Rumänien

"Wie ich das Ende dieser Welt verbrachte"

Mit Hilfe von Wenders und Scorsese produzierte Daniel Mitulescu das rumänische Pendant zu "Goodbye Lenin"

Berlin (n-ost) - Das Wim Wenders und Marin Scorsese gemeinsam als Paten für einen rumänischen Film fungieren, kommt nicht alle Tage vor. Der rumänisch-französische Film "Wie ich das Ende dieser Welt verbrachte" (Comment j´ai fété la fin du monde) lief gerade in der Kategorie "Generation K plus" der Berlinale. Beim Filmfest in Cannes bekam die Hauptdarstellerin Dorotheea Petre als erste rumänische Schauspielerin überhaupt einen Darstellerpreis. Ähnlich wie "Goodby Lenin" behandelt der Film die sozialistische Epoche in Rumänien weder sehr nostalgisch noch sehr politisch, eher alltäglich mit Augenzwinkern. Die Gymnasiastin Eva lebt 1989 in einem der dörflichen Slums von Bukarest. Als Eva mit ihrem Freund Alex eine Büste des rumänischen Diktators Ceausescu zu Bruch bringt, wird sie in eine Umerziehungsanstalt geschickt und lernt den Dissidentensohn Andrei kennen. Gemeinsam planen sie die Flucht in den Westen, während ihr 7-jähriges Brüderchen Lalalilu zusammen mit seiner kleinen Gang einen Anschlag auf den Staatschef im Sinn hat. Wie es zur Zusammenarbeit mit Wenders uns Scorsese kam und über die ersten Schritte  Rumäniens in Richtung Filmindustrie sprach Brigitta Gabrin mit dem 28-jährigen Filmproduzenten Daniel Mitulescu, Bruder des Regisseurs Catalin Mitulescu.


Frage: Fast alle aktuellen rumänischen Filme beschäftigen sich mit dem Thema Revolution. Hat sich das Thema nicht schon erschöpft?Mitulescu: Der Zweite Weltkrieg ist ja zum Beispiel auch ein unerschöpfliches Thema. Ich finde es wichtig und gut, dass diese von uns gemachte Erfahrung aus so vielen unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird. Lange Zeit waren wir von ganz bestimmten stereotypen Bildern über die Revolution geprägt. Und die neueren Filme weichen diese auf:  In "Wie ich das Ende dieser Welt verbrachte" wird sie zum Beispiel aus der Sicht einer Jugendlichen und eines Kindes gesehen und im Mittelpunkt steht nicht das politische Ereignis sondern ihre Pubertät, die erste Liebe, ihre Familie. Außerdem fängt der Film die Atmosphäre unmittelbar vor der Wende sehr realitätsgetreu ein. Die Menschen waren des Sozialismuses mehr als überdrüssig, trotzdem taten nur wenige etwas dagegen. Und obwohl die Handlung in unmittelbarer Nähe des Hauptgeschehens, in "Colentina", einem der Bukarester Slums spielt, verfolgen die meisten Menschen den Umbruch nur im Fernsehen.
Frage: Wie kommt es, dass sie im Alter von 28 schon Filmproduzent sind?

Mitulescu: In Rumänien ist der Filmproduzent eigentlich so was wie ein Fundraiser, seine Rolle ist es Geld zusammenzubekommen und das tue ich.
Frage: Sie hatten beim Film extrem berühmte Kollegen als Koproduzenten: Martin Scorsese und Wim Wenders, wie kam es dazu?Mitulescu: Scorsese gehörte 2002 der Jury des Cannes-Festivals an und war sehr begeistert über den Kurzfilm, den mein Bruder Catalin Mitulescu  eingereicht hatte. Sie kamen ins Gespräch und Scorsese bot ihm Unterstützung bei seinem ersten langen Spielfilm an. Das war "Wie ich das Ende dieser Welt verbrachte". Es wäre aber sehr teuer geworden, den Film in Amerika zu drehen, deshalb nahm Martin Scorsese seinen Freund Wim Wenders ins Boot, so wurde einiges in Deutschland gemacht. Zum Beispiel bekam der Film dort den letzten Schliff.
Frage: Waren die beiden, außer als hervorragendes Aushängeschild, auch sonst noch wichtig für den Film?Mitulescu: Ja natürlich! In Sachen Finanzierung waren sie uns eine große Hilfe, und mein Bruder hat sich bei der Postproduktion, vor allem beim Schnitt, wo entschieden wurde, welche Szenen bleiben und welche gestrichen werden, ganz konkret mit Scorsese beraten. Am Ende war Martin Scorsese dann auch sehr zufrieden mit dem Ergebnis und richtig stolz auf den Film.
Frage: Anderthalb Millionen Produktionskosten, ist das ist für einen rumänischen Film nicht  relativ viel Geld?Mitulescu: Ja, das ist es, der Film ist eine klassische Koproduktion: 60 Prozent rumänisch, 40 Prozent französisch und Geld gab es außerdem noch aus Deutschland und Amerika. Als rein rumänischer Film wäre er sicherlich billiger geworden, aber wir wollten dass er internationalen Standards genügt. Dafür waren zum Beispiel die Tontechniker aus Frankreich unerlässlich. Und ein großer Vorteil dieser Koproduktion ist natürlich auch, dass er im Land der "Independent Filme" als französischer Film gehandelt wird.
Frage: Ist der rumänische Film auf dem internationalen Markt im Augenblick mehr gefragt als früher, etwa wegen des EU- Beitritts?Mitulescu: Er wird gerade immer interessanter. Man kann sagen, der rumänische Film ist in Europa angekommen: Ein Zeichen dafür sehe ich darin, dass unsere Filme nicht nur in Deutschland und Frankreich gezeigt werden, sondern zum Beispiel auch in den skandinavischen Ländern. Rumäniens Beitritt zur EU wird diesen Trend sicherlich verstärken.
Frage: Der Film fand in Rumänien nur 17.000 Zuschauer. Woher kommt dieses Desinteresse? Ist es nur die große Konkurrenz durch das Fernsehen, die Piraterie, oder gibt es da noch mehr Gründe?Mitulescu: Vermutlich sind das die Hauptgründe. Aber man muss auch zugeben, dass die rumänischen Filme lange Zeit schlecht waren. Außerdem arbeiten die Menschen sehr viel, haben kaum noch Zeit fürs Kino. Aber sie schauen sich trotzdem Filme an, nur eben nicht im Kinosaal. Diese müssten dringend modernisiert werden, was zum Teil auch schon passiert, es wird viel privatisiert aber da sind richtig große Investitionen nötig und ein Umdenken, zum Beispiel in Richtung Freiluft- oder Autokinos. Aber ich bin sehr optimistisch, es herrscht gerade eine positive Energie, das Nationale Kinematografie Zentrum "CNC" versucht, die Filmindustrie anzukurbeln. Wobei es wahrscheinlich vermessen ist, von einer Filmindustrie zu sprechen, die gibt es ja eigentlich außer in Amerika und Indien nirgendwo. Aber man könnte sagen, wir machen erste vorsichtige Schritte in die Richtung. Sehr hilfreich ist dabei, dass zu den nationalen Fördermitteln nun immer mehr europäische dazukommen.
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