Mehr Eigenverantwortung für die Region
"Die Zukunft der westlichen Balkanstaaten liegt in Europa. Allerdings steht die Region noch vor großen Herausforderungen", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Treffen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP) am Freitag in Zagreb. Als Beispiel führte Merkel die Zukunft des Kosovo an, wo mit der geplanten Mission zum Aufbau von Polizei und Sicherheitsstrukturen eines der größten Projekte erst noch bevorstehe.
Kroatien mache indes gute Fortschritte im Hinblick auf die EU-Annäherung, betonte die Kanzlerin. Der Weg, den das Land gehe, sei sehr gut, stringent und zukunftsweisend - letztlich auch für die gesamte Region. Im Hinblick auf die Staaten, denen die EU keine Beitrittsperspektive bieten könne, wolle man eine verlässliche Nachbarschaftspolitik weiter vorantreiben, so Merkel.
Die Länder Südosteuropas sollen künftig selbst über ihre Zukunft entscheiden - unter diesem Leitgedanken stand der diesjährige Gipfel des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses, bei dem mehr als 150 hochrangige Vertreter aus elf Ländern der Region zusammen trafen. Gäste waren auch US-Staatsekretär Nicolas Burns, EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn sowie der EU-Kommissar Jose Manuel Barroso. Parallel dazu trat erstmals auch die Runde des EU-Stabilitätspaktes für Südosteuropa zusammen, die zahlreiche Außenminister aus der Region versammelte. Der SEECP umfasst nun mit dem Beitritt Montenegros elf Länder: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Griechenland, Kroatien, Mazedonien, Moldawien, Montenegro, Rumänien, Serbien und die Türkei.
Der kroatische Premierminister Ivo Sanader, dessen Einladung Angela Merkel gefolgt war, betonte gegenüber Journalisten, dass es nach zwei Jahrzehnten der Instabilität, Unsicherheit und Ungewissheit in Südosteuropa nun an der Zeit sei, ein neues Kapitel der Geschichte aufzuschlagen. Damit letztlich mehr Eigenverantwortung auf die regionale Zusammenarbeit übertragen werden kann, wurde nun ein Regionaler Kooperationsrat (RCC) formiert, der seinen Sitz in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo haben wird. Zu dessen Generalsekretär wurde der kroatische Staatssekretär im Außen- und Europaministerium, Hido Biscevic, ernannt. Der Rat soll künftig den EU-Stabilitätspakt ablösen, der bislang von Brüssel aus koordiniert wurde. Bis Februar 2008 werden beide Einrichtungen parallel tätig sein. Finanziert wird dieser Zusammenschluss von der Europäischen Kommission, den Geberländern der EU und den Staaten der Region selbst.
Zentrales Thema des Gipfels waren auch die jüngsten Ereignisse in Serbien, wo vor kurzem der Ultranationalist Tomislav Nikolic zum Parlamentspräsidenten gewählt wurde. "Wir sind besorgt, da sich die Mehrheit des serbischen Volkes ein demokratisches, europäisch orientiertes Land wünscht", sagte Jose Manuel Barroso gegenüber Journalisten. Hoffnung setze man auf die demokratischen Kräfte in Serbien, allerdings liege die Entscheidung letztlich bei den Menschen vor Ort, ob sie eine Orientierung in Richtung Europäische Union überhaupt wünschen.
Ebenso EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn zeigte sich besorgt über die aktuelle Lage in Serbien. Die Debatte im serbischen Parlament sei "irgendwie surreal, aber auch gefährlich" und die Rhetorik des neuen serbischen Parlamentspräsidenten komme ihm wie eine "unangenehme Zeitreise in die Vergangenheit" vor, denn sie erinnere stark an Milosevic, so Rehn. Der Ultranationalist Nikolic hatte zuvor gegenüber der kroatischen Nachrichtenagentur "Mediaservice" betont, dass er einräume, ein "Tschetnik" zu sein und von einem "Großserbischen Reich" träume. Dieses umfasst historisch gesehen auch Teile des heutigen Kroatiens, in dem vor dem Bürgerkrieg der Neunziger eine große serbische Minderheit gelebt hatte. Nikolic glaube fest an eine serbische Autonomie dieser Gebiete, hatte er verlautbart. Erst am Dienstag war er als formaler Vertreter des in Den Haag angeklagten Ultranationalisten Vojislav Seselj zum Parlamentspräsidenten in Serbien gewählt worden. Sollte das Kosovo unabhängig werden, müsse man den Ausnahmezustand in Serbien ausrufen, hatte er zuvor verkündet. US-Staatssekretär Nicolas Burns äußerte indes gegenüber Journalisten, dass die USA noch in diesem Monat mit einer Lösung im Kosovo rechnen.