Basescu will kämpfen
Klare Mehrheit für Amtsenthebung des im Volk beliebten rumänischen Präsidenten Bukarest (n-ost) – Der 90-jährige Bukarester Constantin Diamandi ist entsetzt. So etwas hat er in seinem langen Leben noch nicht erlebt: Das Parlament setzt seinen Präsidenten Traian Basescu ab, den er Ende 2004 direkt hat wählen können. „Wie kommt das Parlament dazu, meinen Präsidenten zu suspendieren, das Recht hätte doch nur ich und die zig anderen rumänischen Wähler“, sagt der Rentner. Wenn Constantin Diamandi jünger wäre, wäre er am frühen Donnerstagabend auf den Universitätsplatz von Bukarest gegangen, wo sich hunderte Menschen eingefunden hatten, um die Reaktion Traian Basescus auf seine Suspendierung live mit zu verfolgen. So hat er die Rede des Präsidenten am Fernsehen erlebt und sich gefreut, als Basescu sagte: „Ich werde das rumänische Volk nicht verlassen. Sie sehen mich auch bei der nächsten Wahl.“ Mit einem leisen Lachen beobachtet Constantin Diamandi diee Szene vor dem Fernseher. Auf dem Universitätsplatz tobt derweil die Menschenmenge, ruft „Basescu, Basesescu!“ und schwingt Revolutionsfahnen aus der Zeit von 1989/1990.Am Nachmittag hatten bei einer Parlamentssitzung der insgesamt 465 Abgeordneten rund 70 Prozent für die Suspendierung gestimmt. Es ist das erste Mal, dass die rumänische Volksvertretung seit dem Ende des Kommunismus 1989/90 zu diesem Mittel gegriffen hat. Die Initiative zur Amtsenthebung kam von der Opposition. Mittels eines Untersuchungsausschusses hatte sie dem Staatschef 19 Verstöße gegen die Verfassung vorgeworfen. Er habe die Existenz einer unabhängigen Justiz gefährdet, Staatsanwälte beeinflusst und sei in der Außenpolitik eigenmächtig vorgegangen, lauteten einige der Vorwürfe. Das Verfassungsgericht bestätigte die Anklagepunkte in dieser Woche in keinem einzigen Punkt. Zwar habe Traian Basescu am Rande der Verfassung agiert, aber das Grundgesetz nicht so schwerwiegend verletzt, dass eine Amtsenthebung gerechtfertigt sei, hieß es am Dienstag von der höchsten Justizinstitution des Landes. Die letzte Entscheidung liege jedoch beim Parlament.
Schon vor der Abstimmung am Donnerstag hatte Basescu erklärt, bei einem negativen Votum „innerhalb von fünf Minuten zurückzutreten“. Es sei inakzeptabel, dass das Parlament ihn trotz des „Freispruchs“ durch die Justiz suspendieren wolle, kommentierte er im Vorfeld. Er warnte zugleich, dass seine Amtsenthebung ausländische Investoren verunsichere und „zu einem Negativ-Rapport durch die EU“ führen werde. In Brüssel wird derzeit wieder ein Fortschrittsbericht erstellt, doch er müsste eher „Stagnationsbericht“ heißen, denn Rumänien hat seit dem EU-Beitritt vor rund 100 Tagen nur für negative Schlagzeilen gesorgt: Die Regierungskoalition, die das Land in die EU geführt hat, ist zerbrochen, die reformfreudige Justizministerin Monica Macovei, die von der EU-Kommission äußerst geschätzt wurde, musste daraufhin zurücktreten und jetzt ist auch noch der Posten des Staatschefs frei. Auch der bisherige Staatschef Basescu schaffte es in Brüssel, das Image eines Politikers aufzubauen, der radikal gegen die Korruption im Land vorgeht, mit dem System aus Seilschaften brechen will und sich immer wieder für eine unabhängige Justiz eingesetzt hat. Beide Punkte waren ausschlaggebend für den Beitritt Rumäniens in die EU. Im Land ist die Meinung über den Staatschef zweigeteilt. Ist nicht auch Basescu korrupt, warum versteckt er seine Securitate-Akten und zu Wohlstand sind wir auch noch nicht gelangt, sagen die Kritiker. Der Rentner Constantin Diamandi sagt hingegen: „Von den korrupten Politikern ob im Kabinett oder im Parlament ist Basescu noch das kleinere Übel.“Eigentlich müsste sich das rumänische Parlament und die Regierung derzeit mit ganz anderen Themen beschäftigen, beispielsweise wie sie die üppigen EU-Mittel ausgeben könnte. Stattdessen kommentierte die Presse in diesen Tagen, die Gelder würden alle verfallen, weil die Administration durch die innenpolitischen Querelen völlig gelähmt sei. Die gab es auch vor dem EU-Beitritt, doch konnte ein Machtwort aus Brüssel sie damals immer bändigen. Die heutige Niederlage im Parlament bedeutet für Basescu nicht das Ende seiner politischen Karriere. Voraussichtlich wird es in drei Monaten neue Präsidentschaftswahlen und der bisherige Staatschef hat gute Chancen, wiedergewählt zu werden, weil er es versteht, Reden zu halten, die das Wahlvolk hören will. Der suspendierte Staatschef ist der wohl populärste Präsident, den Rumänien bislang hatte. Er gilt als charismatisch aber auch als machtbesessen. Dieses Agieren hatte aber zu einem Dauerstreit mit dem nationalliberalen Premier Calin Tariceanu (PNL) geführt, der sich in seiner Funktion als Premier nicht die politische Agenda diktieren lassen wollte. Sollte Basescu die geplante neue Präsidentschaftswahl tatsächlich gewinnen, bliebe alles beim Alten. Es gäbe denselben Staatschef, denselben Premier Tariceanu und damit denselben Konflikt zwischen Staatschef und Regierungschef. Das heutige Amtsenthebungs-Votum hätte damit keinerlei Auswirkungen gehabt. So wie es sich Constantin Diamandi heute schon gewünscht hat. Er will auf jeden Fall Basescu wählen, doch ginge damit auch die Stagnation weiter.Ende
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