Umweltskandal in Heineken-Brauerei
Als Zdravko Martinovic aus dem kroatischen Karlovac, südwestlich von Zagreb, seinen Hund Cherry am 23. Februar diesen Jahres an die Leine nahm, ahnte noch niemand, dass es der letzte Spaziergang der beiden sein würde. Die Route führte entlang eines Kanals, der unweit der Großbrauerei Karlovacka Pivovara entlang fließt. In dem Werk hatte Rentner Martinovic mehr als drei Jahrzehnte lang gearbeitet. Noch auf dem Weg nach Hause brach Cherry zusammen und war wenig später tot. Auch Martinovic wurde kurze Zeit später bewusstlos in der Nähe seines Hauses gefunden. Der 64-Jährige lag 25 Tage im Koma, bevor er am späten Montagabend im örtlichen Krankenhaus verstarb, wie nun bekannt wurde.
Was war passiert? Erhöhte Ammoniak-Konzentration im Blut, lautet die erste Diagnose eines Arztes, meldete das Nachrichtenportal „index.hr“. Am nächsten Tag werden Wasserproben entnommen: „Flüchtiges Gas, das sehr schnell verschwindet“, als Vergiftungsursache für Mann und Hund, so die Vermutung der staatlichen Toxikologiebehörde. Ammoniak sei nur in einer einzigen Probe gefunden worden. Wenig später melden sich sieben Anwohner, die allesamt in der Nähe des Kanals leben, im örtlichen Krankenhaus von Karlovac. Sie leiden alle unter ähnlichen Symptomen wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Atembeschwerden, werden jedoch nach einer Untersuchung wieder entlassen, so „index.hr“.
Anfang März, fast eine Woche nach dem Vorfall, wird das Gelände der Brauerei weiträumig abgeriegelt. Experten beginnen mit Untersuchungen der umliegenden Gewässer. Kurz darauf wird das Eingeständnis der Verantwortlichen in den Medien veröffentlicht: Kohlendioxyd (CO2) sei fahrlässig in einen Abwasserkanal gelangt, daher sei es dort zu einer überhöhten Konzentration dieses Gases gekommen. Von jenem Kanal war die Rede, an dem Martinovic und sein Hund spazieren gegangen waren. Am 1. März habe die Brauerei sogleich begonnen, den erhöhten Schadstoffausstoß zu senken, in Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei und Feuerwehr, sagte eine Sprecherin des Unternehmens. Auf die Frage, warum man erst eine knappe Woche später reagiert habe, war zum jetzigen Zeitpunkt allerdings keine Stellungnahme zu bekommen. Die Staatsanwaltschaft hat nun Anklage gegen fünf Manager der Brauerei erhoben, aber auch gegen das Unternehmen selbst, meldete die Nachrichtenagentur Hina.
Die kroatische Umweltschutzbehörde reagierte am 12. März mit einem sofortigen Produktionsstopp der so lange einzuhalten sei, bis nicht alle Mängel behoben worden seien, heißt es in einer entsprechenden Pressemitteilung. Damit gemeint ist vor allem die Sanierung einer Fermentierungsanlage, in der es zum Rohrbruch gekommen sein soll. Derzeit werde probehalber wieder produziert, um die neuen Vorkehrungen auszuprobieren, so die Brauerei-Sprecherin. Dass das Kohlendioxyd unbemerkt ausströmen konnte liegt an der Beschaffenheit dieses geruchlosen Gases, bestätigen Experten. In großen Mengen eingeatmet führt es zu Erbrechen, Atemnot und der Schädigung innerer Organe - so wie bei Martinovic. Das Amtsgericht Karlovac verkündete unterdessen, dass nicht der Rohrbruch an sich, sondern eine generelle Anordnung der Rohre in der Fermentierungsanlage die Ursache für das Entweichen der Gase sein könnten. Es sei durchaus möglich, dass das Gas bereits seit Monaten unkontrolliert ausgeströmt sei, sagte eine Sprecherin des Gerichts nach Angaben von „index.hr.
Die Familie des Opfers, dessen Leichnam derzeit obduziert wird, werde die Brauerei auf finanzielle Entschädigung verklagen, verkündete deren Anwältin dem Nachrichtenportal zufolge. Die Karlovacka Pivovara ließ den Hinterbliebenen nun eine Beileidsbekundung zukommen. Mit hohen Bußgeldern sei Agenenturberichten zufolge zu rechnen, den Managern drohen mehrjährige Haftstrafen. Die Brauerei Karlovacka Pivovara war im April 2003 mehrheitlich vom niederländischen Bierkonzern Heineken übernommen worden. Eigenen Angaben zufolge gilt die Brauerei als größter Bierexporteur des Landes, der in neun Länder liefert, darunter auch nach Deutschland und in die Schweiz.