Georgien

Wahlen zwischen Ruinen und Palmen

Eine Kolonne von Jeeps, schwarze und militär-grüne, raste auf der holprigen Landstraße am Schwarzen Meer Richtung Süden. 130.000 Wahlberechtigte waren am vergangenen Sonntag aufgerufen, die 35 Abgeordneten für das Parlament der von Georgien abgespaltenen Provinz Abchasien zu wählen. Die Wahlbeteiligung lag bei 47 Prozent. Wie der Vorsitzende der Zentralen Wahlkommission, Batul Tabagua, nach Auszählung der Stimmen am Montag mitteilte, muss in 17 der 35 Wahlkreise neu gewählt werden, weil dort keiner der Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen bekam. Die Nachwahlen sollen in zwei Wochen stattfinden.



Wahllokal in Abchasien. / Ulrich Heyden, n-ost

Präsident Bagapsch wollte mit seiner Präsenz im Gali-Bezirk demonstrieren, dass die dort lebenden Georgier in Ruhe wählen können. Georgische Organisationen hatten zum Wahlboykott aufgerufen. Von den etwa 200.000 Georgiern, die während des Unabhängigkeitskrieges 1992 aus Abchasien flüchteten, sind inzwischen 60.000 wieder zurückgekehrt. Sie leben vorwiegend im Gali-Bezirk.In den Tagen vor der Wahl hatte es am Grenzfluss Ingur, im Süden Abchasiens, Spannungen gegeben. Abchasische Grenzposten verhafteten drei Jugendliche, angebliche georgische "Provokateure". Sie hätten Anweisungen bei sich getragen, wie die Wahlen in Abchasien gestört werden sollen, berichtet ein abchasischer Grenzpolizist im persönlichen Gespräch. Am Sonnabend, einen Tag vor der Wahl, demonstrierten 1.500 georgische Jugendliche am Grenzfluss gegen die Wahlen. Ein offizieller Vertreter des abchasischen Präsidenten drohte mit Schusswaffeneinsatz, wenn die Demonstranten die Brücke über den Grenzfluss Ingur überschreiten.

Saakaschwili: Wahlen nicht legitim

Der georgische Präsident Michail Saakaschwili erklärte am Sonntag auf einer Militärbasis in Gori, die jungen Georgier, würden sich niemals mit dem Verlust Abchasiens abfinden. Wahlen in der abgespaltenen Provinz seien solange nicht legitim, bis nicht alle georgischen Flüchtlinge zurückgekehrt sind.  Die in Abchasien stationierte russische Friedenstruppe will Saakaschwili möglichst schnell durch eine EU-Friedenstruppe ersetzen. Zuvor müsste Georgien, welches in die Nato strebt, jedoch aus der GUS austreten, denn die russische Friedenstruppe wurde auf Beschluss der GUS in Abchasien stationiert.Zu den Wahlen am Sonntag war eine kleine Gruppe von Beobachtern aus Russland, der Ukraine, Belgien und anderen Ländern angereist. Die Beobachter registrierten keine Störungen. Die OSZE hatte keine Beobachter entsandt. Sergej Bagapsch erklärte, die Parlamentswahl habe gezeigt, dass Abchasien ein normaler demokratischer Staat ist. Bagapsch betonte, dass es in Abchasien auch eine Opposition gibt.Kurz vor der Wahl hatten sich 29 Kandidaten zu einem Oppositionsbündnis zusammengeschlossen. Die Kandidaten kritisieren, dass der Präsident seine "administrativen Ressourcen" nutze, um ihm genehme Kandidaten zu stärken. Außenpolitisch ist der Präsident - nach Meinung der Opposition - "zu weich" gegenüber Tiflis. So unternehme Suchumi nichts gegen eine von georgischen Flüchtlingen im abchasischen Kodori-Tal installierte Parallel-Regierung. Bei Verhandlungen über die Wiederaufnahme der Bahnverbindung zwischen Sotschi, Suchumi, Tiflis und Jerewan, sei Georgien mit einem Transportminister vertreten gewesen, Abchasien aber nur mit einem höheren Beamten der Eisenbahnverwaltung.

Armut und Patriotismus

Von den 108 Kandidaten sprachen sich alle für den Kurs auf die vollständige Unabhängigkeit und das Bündnis mit Russland aus. Die Unabhängigkeit von Georgien erfordert von den Menschen in Abchasien erhebliche Opfer. Es gibt praktisch keine großen wirtschaftlichen Investitionen. Zwischen Suchumi und Gali fährt man kilometerweit an ausgebrannten und verlassenen Wohnhäusern und Fabriken vorbei. Nur sehr langsam kommt der Wiederaufbau in Abchasien voran. Die Menschen leben von dem, was im Garten wächst und den Mandarinen, Mimosen und Nüssen, die Händler in Russland verkaufen. Der Monatslohn liegt bei 40 Euro. Die Renten zahlt Russland. Die Abchasen hoffen auf die russischen Touristen, die trotz der Spannungen mit Tiflis an den Stränden Abchasiens ihren Urlaub verbringen. Russland erleichterte im letzten Jahr die Einreise nach Abchasien.

Hoffnung auf Frieden

Als der Präsident am Sonntag das Wahllokal in der Stadt Gali erreichte, gingen Scharfschützen der präsidialen Leibwache in Stellung. Während der Präsident in einem Hinterzimmer mit der örtlichen Verwaltung und Vertretern der Wahlkommission tagte, drängten Menschen mittleren Alters in das Wahllokal. Gegenüber Journalisten sind sie zurückhaltend. "Ich hoffe dass wir Frieden haben und alles besser wird", meint ein Georgier, der seinen Namen nicht nennen will. Die Aufrufe zum Wahlboykott haben die Georgier im Gali-Bezirk offenbar nicht befolgt. Man geht zur Wahl, auch um zu zeigen, dass man ein loyaler Bürger ist.


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