Parlament suspendiert Staatschef Basescu
Bukarest (n-ost) - Das rumänische Parlament hat Staatschef Traian Basescu per Votum seines Amtes enthoben. Von 465 Parlamentariern stimmten rund 70 Prozent für die Suspendierung. Das Abstimmungsergebnis muss noch vom rumänischen Verfassungsgericht für gültig erklärt werden.
Es ist das erste Mal, dass die rumänische Volksvertretung seit dem Ende des Kommunismus 1989/90 zu diesem Mittel gegriffen hat. Die Initiative zur Amtsenthebung kam von der Opposition. Sie hatte dem Staatschef Basescu vorgeworfen, die rumänische Innenpolitik zu destabilisieren und sich in rechtswidriger Weise für einzelne Unternehmen eingesetzt zu haben. Traian Basescu hat das Ergebnis bislang nicht kommentiert, obwohl er vor der Abstimmung noch erklärt hatte, bei einem negativen Votum "innerhalb von fünf Minuten zurückzutreten".Regierungschef Calin Tariceanu, der gleichzeitig Parteichef der Nationalliberalen (PNL) ist, erklärte nach der Entscheidung umgehend, er nehme Basescus Rücktrittsankündigung beim Wort. Man könne damit zur Tagesordnung übergehen, wonach es in genau drei Monaten eine neue Präsidentschaftswahl geben muss. Sowohl Premier Tariceanu als auch Mircea Geoana, Chef der Sozialdemokraten (PSD) als stärkster Oppositionspartei, forderten Basescu auf, bei der Neuwahl nicht erneut zu kandidieren. Dies sei "seine moralische Pflicht". Zudem riefen beide Politiker die Rumänen auf, Ruhe zu bewahren. Kurz nach der Abstimmung hatten sich in der Bukarester Innenstadt rund 100 Demonstranten versammelt, die gegen die Suspendierung protestierten.Die heutige Niederlage im Parlament bedeutet für Basescu nicht das Ende seiner politischen Karriere. Er hätte gute Chancen, wiedergewählt zu werden, weil er sich weiterhin großer Sympathie beim Wahlvolk erfreut. Der suspendierte Staatschef ist der wohl populärste Präsident, den Rumänien bislang hatte. Er verstand es, mit markanten Sprüchen, die Massen zu begeistern und scheute sich nicht davor, rumänische Minister und Parlamentarier als korrupt zu bezeichnen.Basescus machtbesessenes Agieren hatte aber zu einem Dauerstreit mit dem nationalliberalen Premier Calin Tariceanu (PNL) geführt, der sich in seiner Funktion als Premier nicht die politische Agenda diktieren lassen wollte. In den vergangenen Monaten wurde immer deutlicher, dass Tariceanu, der mehrfacher Millionär ist, einem Kreis von Oligarchen und Wendegewinnlern zuzuordnen ist, die er mit seiner Politik zu schützen versucht. Als im Januar klare Beweise dafür auftauchten, lehnte der Premier einen Rücktritt ab.Der bisherige Staatschef Basescu schaffte es hingegen, ein Image als Reformer aufzubauen, der radikal gegen die Korruption im Land vorgeht und damit von den Rumänen als ein Mann wahrgenommen wird, der mit dem System aus Seilschaften brechen will und sich immer wieder für eine unabhängige Justiz eingesetzt. Beide Punkte waren ausschlaggebend für den Beitritt Rumäniens in die EU.Noch am Mittwoch hatte Traian Basescu erklärt, dass seine Amtsenthebung ausländische Investoren verunsichere und "zu einem Negativ-Raport durch die EU" führe. In Brüssel wird derzeit wieder ein Fortschrittsbericht erstellt, doch er müsste eher Stagnationsbericht heißen, denn seit dem EU-Beitritt ist die Regierungskoalition zerbrochen, die reformfreudige Justizministerin Monica Macovei musste daraufhin zurücktreten und jetzt ist auch noch der Posten des Staatschefs frei. Eigentlich müsste sich das rumänische Parlament und die Regierung derzeit mit ganz anderen Themen beschäftigen, beispielsweise wie sie die üppigen EU-Mittel ausgeben könnte. Stattdessen lähmten seit dem EU-Beitritt verstärkte innenpolitische Querelen zwischen Staatschef Traian Basescu und Tariceanu das Land. Die Opposition im Parlament hat diese Streitigkeiten zu nutzen gewusst und das Amtsenthebungsverfahren gegen den Staatschef eingeleitet.Ob die Opposition, wie beispielsweise die sozialdemokratische Partei (PSD), von der Amtsenthebung profitieren kann, ist äußerst fraglich. Ihr größter Erfolg ist wohl, dass ihr Parteigenosse und Senatsvorsitzender Nicolae Vacaroiu für die kommenden drei Monate die Interimsgeschäfte für das Präsidentenamt übernehmen darf.Sollte sich Basescu erneut zur Wahl stellen, und auch noch gewinnen, bliebe alles beim Alten. Es gäbe denselben Premier Tariceanu und damit denselben Konflikt zwischen Staatschef und Regierungschef. Das heutige Amtsenthebungs-Votum hätte damit keinerlei Auswirkungen gehabt und die Stagnation ginge weiter.Ende---------------------------------------------------------------------------------------
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