, die wechselhafte Geschichte dieser Gegend zu pflegen", meinen Danuta und Krzysztof Worobiec aus dem Nachbardorf. *** Ende ***
Kasten: Informationen für BesucherGalkowo liegt in der Nähe der Ortschaft Ukta und je circa 20 km von Mrągowo und Nikolaiken (polnisch Mikołajki) entfernt. Anreise aus Deutschland mit dem Auto: 70 km östlich von Allenstein (polnisch Olsztyn) über Mrągowo, Piecki und von dort in Richtung Pisz. In der Sommersaison geht ein direkter Nachtzug von Berlin nach Mrągowo. Von dort kann man sich abholen lassen.Der Jagdhof Galkowo bietet auch Unterkunftsmöglichkeit und Restaurant: http://www.galkowo.pl/sal_de.html
Tel: (+48) 87 42 57 073Öffnungszeiten Dönhoff-Salon: tägl. 10.00 - 18.00 Uhr
Eintritt: 4 Zloty (circa 1 Euro), für Rentner kostenlos
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Autors:Katarzyna Tuszynska