Bosnien-Herzegowina

Zieht sich die Schlinge um Mladics Hals zu?

Genozid in Srebrenica: Mutmaßlicher Kriegsverbrecher Zdravko Tolimir verhaftetSARAJEVO (n-ost) - Der vor dem Haager Tribunal wegen Völkermordes in Srebrenica angeklagte ehemalige bosnisch-serbische General Zdravko Tolimir ist am Donnerstag in Bosnien-Herzegowina verhaftet worden. Er gilt als einer der engsten Vertrauten des noch immer flüchtigen mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic. In den letzten Jahren soll Tolimir als Kopf eines Helfernetzwerkes das Versteckspiel Mladics organisiert haben.Die Festnahme Tolimirs in der Nähe der ostbosnischen Stadt Bratunac war das Resultat einer gemeinsamen Aktion der Polizei der Republika Srpska - einer der beiden Teilrepubliken Bosnien-Herzegowinas - und Polizeieinheiten aus dem benachbarten Serbien. Tolimir soll versucht haben, illegal die Staatsgrenze zu überqueren. Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Polizei der Republika Srpska einen vor dem Haager Tribunal (ICTY) angeklagten mutmaßlichen Kriegsverbrecher verhaftet hat. Tolimir wurde im Laufe des gestrigen Tages (01. Juni) von Sarajewo ins UN-Untersuchungsgefängnis im niederländischen Scheveningen überstellt.Das ICTY hatte den heute 59-jährigen Zdravko Tolimir 2005 wegen Völkermordes und Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Zusammenhang mit dem Massaker von Srebrenica angeklagt. Beim schlimmsten Massenmord in Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden im Juli 1995 etwa 8000 muslimische Männer und Jungen von Einheiten der damaligen Armee der Republika Srpska umgebracht. Tolimir war zu dieser Zeit einer der sieben Stellvertreter von Ratko Mladic, dem Armeechef der bosnischen Serben, und zuständig für die Sicherheits- und Geheimdienste.Nach den zahlreichen fehlgeschlagenen Aktionen zur Festnahme Mladics ist die Verhaftung Tolimirs für die Angehörigen der Opfer von Srebrenica endlich eine positive Nachricht : "Wir sind sehr glücklich", sagte Munira Subasic, die beim Massaker 33 Familienangehörige verlor und heute Vorsitzende der Vereinigung der "Mütter von Srebrenica" ist.Rasim Ljajic, Minister in der neuen serbischen Regierung und verantwortlich für die Zusammenarbeit mit dem Haager Tribunal, versprach, die Suche nach den mutmaßlichen Kriegsverbrechern mit aller Kraft voranzutreiben. "Keiner der noch flüchtigen Haager Angeklagten kann ruhig schlafen", versicherte er im serbischen Fernsehen RTS. Ljajic sagte weiter, mit Tolimir sei "das Hirn" jenes Netzwerkes festgenommen worden, das Mladic verstecke und schütze. Zahlreiche Beobachter in Bosnien-Herzegowina und Serbien sind der Meinung, dass sich nach der Verhaftung Tolimirs die Schlinge um Ratko Mladic und die übrigen vier noch nicht gefassten Angeklagten schon bald zuziehen könnte.Dass Tolimir kurz vor dem für nächste Woche angekündigten Besuch von ICTY-Chefanklägerin Carla Del Ponte in Belgrad verhaftet wurde, bezeichnete Rasim Ljajic gegenüber dem Sender B92 als "reinen Zufall". Er gab aber seiner Hoffnung Ausdruck, dass sich zwischen dem Haager Tribunal und Serbien nun langsam ein Klima des Vertrauens entwickle.Carla Del Pontes Urteil über die Qualität der Zusammenarbeit Serbiens mit dem ICTY dürfte entscheidenden Einfluss darauf haben, ob die Europäische Union die vor 13 Monaten auf Eis gelegten Verhandlungen mit Serbien über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen bald wieder aufnimmt. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn stellte diesen Schritt bereits nach der Bildung einer demokratischen Regierung in Serbien Mitte Mai in Aussicht. Zuvor hatte es seitens der EU stets geheißen, erst wieder mit Serbien zu verhandeln, wenn Mladic nach Den Haag überstellt sei. Diese Forderung soll nun nur noch Bedingung für die Unterzeichnung des Abkommens sein.Von den insgesamt 161 Personen, gegen die das ICTY Anklage wegen Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien erhoben hat, sind derzeit noch fünf auf der Flucht, unter ihnen nebst Ratko Mladic auch Radovan Karadzic, der ehemalige politische Führer der bosnischen Serben. Das ICTY geht davon aus, dass sich Mladic und Karadzic sowie zwei weitere Flüchtige in Serbien verstecken.
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