Kroatien

Abschied von Ivica Račan

Kroatien hat sich von seinem früheren Premier und langjährigen Vorsitzenden der sozialdemokratischen Partei SDP Ivica Račan verabschiedet. Im Konzerthaus Vatroslav Lisinski in der Hauptstadt Zagreb erwiesen ihm am Mittwoch führende Politiker aus dem In- und Ausland, Weggefährten, Parteigenossen, Freunde und die Familie die letzte Ehre. Staatspräsident Stjepan Mesić würdigte Račan als einer der Hauptredner als Symbol der Demokratie Kroatiens. "Er war ein mutiger und entschlossener Mensch", sagte Mesić wohl in Anspielung darauf, dass Račan in seiner Zeit als Premierminister oft Unentschlossenheit vorgeworfen wurde. "Für die Demokratie und Kroatien waren Ivica Račan bereit, allem zu entsagen und sogar sein Leben zu geben", schloss Mesić.

Am längsten sprach der frühere slowenische Präsident Milan Kučan, der an die Vereinbarung zwischen den Račan und dem slowenischen Präsidenten Janez Drnovšek über den slowenisch-kroatischen Grenzverlauf erinnerte. Leider sei diese mutige und vernünftige Tat sowohl in Slowenien als auch in Kroatien auf wenig Verständnis gestoßen, so Kučan. Unter den Trauergästen war auch der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder. Schröder nannte Račan einen großen Staatsmann und Sozialdemokraten sowie einen großen Kroaten. "Nicht nur Kroatien, ganz Europa hat einen überzeugten Europäer verloren", würdigte Schröder den Verstorbenen. Die Begräbnisfeier fand danach im engsten Familienkreis statt. Einem letzten Wunsch Račans folgend, verlief die Beerdigung in ganz einfachem Rahmen. Ein Geistlicher war nicht anwesend, statt Reden wurden die drei Lieblingslieder von Ivica Račan gesungen.

Gerhard Schröder hatte für Račan den bekannten Ausspruch von Bertolt Brecht gewählt: Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren. Und in der Tat zählte Ivica Račan, dessen Leben eng mit dem Schicksal Kroatiens verbunden war, wie kein anderer sowohl zu den Gewinnern als auch zu Verlierern. Immer jedoch war er ein Kämpfer. Der 1944 in einem deutschen Arbeitslager im sächsischen Ebersbach geborene Račan begann seine politische Karriere bereits im Alter von 28 Jahren, als er in das Exekutivkommitte des Bundes der Kommunisten Kroatiens SKH aufgenommen wurde. Zehn Jahre später ist er bereits Mitglied des Zentralkommittees des SKH, dem höchsten Organ der kommunistischen Partei. Und 1989 in der Agonie des Ostblocks wird er an die Spitze des Zentralkommittees gewählt.

Račan widersetzte sich auf dem 14. Parteitag des jugoslawischen Bundes der Kommunisten großserbischen Bestrebungen des serbischen Parteichefs Slobodan Milošević und verließ nach den slowenischen Kommunisten das Plenum. In der Folge traten die Kroaten nicht nur aus dem jugoslawischen Bund der Kommunisten aus, sondern wurden auch freie Wahlen in Kroatien abgehalten. Gleichzeitig begann Račan den SKH zu einer Partei sozialdemokratischer Prägung umzuwandeln. Den Erfolg der Unabhängigkeit genoß mit Franjo Tudjman jedoch ein anderer. Zu sehr war Račan in den Augen der Kroaten noch mit der kommunistischen Vergangenheit Jugoslawiens verbunden. Tudjman dagegen stand als Verteidiger der kroatischen Nation im Krieg gegen die von Serbien geführte Bundesarmee.

Nach dem Tode Tudjmans war es jedoch Račan vorbehalten, Kroatien als neuer Premierminister wieder aus der durch Tudjmans Vertreibungspolitik verschuldeten internationalen Isolation zu führen. Račan gilt als der Wegbereiter für Verhandlungen über einen EU-Beitritt Kroatiens. Er war es auch, der für eine Normalisierung der Beziehungen zu seinen jugoslawischen Nachbarn, speziell zu Slowenien und Serbien, eintrat. Gerade dieses Bemühen, das in der vom kroatischen Parlament nie verabschiedeten Grenzvereinbarung mit Slowenien gipfelte, war der Grundstein für eine weitere schmerzliche Niederlage Račans. Die kroatischen Wähler nahmen ihm die Einigung mit Slowenien übel und wählten 2003 die inzwischen reformierte Tudjman-Partei HDZ mit Ivo Sanader an der Spitze.

Für viele mag sein viel zu früher Krebstod seine letzte Niederlage sein. Seine Ideen leben jedoch weiter, wie es Staatspräsident Mesić formulierte. Die Beziehungen Kroatiens zu seinen jugoslawischen Nachbarn haben sich entscheidend verbessert und Kroatien ist auf dem Weg in die EU - das bleiben vor allem Račans Verdienste. Auf politischer Ebene wird das direkte Erbe von Račan vor allem in den kommenden vier Wochen entschieden. Am 2. Juni wählen 1635 SDP-Delegierte ihren neuen Vorsitzenden. Željka Antunović, die die SDP als stellvertretende Vorsitzende seit Račans Rücktritt am 11. April führt, hat bereits erklärt, nicht für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Dagegen haben mit Zoran Milanović und Tonino Picula bereits zwei Aspiranten ihren Handschuh in den Ring geworfen. Der frühere Parteisprecher Milanović gilt als Ziehsohn Račans, der bereits im Parteizentrum etabliert ist. Picula wiederum ist ein Mann der Region, nominiert von der Parteiorganisation in Velika Gorica. Mit Milanović ist zugleich die Person von Ljubo Jurčić verbunden. Es wird spekuliert, dass Jurčić im Falle eines Wahlsieg der SDP bei den Parlamentswahlen im November dieses Jahres sowie unter einem Parteivorsitzenden Milanović Kroatiens nächster Premierminister wird. Beobachter gehen jedoch davon aus, dass der Kampf um den Parteivorsitz erst beginnt. Bisher haben sich mögliche Kandidaten aus Pietät zu Račan zurückgehalten. Gemeint ist dabei vor allem der Zagreber Bürgermeister und SDP-Chef Milan Bandić. Er gilt schon seit längerem als Hoffnungsträger, ist jedoch aufgrund seines selbstherrlichen Regierungsstils als Bürgermeister nicht unumstritten. Bandić hat aus seinen Ambitionen nie ein Hehl gemacht, stand aber immer im Schatten von Ivica Račan.

Wird der Parteivorsitz der SDP bereits in wenigen Wochen entschieden, ist es für Prognosen zum Ausgang der Parlamentswahlen noch zu früh. Die Regierungspartei HDZ ist seit langem in der Defensive. Jüngsten Umfragen zufolge führt die SDP in Meinungsumfragen klar mit 36 Prozent vor der HDZ mit 28 Prozent. Die anderen Parteien und möglichen Koalitionspartner HNS und HSS/HSLS verlieren Punkte und liegen um zehn Prozent. 31 Prozent der Befragten sind jedoch noch unentschlossen. Es wird erwartet, dass die Karten neu gemischt werden, sobald der Parteivorsitz in der SDP geklärt ist. Dann wird auch die HDZ ihre bisherige Zurückhaltung aufgeben und um jeden Prozentpunkt kämpfen, um ihre Regierung zu verteidigen.


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