Große Hallen für ein kleines Land
Nachdem Deutschland eine grandiose Handballweltmeisterschaft mit ausverkauften Hallen voller begeisterter Fans erlebt hat, will Kroatien als Austragungsort der WM 2009 noch eine Schippe drauflegen und ist dabei, sich zu verheben: Nicht weniger als zehn neue Sporthallen nach europäischem Standard sollen für die WM im Adriastaat aus dem Boden gestampft werden. Doch der Zeitplan ist nach einem wochenlangen Streit kaum noch einzuhalten und viele Bürger fragen sich, was nach der WM mit den großen Hallen passiert.
Zunächst waren sich alle einig: Keine langwierigen Ausschreibungsfristen, stattdessen direkte Auftragsvergabe an Investoren. Nur so könne man Zeit gewinnen. Zeit, die derzeit ziemlich knapp ist in Kroatien. In nur zwei Jahren müssen zehn neue Sporthallen in sechs Städten errichtet werden, in denen die Herren-Handball-WM im Januar 2009 ausgetragen werden soll. 55.000 Sitzplätze sind insgesamt geplant, es geht um ein Investitionsvolumen von etwa 275 Millionen Euro. Prompt hat die Regierung die ganze Sache zur Staatsangelegenheit erklärt und im Eilverfahren einen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die vereinfachte Auftragsvergabe ohne Ausschreibung vorsieht. Dann kam jedoch alles ganz anders: Von den sechs Austragungsorten Zagreb, Split, Osijek, Varazdin, Zadar und Porec lehnten gleich drei Städte den Gesetzesentwurf ab. Man habe andere Lösungen oder bereits mit den Bauarbeiten begonnen, so die Argumente.
Auch der Initiator der geplanten Gesetzesänderung, Milan Bandić, Bürgermeister der Hauptstadt Zagreb, wollte plötzlich nichts mehr davon wissen. Schließlich protestierte auch die Europäische Kommission gegen die seltsamen Spielregeln von EU-Beitrittskandidat Kroatien bei der Vergabe von Aufträgen. Das Argument aus Brüssel: Es handle sich um öffentliche Gelder, über die nicht einfach so verfügt werden könne. Der kroatische Premier Ivo Sanader gelobte unterdessen Transparenz bei der Vergabe der Aufträge, alles werde für jeden nachvollziehbar sein - die Bewerber, die Auswahl, die Mittelvergabe. Der niedrigste Preis bleibe das ausschlaggebende Argument. Doch damit stieß er bei seinen Kritikern auf taube Ohren: Solch ein Ausschreibungsgesetz öffne der Korruption Tor und Tür, so der Medientenor in diesen Tagen. So kam es schließlich, dass das geplante "Handball-Gesetz", das die kroatische Öffentlichkeit längst nach seinem Ideengeber "Bandić-Gesetz" getauft hatte, schnell wieder zu Grabe getragen wurde.
Premier Sanader sieht nun ein Problem: Die Städte könnten es alleine möglicherweise nicht schaffen, den Hallenbau fristgerecht abzuschließen. Dadurch könne der Ruf Kroatiens in der Welt gefährdet werden. Mit dem gekippten Gesetzesentwurf habe man den Städten lediglich entgegen kommen wollen. Denn schließlich baue nicht die Regierung die Hallen, sondern die Städte hätten sich ausdrücklich dafür verbürgt, für die erforderliche Infrastruktur aufzukommen, sagte der Premier in einer Pressemitteilung. Böse Zungen behaupten unterdessen, dass Sanaders konservative Regierungspartei HDZ dadurch ihren Wahlkampf finanzieren wolle, denn Kroatien wählt in diesem Jahr ein neues Parlament. Sanaders Sorgen sind nicht unberechtigt: Seit Kroatien vor knapp einem halben Jahr den Zuschlag für die WM-Austragung erhalten hat, wurde viel diskutiert. Noch immer steht jedoch das Aussehen einiger Hallen nicht fest, auch mit der Höhe der Baukosten wird noch munter jongliert. So soll eine der beiden großen Hallen, die in Zagreb und Split geplant sind, mal 40, 90 oder gar 140 Millionen Euro kosten - je nach Medienquelle und Auskunftspartner. Die geplanten Sporthallen sollen größtenteils durch das Modell einer öffentlich-privaten Partnerschaft finanziert werden. Dabei ist eine Konzessionsvergabe auf 30 Jahre zu Gunsten der Investoren vorgesehen, mit der Stadt würden diese einen entsprechenden Pacht- oder Leasingvertrag abschließen. Nach Ablauf dieser Zeitspanne würde die Halle dann in städtisches Eigentum übergehen.
In der Hauptstadt sollen zwei Hallen entstehen, eine kleine für 5.000 Zuschauer und Baukosten in Höhe von 24 Millionen Euro und eine größere - die Zagreb Arena - mit 15.000 Sitzplätzen. Letztere Variante ist allerdings noch offen. Aufgrund der knappen Zeit wird nun sogar über eine Sanierung der größten Sporthalle des Landes, Dom sportova in Zagreb, mit 12.000 Sitzplätzen nachgedacht. Hier wurde bereits das Finale der Damen-Handball-Weltmeisterschaft 2003 ausgetragen, allerdings sind dringende Modernisierungsarbeiten notwendig. Argwöhnisch betrachtet wird unterdessen auch die Größe der Hallen. In solch einem kleinen Land mit gerade mal 4,4 Millionen Einwohnern kämen selbst zu Fußballspielen selten mehr als 10.000 Zuschauer, kritisiert der staatliche Rundfunksender HRT. Fraglich sei daher, was mit den neuen Sporthallen nach der WM passieren solle. Die Tageszeitung "Slobodna Dalmacija" in Split schlägt vor, einen Teil der Baukosten lieber zur Verbesserung der allgemeinen Infrastruktur zu verwenden. Beispielsweise gehört der Anschluss an das öffentliche Abwassersystem noch immer nicht überall in Kroatien zum Alltag.