Polen

Rücktritt des Verteidigungsministers

Verteidigungsminister tritt nach Streit mit Kaczynskis zurück // Mit Radoslaw Sikorski verliert die Regierung einen der wenigen Minister von internationalem Format

Warschau (n-ost) - Der polnische Verteidigungsminister Radoslaw Sikorski ist am Montag  zurückgetreten, nachdem es mit Regierungschef Jaroslaw Kaczynski zu einem Streit über die Auflösung des polnischen Militärgeheimdienstes WSI gekommen war: Ein Regierungssprechers sagte, dass Sikorski seinen Rücktritt eingereicht hätte, nachdem er ein „allgemeines Gespräch mit dem Premier über den Zustand seines Ressorts“ geführt habe. Im Anschluss daran hätte er den Regierungschef vor die Alternative gestellt: „Ich oder Antoni Macierewicz“, den Regierungsbeauftragten für die Auflösung des WSI.Nach Regierungsübernahme durch die rechtskonservative PiS (Recht und Gerechtigkeit) wurde Macierewicz mit dieser Aufgabe betraut. Er gilt seit der politischen Wende vor 18 Jahren als Ikone der so genannten Lustration, der politischen Reinigung von den Hinterlassenschaften aus der Zeit der kommunistischen Volksrepublik. Die Lustration ist der Eckpfeiler der so genannten „IV.Republik“, dem ideologischen Programm der Brüder Kaczynski. Macierewicz gilt als ihr enger Vertrauter.Immer wieder wurde in den vergangenen Monaten über einen Rücktritt von Sikorski spekuliert; der Konflikt zwischen ihm und den Geheimdienstliquidator schwelt seit langem. Am Wochenende berichtete das Nachrichtenmagazin „Newsweek“, dass Macierewicz dem Verteidigungsminister nicht traut und ihm deshalb die fortlaufenden Berichte über die Auflösung des Nachrichtendienstes vorenthält. In einem informellen Gespräch mit den Brüder Kaczynski hätte Sikorski die Unterstützung für Macierewicz kritisiert, was vor allem dem Präsidenten Lech Kaczynski missfallen hatte.Unter Bezugnahme auf „Militärkreise“ heißt es weiter, dass es Sikorski an Verantwortung im Zusammenhang mit dem polnischen Afghanistan-Einsatz fehle. In diesem Monat wird Polen sein Militärkontingent in Afghanistan auf 1000 Soldaten aufstocken; bislang hat das Land 100 Soldaten als Teil des NATO-Kontingents in Afghanistan. Sikorski habe bemängelt, dass ihn die Geheimdienst-Berichte aus Afghanistan ebenfalls erst verspätet erreicht hätten.Der Verteidigungsminister war beim polnischen Militär außerordentlich beliebt, zumal er Ende der 80er Jahre als Kriegsreporter für britische Zeitungen in Afrika und Afghanistan im Einsatz gewesen ist. Der 43-jährige Oxfordabsolvent gehörte zu den wenigen Regierungsmitgliedern mit internationalem Format: Er arbeitete auch als Warschau-Korrespondent des „Sunday Telegraph“ und als Berater des Medienunternehmers Rupert Murdoch. Er ist mit der US-amerikanischen Pulitzerpreisträgerin Anne Applebaum verheiratet.In Deutschland hatte Sikorski in seiner Amtszeit eher für negative Schlagzeilen gesorgt. So verglich er die umstrittene Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland mit dem Hitler-Stalin-Pakt von 1939, der den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges begünstigte.Sikorski bekam für seine Rücktritts-Entscheidung den Respekt des politischen Gegners: So sagte der ehemalige Verteidigungsminister Jerzy Szmajdziński von der postkommunistischen SLD: „Er konnte ja nicht auf die Zusammenarbeit mit dem Präsident zählen, noch mit dem Premierminister oder der Außenministerin“. Als aussichtsreichster Kandidat für Sikorskis Nachfolge wird Alexander Szczyglo gehandelt, der Chef der Präsidentenkanzlei.Ende-----------------------------------
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