Braunbär Brunos Brüdern geht es an den Kragen
Die Bären im ehemaligen Jugoslawien hatten nur einen natürlichen Feind. Und das war Ex-Staatschef Tito. So lautet ein häufig erzählter Scherz auf Kosten des verstorbenen Politikers, der seinerzeit als begeisterter Bärenjäger auftrat und sich gerne mit seinen selbst erlegten Trophäen ablichten ließ.
In diesen Tagen steht die Jagd auf den Ursus arctos, wie der Braunbär auf Lateinisch heißt, nun erneut im Visier der Öffentlichkeit: Slowenien will in diesem Jahr 106 Bären, 15 Wölfe und einen Luchs zum Abschuss freigeben, noch im Februar soll eine endgültige Entscheidung fallen. Diese abermals relativ hohe Quote – gemessen an einer Gesamtpopulation zwischen 400 und 700 Braunbären im Land – sorgt allerdings für internationale Proteste. In einem slowenischen Internetforum schreibt ein Nutzer, dass die hohen Quoten ein Irrwitz seien: „Slowenien lässt seine Bären töten und in Westeuropa sterben sie unterdessen aus“, heißt es dort.
Slowenien immer wieder in der Kritik
Das Umweltministerium in Ljubljana rechtfertigt sich damit, zahlreiche Experten hinzu gezogen zu haben. Die Zahl der zum Abschuss empfohlenen Bären schwanke dabei zwischen 80 und 106 Tieren, so eine Sprecherin. Ermittelt wird die Quote durch eine Kommission, der Vertreter von Ministerien, des staatlichen Forstinstituts, Hochschulen, Jäger, Viehzüchter und Gemeinden angehören. Die slowenische Artenschutz-Organisation „Tierrechte“ kritisiert unterdessen, dass dies mehrheitlich Mitglieder seien, die Interesse an einer möglichst hohen Quote hätten. Berechnet wird diese aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen, deren Methode in Slowenien allerdings nicht wirklich transparent sei, bemängelt der WWF Österreich, zu dessen Schwerpunkten das Bärenprogramm im Alpen-Donau-Raum gehört.
Slowenien war in den vergangenen Jahren immer wieder in die Kritik geraten: Wurden in den 1990er Jahren noch durchschnittlich 50 Braunbären jährlich zur Jagd freigegeben, so verdoppelte Ljubljana diese Zahl kurzerhand vor dem Beitritt des Landes zur Europäischen Union. Prompt hagelte es Proteste aus Brüssel. Daraufhin senkte Slowenien diese Quote wieder, zudem wurde ein europäisches Bärenschutzprogramm eingeführt. Von Jahr zu Jahr hob Ljubljana die Zahl allerdings nun wieder kontinuierlich an – bis im Vorjahr ein trauriger Rekord von 126 getöteten Bären erzielt wurde, von denen allerdings über 20 Tiere durch Kollisionen mit Autos oder Zügen ums Leben kamen. Rechnet man solche Verkehrsunfälle hinzu, sollten es in diesem Jahr 130 Bären weniger sein, die durch Sloweniens Wälder streunen werden, so die Pläne der Regierung, die durch ihr Vorgehen das natürliche Gleichgewicht der Population regulieren möchte.
Tierschützer kritisieren „systematische Ausrottung”
Die Artenschutzorganisation Pro Wildlife spricht unterdessen von einer „systematischen Ausrottungsaktion“ der slowenischen Bären. Das EU-Recht schütze die europäischen Braunbären streng, ein Abschuss sei nur zur Abwehr individueller Gefahrensitutationen erlaubt, heißt es in einer Pressemitteilung. Slowenien habe sich in den vergangenen Jahren allerdings über die klaren Schutzvorschriften der EU hinweggesetzt. Die slowenischen Tiere seien jedoch zur Wiedereinbürgerung von Braunbären in Mitteleuropa beziehungsweise deren Überleben existenziell, heißt es weiter.
Nicht alle Bewohner Sloweniens sind jedoch glücklich mit der hohen Bärenpopulation: Vor allem Landwirte und Schafzüchter beklagen zunehmende Schäden. Wurden 1994 noch sieben Fälle gemeldet, so verzeichneten die slowenischen Behörden ein Jahrzehnt später bereits 814 Schäden, die durch Meister Petz verursacht wurden. Hinzu kommt, so die Statistik, dass jährlich ein Slowene von einem Bär angegriffen wird.
Dass das Problem in den letzten Jahren an politischer Brisanz gewonnen hat, lässt sich auf ein „künstlich geschaffenes Problem“ zurückführen, gibt Artenschutz-Experte Gerald Dick vom WWF Österreich zu bedenken. Schafzüchter hätten sich infolge der staatlichen Subventionen, die Ljubljana vor einigen Jahren zur Förderung der Weidewirtschaft eingeführt hat, auch in einigen südslowenischen Regionen niedergelassen, die traditionell als zentrales Schutzgebiet von Bären gelten. Den Tieren könne man daher keine Vorwürfe machen, dass sie zunehmend Schafe reißen, die ihnen „quasi auf dem Silbertablett präsentiert werden“, sagt Dick.WWF
WWF hofft auf Einsicht der Behörden
Der WWF hofft unterdessen, Slowenien noch beeinflussen zu können, bevor die diesjährige Quote endgültig festgesetzt wird. Dass es sie geben wird, steht fest. Je geringer sie jedoch ausfällt, umso mehr Versäumnisse könnten nachgeholt und ein gemeinsames Bären-Management mit Kroatien könne endlich vorangetrieben werden, so Dick. Die slowenischen Bären gehören einer grenzüberschreitenden Gesamtpopulation an, die sich auch auf die Nachbarländer Kroatien und zum Teil Österreich erstreckt. Wobei der WWF die Zahl der österreichischen Bärenpopulation auf gerade mal 25 bis 30 Tiere schätzt, oftmals seien dies Durchzügler aus Slowenien, die sich in das angrenzende Kärtnen verirren. Wird ein Bär in Slowenien erlegt, kann es sich dabei durchaus auch um ein Tier aus Kroatien handeln, so Dick. Genau könne man dies nicht bestimmen und müsse daher den gesamten Bestand im Auge behalten. Eine verbesserte internationale Abstimmung der betroffenen Länder sei daher unbedingt erforderlich, fordert Dick.
„Bären kennen keine Grenzen“, betont auch Robert Laginja, Berater des kroatischen Forstministers in Zagreb. In Kroatien sei die Population mit rund 1.100 Tieren über Jahre hinweg stabil geblieben, allerdings gelten nicht die strengen EU-Vorschriften, da das Land noch kein Mitglied sei, erklärt Laginja. Gemäß einem Aktionsplan hat Zagreb im Vorjahr 70 Tiere zum Erlegen frei gegeben. Eine Quote, die allerdings nicht ausgeschöpft wurde, so Laginja. 49 Bären seien getötet, weitere 36 Tiere durch Unfälle, Erschöpfung oder fehlerhaftes Jagdverhalten umgekommen.
Die Jägerverbände würden die Quoten allerdings zu 90 Prozent an Ausländer verkaufen, um dadurch eigene Mittel zu erwirtschaften, gibt Laginja zu bedenken. Zur gestiegenen Bärenpopulation in Kroatien, vor allem jedoch in Slowenien, hat letztlich auch der jüngste Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina in den 1990er Jahren beigetragen. Von Forstbehörde und Jägern vergessen, suchten vor allem Bären aus der Region um die westbosnische Stadt Bugojno – einem der bevorzugten Jagdgebiete Titos – Zuflucht in Slowenien. Die Kriegswirren trieben die Tiere durch Kroatien bis nach Slowenien, wo sie sich vor allem in der waldreichen Gegend um Kocevje (Gottschee) niederließen. Wie viele es genau waren, kann jedoch nur spekuliert werden.