Geburtsstunde einer Umweltbewegung
Kampf von Greenpeace gegen Autobahn im polnischen Rospuda Tal hat großen Rückhalt in der Bevölkerung und bei der EUWarschau (n-ost) - Die Planierraupen waren schon unterwegs, die ersten Bäume gefällt. Mitten durch ein Naturschutzgebiet im Nordosten Polens sollte eine neue Europastraße geführt werden, die so genannte „Via Baltica“, die Prag über Warschau mit Riga und Tallinn verbindet. Doch dann erlebte Polen eine bislang nie dagewesene Umweltschutzbewegung. Hunderte von Aktivisten campierten bei Minustemperaturen im Wald und blockierten die Bauarbeiten. Seit Tagen debattierte die ganze Nation über das 17-Kilometer lange Teilstück der Autobahn bei Augustow. Nun droht sogar das gesamte Projekt zu kippen, denn die EU-Kommission hat sich auf die Seite der Umweltschützer gestellt.Für Polen ist die Strecke das wohl wichtigste Bauprojekt der letzten Jahre. Bislang umfasst das Autobahnnetz des Landes gerade einmal 400 Kilometer. Schnelle Wege nach Norden und Osten bedeuten im Flächenland Polen schnellere Transportgeschwindigkeiten und dadurch geringere Kosten. Greenpeace-Sprecherin Ewa Jakubowska nennt die Streckenführung mitten durch ein Naturschutzgebiet im Rospuda-Tal dagegen einen Skandal: „Man kann durch ein solches Gebiet nur bauen, wenn es gar keine andere Möglichkeit gibt. Sonst verbieten das polnische und auch das europäische Gesetz den Bau. In dem Gebiet leben Wölfe und Störche und viele bedrohte Pflanzenarten.“Die EU-Kommission will den Autobahnbau stoppen, weil das Rospuda-Tal zum Artenschutz-Netz Natura 2000 gehört. „Die Kommission ist bereit, sich an den Europäischen Gerichtshof zu wenden“, erklärte EU-Umweltkommissar Stavros Dimas in der polnischen Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“. Seit 1. März läuft ein Ultimatum an Polens Regierung, den Bau zu stoppen. Doch die Regierung in Warschau hält an dem Projekt fest. Umweltminister Jan Szysko, der am 4. Februar die Fällgenehmigungen erteilte, will den Bau vorantreiben und bekommt auch Unterstützung von der Opposition. Jan Rzymelka von der liberalen Bürgerplattform gehört als Umweltexperte seiner Partei ebenfalls zu den erklärten Befürwortern der Trasse. „Die EU-Richtlinien sind schöne Traumvorstellungen, aber gerade ein sehr ländlich geprägtes Gebiet wie Polen, treffen sie sehr hart. Hier gibt es eben noch viel Natur. Wenn wir alle Richtlinien umsetzen würden, dann könnten wir keinen einzigen Stein mehr verbauen.“, sagt er.Jan Jakiel ist Ingenieur und beschäftigt sich mit der Entwicklung des Straßenbaus in Polen. Nur zufällig ist der junge Mann aus Warschau auf die Trasse gestoßen. Als er die Pläne für die Straße durch das Naturschutzgebiet sah, wunderte er sich, warum nicht eine Alternative am Schutzgebiet vorbei gewählt wurde. „Es gibt ganz klar eine Möglichkeit, das Gebiet zu umgehen. Das wird dann sogar billiger, weil man nicht durch das schwer zu bebauende Torf- und Moorgebiet bauen muss.“Die Regierung sieht das anders – viel teurer wäre der Alternativbau und würde natürlich auch länger dauern. Doch die Proteste haben inzwischen die Ausmaße einer für Polen ungewöhnlichen Umweltbewegung angenommen. 160.000 Menschen unterzeichneten eine Petition der wichtigsten Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“ gegen das Bauvorhaben, Hunderte gingen vor Ort auf die Straße oder campierten im Wald. Und sogar Malgorzata Kaczynska, die Frau des polnischen Präsidenten, sprach sich gegen den Bau durch das Naturschutzgebiet aus.Die Bürger des Kleinstädtchens Augustow hingegen, sind mehrheitlich für das Projekt. Hier wartet man schon seit Jahren auf eine Verbesserung der Infrastruktur. Gerade mal eine Ampel gibt es in Augustow um die Landstraße zu überqueren. Schon einige Einwohner, die an anderen Stellen die Straße in kompletter Dunkelheit überquerten, kamen dabei ums Leben. Mit der Via Baltica soll für Augustow eine Umführung der Stadt kommen. Nun fürchtet die Stadt, dass die Proteste den Bau aufhalten könnten. „Meistens tun sie uns einfach ab als Öko-Terroristen und sehen einfach nicht, dass es nicht nur fünf Leute sind, sondern mittlerweile ganz Polen sich da einmischt“, bedauert Greenpeace – Sprecherin Ewa Jakubowska, die von dem Erfolg der eigenen Kampagne selbst überrascht ist. Ende
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