Kosovo

Wiederaufnahme der Statusverhandlungen

Falls Russland die Staatswerdung des Kosovo mit seinem Veto im Uno-Sicherheitsrat verhindert, könnte das Parlament in Pristina einseitig die Unabhängigkeit ausrufen. Dies erklärte ein hochrangiger Vertreter der Kosovo-Albaner im Vorfeld der Kosovo-Verhandlungen, die am Mittwoch in Wien wieder aufgenommen werden.Anfang Februar hatte Uno-Vermittler Martti Ahtisaari in Belgrad und Pristina seinen Plan für die Zukunft des seit 1999 von den Vereinten Nationen verwalteten Kosovo vorgestellt. Darin wird das Wort „Unabhängigkeit“ zwar nicht explizit erwähnt. Doch sowohl die Vertreter Serbiens als auch der Kosovo-Albaner interpretieren den Vorschlag dahingehend, dass damit ein neuer Staat Kosovo auf den Weg gebracht werden soll – mit eingeschränkter Souveränität und überwacht von der EU.

Belgrad lehnt den Plan kategorisch ab und will dem Kosovo höchstens substantielle Autonomie innerhalb der Grenzen Serbiens zugestehen. Für Pristina dagegen „ermöglicht der Vorschlag, trotz einiger schmerzlicher Teile, die Eigenstaatlichkeit und eine europäische Zukunft“, erklärte Enver Hoxhaj, Mitglied des kosovarischen Verhandlungsteams, im Gespräch mit dieser Zeitung in Pristina. Deshalb werde seine Delegation in Wien keine grundlegenden Änderungsvorschläge zum Ahtisaari-Paket mehr einreichen.


Vater Sava Janjic, Vize-Abt des orthodoxen Klosters Decani. / Norbert Rütsche, n-ost

Mit zunehmender Sorge verfolgen die Kosovo-Albaner dagegen die Position Moskaus. „Ja, wir haben Angst, dass Russland vielleicht zum 'Spielverderber' wird“, sagte Hoxhaj. Sollte das Land im Uno-Sicherheitsrat von seinem Veto Gebrauch machen, schließt Hoxhaj nicht aus, dass das Parlament in Pristina dann einseitig einen unabhängigen Staat Kosovo ausrufen werde. „Ich bin nicht Russland gegenüber verpflichtet, sondern gegenüber meinem Volk“, so der Abgeordnete der Oppositionspartei PDK. Doch Hoxhaj hofft, dass Moskau seine Position anderswo stärken kann und so seinen Widerstand letztlich aufgeben wird. Kosovo werde alles tun, um seine Verantwortung gegenüber der internationalen Gemeinschaft wahrzunehmen. „Aber diese muss auch verstehen, dass wir nicht nochmals acht Jahre im Status quo leben können“. Kosovo brauche so rasch wie möglich eine Lösung, die ein für allemal politische und rechtliche Klarheit schafft.

Sollte die Regelung der Zukunft des Kosovo zu lange dauern, sorgt sich Hoxhaj um die Glaubwürdigkeit der kosovo-albanischen Führung. „Eine Lösung wird dann schwieriger. Die Bevölkerung ist der Meinung, dass sie jetzt die Unabhängigkeit verdient hat. Schon die Verschiebung des Ahtisaari-Plans vom letzten auf dieses Jahr hat uns sehr geschadet.“Diese Unzufriedenheit überrascht den gemäßigten kosovo-serbischen Politiker Oliver Ivanovic aus Nord-Mitrovica nicht. „Die kosovo-albanische Führung hat ihren Leuten etwas versprochen, was sie selbst gar nicht in der Hand hat – die schnelle Unabhängigkeit“, erklärte er gegenüber dieser Zeitung. Ivanovic plädiert für eine „Übergangslösung mit einer internationalen Präsenz bis zum Moment, in dem wir alle der EU beitreten. Ich hoffe, dass wir in zehn Jahren soweit sein werden.“


Der gemäßigte kosovo-serbische Politiker Oliver Ivanovic. / Norbert Rütsche, n-ost

Vater Sava Janjic ist Vize-Abt des orthodoxen Klosters Decani und zählt zu den einflussreichen kosovo-serbischen Intellektuellen. Er befürchtet, dass wegen des emotionsgeladenen Streits um den Status das gesamte Ahtisaari-Paket mitsamt den technischen Elementen wie Dezentralisierung, Minderheitenschutz, Menschenrechten oder dem Schutz des kulturellen und religiösen Erbes verworfen werden könnte. „Die Statusfrage kann nicht von Belgrad und Pristina gelöst werden, sondern wird zwischen Moskau, Washington und Brüssel entschieden“, so der Mönch. Deshalb wäre es sinnvoller, sich auf konkrete, praktische Fragen zu konzentrieren, die die Lebensqualität der Menschen verbesserten. „Denn letztlich“, so Vater Sava, „beschränkt sich der Unterschied zwischen den Positionen Serbiens und der Kosovo-Albaner ohnehin fast nur noch auf die Frage, ob vor dem UN-Gebäude eine Kosovo-Flagge wehen darf oder nicht."


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