Greenpeace baut neue Arche Noah
Nach wochenlanger Irrfahrt durch Sturm und Regen soll Noah mit seiner Arche am Berg Ararat das rettende Ufer erreicht haben. Dies zumindest legt die Bibel nah. Derzeit scheint es, als wiederhole sich die Geschichte. Tatsächlich hat es in der Umgebung des biblischen Berges seit 50 Jahren nicht mehr so geregnet wie dieses Frühjahr, und auch eine Arche wird am Ararat in den nächsten Tagen landen. Mit ihr will die Umweltorganisation Greenpeace vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam machen.
Pferde transportieren Hölzer durch das Gebirge / Manuel Citak, n-ost
Taşlicayi heißt steinerner Bach und ist der Name einer Kleinstadt in der ostanatolischen Provinz Agri. Das dem Ort den Namen gebende spärliche Rinnsaal hat sich in der vergangenen Woche in einen reißenden Strom verwandelt, zwei Kinder sind in den Fluten verschwunden. Bürgermeister Salih Arslan stapft besorgt über eine kleine primitive Brücke, der der Strom bedrohlich an den Fundamenten leckt. Vergeblich hat er mehrfach den Gouverneur um logistische Hilfe gebeten, denn ironischerweise hat das Flusswasser die örtliche Wasserleitung zerstört. "Die Klimakatastrophe schlägt bei uns genauso unvorbereitet ein wie im vergangenen Jahr schon die Vogelgrippe", seufzt er matt. Agri ist die Provinz, die mit Bildern von mit Hühnerexkrementen und Hühnerteilen spielenden Kindern eine traurige Berühmtheit erlangt hat. Die Provinz ist die ärmste Region der Türkei.
Das Greenpeace-Projekt "Arche Noah" passt zu den bedrohlichen Vorzeichen in der Region. Seit Mitte Mai wächst auf dem legendären Berg Ararat das Fundament einer symbolischen Holzarche. Ein internationales Team von freiwilligen Zimmerleuten baut aus elf Kubikmetern Kiefernholz ein zehn Meter langes und vier Meter breites Schiff. Die Arche soll kurz vor dem G8-Gipfel die Führer der Nationen und die Menschen an die drohende Klimakatastrophe erinnern, die von Sturmfluten, Dürren, Überschwemmungen und Artensterben begleitet sein könnte - eine von Menschen gemachte zweite Sintflut.
Erkut Ertürk, der türkische Projektleiter der von Greenpeace Deutschland initiierten Aktion ist sichtlich stolz. Er hat das Kunststück vollbracht, das türkische Militär von dem Projekt zu überzeugen, sodass der Gouverneur von Ağri das Projekt schließlich genehmigte. Am 31. Mai wird die Arche in einer feierlichen Zeremonie der Öffentlichkeit übergeben und ein Manifest des Umweltethikers Hermann Ott aus Greifswald zum Klimaschutz verlesen. Das hölzerne Schiff wird dann dem türkischen Staat geschenkt, der sich eine Tourismusattraktion erhofft. "Wir mussten sehr viele Bedenken ausräumen", berichtet Ertürk. Monatelang hatte er nach einer geeigneten Stelle gesucht. Doch für den ursprünglichen Platz in 3000 Meter Höhe konnte er das Militär nicht erwärmen, das einen großen Teil des Berges als militärisches Sperrgebiet abriegelt.
Der Ararat hat eine kritische strategische Bedeutung. Die iranische und die armenische Grenze ist nah, Schmugglerbanden schleusen Flüchtlinge, Drogen und sonstiges Schmuggelgut durch das Gebirge. Mit Armenien besteht ein Dauerkonflikt, weil der Ararat das dortige Nationalsymbol ist und selbst zu Sowjetzeiten im Wappen abgebildet war. Der frühere sowjetische Außenminister Andrei Gromyko konterte auf die erbitterte Beschwerde der Türken, Armenien benutze einen türkischen Berg als Wappen, dass die auf der türkischen Fahne abgebildete Mondsichel auch kein Teil der Türkei sei.
Das Greenpeace-Team hatte auch Probleme mit den archaischen Stammestraditionen in der Umgebung. Geheiligt ist das Wort der Feudalherren, in diesem Fall verkörpert durch den Hotel-Besitzer Ahmet Öztürk. Die von Greenpeace zum Transport des Holzes auf den Ararat gemieteten 30 Pferde plus Führer bestehen dann auch ausschließlich aus Schutzbefohlenen des Feudalherren - der gleich ein Drittel der Bezahlung für sich behalten haben soll.Am meisten Aufmerksamkeit genießt auf dem Berg die in Dresden als Künstlerin lebende Dagmar Albert. Eine Frau mit Säge und Bohrer haben die Kurden auf dem Berg noch nie gesehen. Der in Deutschland lebende Ukrainer Sergei Kokorin hat bereits Häuser für die Bewohner von Tschernobyl gebaut, bevor er das Schreinern vom Wendländer Zimmermann Reiner Rumshagen erlernte, der ebenfalls mit an der Arche zimmert.
Das Greenpeace-Team trifft in der Türkei auf eine Öffentlichkeit, in der sich gerade eine breite Bewegung gegen ein geplantes Atomkraftwerk in Sinop an der Schwarzmeerküste bildet. Die Führer der 30 Pferde sind zufrieden, als die Übersetzerin des Greenpeace-Büros ihnen den Sinn der Aktion erklärt. Tapfer klettern sie mit den schwer beladenen Tieren durch das Gebirge, immer wieder setzen Schauer ein. Tatsächlich war es zu dieser Jahreszeit fast noch nie so kalt auf dem Berg Ararat. Die Männer diskutieren über den ursprünglichen Landungsplatz der Arche. Einer ist der Meinung, dass die Arche eigentlich im Irak liegen müsse, wie der Koran berichtet. Ein anderer erzählt die biblische Geschichte, in der der Ararat als Zielort der Arche beschrieben wird. Der eigentliche Ursprung des Mythos ist niemandem bekannt.
Das auf circa 2000 vor Christus datierte altsumerische Gilgamesch-Epos berichtet von einer Sintflut. In diesem Bericht, der möglicherweise eine Vorlage für die biblische Sintflut lieferte, erhält Utnapischtim vom Gott Ea den Befehl, eine Arche zu bauen. Auch Utnapischtim strandet mit seiner Arche schließlich auf einem Berggipfel. Der Gilgamesch Epos ist die früheste bekannte Dichtung der Menschheit und entstand in Mesopotamien in den Grenzen der heutigen Türkei.