Der Vater der kroatischen Demokratie
Drei Monate nach Bekanntwerden eines schweren Krebsleidens starb in der Nacht zum Sonntag im Alter von 63 Jahren der kroatische Oppositionsführer und ehemalige Premierminister Ivica Račan. Der Sozialdemokrat war eine bemerkenswerte Persönlichkeit, die auch über die Grenzen seines jungen Landes hinaus bekannt wurde.
Als junger Politiker hatte Račan ab 1959 in der Kommunistischen Partei Kroatiens Karriere gemacht und gehörte ab 1982 zur Parteiführung. Im Jahr 1978 war Račan in einem schweren Autounfall verwickelt und wurde sehr schwer verletzt. Er hatte sein Gedächtnis verloren und musste wieder neu lernen zu gehen und zu sprechen. Die, die ihn persönlich kennen, beschreiben ihn als unkompliziert und bescheiden.
Oppositionsführer Ivica Račan / n-ost
Im Jahre 1989 wurde er Parteichef. Zusammen mit den slowenischen Kommunisten widersetzte er sich damals dem Serben Slobodan Milosevic während des berühmten 14. Kongresses der Jugoslawischen Kommunisten. Sowohl die kroatische als auch die slowenische Delegationen reisten damals vom Parteikongress in Belgrad ab. Kurz danach organisierte Račan im Mai 1990 die ersten allgemeinen und freien Wahlen in Kroatien, die aber von der nationalistische HDZ (Kroatische Demokratische Gemeinschaft) unter Franjo Tudjman gewonnen wurden.
Begonnen hat das Leben Ivica Račans in einem Arbeitslager der Nazis im sächsischen Ebersbach. Dort wurde er am 24. Februar 1944 geboren. Die deutschen Besatzungstruppen hatten seine Eltern verschleppt, weil diese in Kroatien die kommunistischen Partisanen unterstützt hatten. Eine deutsche Bäuerin holte die kleine Familie aus dem Lager und brachte sie auf ihrem Bauernhof unter. Getrennt von dem Vater, der erneut verschleppt worden war, überlebte der kleine Ivica mit seiner Mutter Maria die Bombardierung und Zerstörung von Dresden. Die deutsche Bäuerin, die ihnen sehr wohl gesonnen war, hatte sie dorthin zu ihrer Schwester geschickt, nachdem sie selber ihren Mann, der an der russischen Front gekämpft hat, verloren hatte.
Wie es das Schicksal wollte, wurde Račans schwere Krebserkrankung in einem deutschen Krankenhaus, in der Stadtklinik Bogenhausen bei München diagnostiziert. Zweimal wurde er dort operiert, eher er zur Fortsetzung der Therapie nach Kroatien zurückkehrte. In der Klinik in Zagreb stellte man fest, dass sich der Krebs bereits zu weit ausgebreitet hatte. Anfang April gab Račan daher den Vorsitz der Sozialdemokratischen Partei ab und begann sich von seinen Freunden und Parteikollegen zu verabschieden. Während der neunziger Jahre führte Ivica Račan in Kroatien die Opposition gegen die nationalistisch-chauvinistische Politik Franjo Tudjmans an. Tudjman hatte unter anderem ein Abkommen mit Milosevic geschlossen, mit dem Bosnien-Herzegowina zwischen beiden Ländern aufgeteilt werden sollte. Im Laufe der Jahre gelang es Račan, das Vertrauen der Bürger in die Sozialdemokratie zu wecken. Nach dem Tod Tudjmans am 19.12.1999 gewann er die Parlamentswahlen und regierte als Premierminister einer Sechs-Parteien-Koalition bis Ende 2003, als die reformierte und inzwischen gemäßigtere Partei Tudjmans unter dem jetzigen Ministerpräsidenten Ivo Sanader an die Macht zurückkehrte. Ivica Račan wies immer wieder auf die Notwendigkeit hin, dass auch die Regierung seines Nachfolgers den eingeschlagenen Weg in Richtung Europa-Integration fortführen müsse.
Stjepan Mesić, der Präsident Kroatiens, hob in einer Ansprache am Sonntag im kroatischen Fernsehen die wichtige Rolle Račans hervor, als es darum ging, Kroatien aus der unter Tudjman verursachten internationalen Isolation zu führen. Račan habe Kroatien auf den Weg in Richtung Brüssel geführt, betonte Mesić. Politische Analytiker aller Richtungen sowie Politiker im In- und Ausland würdigen Račan als den eigentlichen Vater der Demokratie in Kroatien. Er war es, der zwei äußerst wichtige Prozesse in die Wege geleitet hatte: Zuerst hat er 1990 das kommunistische Regime Kroatiens Richtung Demokratie geführt und die Kommunistische Partei Kroatiens in eine in Europa anerkannte und respektierte sozialdemokratische Partei verwandelt. Zweitens hat er im Jahre 2000 wichtige politische Prozesse eingeleitet, um Kroatien auf den Weg in die EU-Integration zu führen. Trotz des Todes von Račan, befindet sich die Partei der Sozialdemokraten in einer günstigen Lage bezüglich der Ende des Jahre bevorstehenden Parlamentswahlen. Die Partei wird am 2. Juni einen neuen Parteichef wählen.
Umfragen zeigen, dass viele Bürger positiv auf die Art und Weise reagiert haben, wie Račan selbst und auch seine Partei mit seiner Krankheit und seinem viel zu frühen Tod umgegangen sind. Die Partei habe an Sympathien gewonnen und habe gute Chancen zusammen mit ihren Koalitionspartner an die Macht zurückzukehren. Der ehemalige Präsident Sloweniens, Milan Kučan, erklärte im kroatischen Fernsehen, dass Račan mehrere Male das Bild und den Ruf Kroatiens gerettet hätte. Und die Tageszeitung "The Washington Post" kommentierte, dass Kroatien einen großen Politiker verloren habe, der wesentlich dazu beigetragen habe, das Land aus seinen Kriegsverletzungen zu führen, die Wirtschaft zu stärken und Kroatien auf den Weg in Richtung EU-Integration gebracht habe.